Seit heute, Donnerstag, bieten einige Hausärztinnen und -ärzte Antigentests auf Krankenkassenkosten an.

Foto: EPA

Im Halbstundentakt rufen die Leute an und wollen Gratis-Antigentests, sagt ein Arzt aus dem Umkreis Wiens. Was Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Vortag verkündete, schlug hohe Wellen: Ab Donnerstag könne man sich bei Hausärztinnen und Hausärzten auf Kassenkosten auf Corona testen lassen.

Nur: Für viele Ärztinnen und Ärzte kam die Info überrraschend und auch die Ärztekammer ist verstimmt. "Es gab keinerlei Vorinformation, nicht von der Krankenkasse, nicht von der Ärztekammer", sagt ein Arzt, der anonym bleiben will. Ärzte und Ärztinnen können bei dem Programm freiwillig mitmachen, doch offenbar gibt es offene Fragen: "Wer tätigt den Einkauf, wer verrechnet wo?", will der Betroffene wissen. Antigentests habe er vorher schon angeboten, privat für 40 bis 50 Euro, das weiterhin zu verlangen, wo doch nun der Bund zuschießt, erscheint ihm unfair.

Abwicklung unklar

Auch die Ärztekammer übte prompt scharfe Kritik: Präsident Thomas Szekeres stößt sich zwar nicht am grundsätzlichen Vorhaben, aber an der mangelhaften Vorbereitung, wie er im STANDARD-Gespräch ausführt: So sei weder klar, wie viele Ärzte mitmachen, noch wie die organisatorische Abwicklung in Ballungsräumen funktionieren solle. Denn auf dem Land gebe es schlicht mehr Platz, in Wiener Arztpraxen hingegen könne man die Sicherheit aufgrund der engen Räume zumeist nicht gewährleisten, die Gefahr einer Infektion sei viel zu groß.

Ein sehr großer Teil der Wiener Ärzte würde deshalb nicht mitmachen, kündigt Szekeres an. Er verweist auf eine Umfrage unter niedergelassenen Ärzten, die die Ärztekammer im September durchführen ließ und die dem STANDARD vorliegt. Demnach gaben 75 Prozent an, in ihrer Ordination "eher nicht" oder "ganz sicher nicht" dazu bereit zu sein, einen Corona-Abstrich vorzunehmen. Lediglich 14 Prozent antworteten mit "eher ja" oder "ja, absolut", zwei Prozent waren untentschieden.

Man brauche deshalb dringend eine "Containerlösung" für Wien, wo die Sicherheitsabstände gewährleistet würden, heißt es seitens der Wiener Ärztekammer. Doch diese Lösung sei eben noch nicht fertig verhandelt. Szekeres kritisiert zudem, dass es bisher keinen zentralen Einkauf der Tests gebe, sondern die Ärzte diese vielmehr individuell auf eigene Faust bestellen würden: "Viele Tests sind unbrauchbar. Man bräuchte eine Liste mit denen, die brauchbar sind."

Eine solche Liste versucht man nun in Niederösterreich zu erstellen. Man müsse aber noch rechtlich abklären, ob das auch möglich sei, sagt der Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, Christoph Reisner, zum STANDARD. Zur Testoffensive sagt Reisner, dass man zwischen der guten Idee und der schlechten Kommunikation differenzieren müsse. Es sei "grundsätzlich eine gute Erweiterung des Spektrums", aber dass es jetzt losgehe, habe man aus den Medien erfahren, und so habe man sich nicht vorbereiten können. "Sonst hätten wir die Ärzte vorinformiert."

Anschober: War gut vorbereitet

Anschober will die Kritik, man habe vorab nicht gut kommuniziert, nicht gelten lassen: Es habe "intensive Gespräche" mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärztekammer und vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gegeben, auch die Österreichische Gesundheitskasse sei eingebunden gewesen. "In den Gesprächen bemühten sich alle Beteiligten um eine rasche Umsetzung und eine gemeinsame Kommunikation", sagt Anschober.

Was die Anschaffung von Tests angeht, so seien über die Bundesbeschaffung GmbH "bereits mehrere Produkte für abrufberechtigte Institutionen wie die Ärztekammern, Apothekerkammern und die Bundesländer abrufbar." Ärzte könnten diese auch "über die Bundesländer direkt, über ihre üblichen Kanäle zur Beschaffung zusätzlichen Ordinationsbedarfs oder über die Landesärztekammern beziehen."

Was die Sicherheitsbedenken betrifft, verweist das Gesundheitsministerium darauf, dass für die Durchführung eines Tests im niedergelassenen Bereich grundsätzlich eine vorherige Terminvereinbarung erforderlich sei. Darüber hinaus habe der Arzt dafür Sorge zu tragen, dass eine "räumliche oder zeitliche Trennung" von Corona-Verdachtsfällen sowohl untereinander als auch von den sonstigen Patienten stattfinde. Dies könne durch eigenes festgelegte Ordinationszeiten oder durch räumliche Trennung erfolgen.

Gutes Einkommen

Guter Dinge ist auch Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Sie stand am Mittwoch bei der Pressekonferenz an der Seite Anschobers und sagt nun, angesprochen auf die Bedenken: "Es wird schon werden". Man arbeite mit Hochdruck daran, Unklarheiten zu beseitigen. Was die missglückte Kommunikation betrifft, spielt sie den Ball zurück an die Ärztekammer, die sei dafür zuständig gewesen. Und: Kein Arzt und keine Ärztin brauche Angst vor einer Ansteckung haben. "Wir haben genug Schutzausrüstung, die meisten von uns haben ihre Ordinationen infektionssicher gemacht."

Auf ihrer Seite steht Mediziner Berhard Harb, der in seiner Praxis ebenfalls Antigentests – nun auf Kasse – anbietet. Sorge, dass man sich durch die Tests das Virus in die Ordination holt, hat er nicht. Er testet in Containern im Garten und sagt: "Wer es nach sechs Monaten nicht geschafft hat, eine Lösung zu finden, der hat seinen Beruf verfehlt." Und: Es gebe mittlerweile genug Schutzkleidung und klare Regeln, damit ein Arzt nicht selbst sofort in Quarantäne kommt, wenn eine infizierte Person in der Ordination war.

Außerdem sei die neue Lösung ein gutes Einkommen: "Was wir momentan von der Krankenkasse bekommen, das hätte ich mich privat nicht verlangen getraut", sagt er. Zwischen 35 und 65 Euro pro Test sind das, je nachdem, wie viel man testet. Dass die Abwicklung noch nicht vollends geklärt ist, sei nicht weiter schlimm: "Wenn ich mal fünf Tage eine Liste führe und das dann nachtragen muss, ist es halt so."

Christoph Dachs, ebenfalls Allgemeinmediziner und außerdem Präsident der die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin, bot in seiner Praxis bisher PCR- und nun auch Antigen-Tests an. Er habe, so sagt er, sogenannte Infektionssprechstunden eingerichtet und außerdem zwei Eingänge, damit infektiöse und nicht infektiöse Patienten nicht zusammenkommen, sagt er. "Dass eine Praxis im Hinterhof im 5. Stock das nicht anbieten kann, ist klar, und das soll sie auch nicht", sagt er.

Patientenanwalt kritisiert Kommunikation

Sehr für Corona-Tests bei Hausarzt oder Hausärztin ist auch der niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger. Doch er sieht schwere Mängel bei der Vermittlung des neuen Modells in der Bevölkerung. Wichtig sei das neue Testmodell deshalb, weil damit die Hausärzte und -ärztinnen ihrer Rolle als erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen auch in Bezug auf Corona gerecht werden könnten. Das werde das Vertrauen der Bevölkerung in die Anti-Corona-Maßnahmen erhöhen – denn die bisherige Strategie, diese Aufgabe der Gesundheitshotline 1450 zu übertragen, habe vielen Menschen den Eindruck vermittelt, alleingelassen zu werden.

Bachinger: "Bei mir haben sich etwa Mütter beschwert, die mit ihren Kindern, die mögliche Corona-Symptome aufwiesen, von Hausärzten an die Gesundheithotline verwiesen wurden." Nicht erklärt werde den Menschen nun jedoch der Strategiewechsel im Umgang mit Corona-Verdachtsfällen – und das sei ein Fehler. Im Frühjahr habe es geheißen: nur daheimbleiben, ja nicht rausgehen und 1450 rufen, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Nun solle man mit Symptomen auf einmal zum Doktor gehen.

"Was es braucht, ist eine Vermittlungsoffensive von der Ärzteschaft gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und anderen Experten des Inhalts, dass der Umgang mit dem Virus in der ärztlichen Praxis beherrschbar ist." Das sei umso wichtiger, da klar sei: "Das Corona-Virus wird nicht mehr verschwinden, es wird uns begleiten, und wir müssen es managen." (Irene Brickner, Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 22.10.2020)