1990 nahm Voyager 1 die Erde (Bildmitte) aus einer Entfernung von sechs Milliarden Kilometern auf. Das Bild ging als "Pale Blue Dot" in die Geschichte ein.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Wien/USA/Ithaca – 1990 machte die Nasa-Sonde Voyager 1 auf Anregung des US-Astronomen Carl Sagan das berühmte Bild der Erde aus rund sechs Milliarden Kilometern Entfernung – die Erde als winziger kleiner blauer Punkt oder "Pale Blue Dot". Lisa Kaltenegger, Direktorin des Carl Sagan Institute an der Cornell University, und Joshua Pepper von der Lehigh University (beide USA) haben nun eine ähnliche Perspektive gewählt, um zu sehen, von wo aus es möglich wäre, die Biosphäre der Erde zu analysieren. Voraussetzung dafür ist freie Sicht auf unseren Heimatplaneten, wenn er vor der Sonne vorüberzieht. Das Ergebnis: Es sind rund 1.000 Sterne ähnlich unserer Sonne im Umkreis von nur 300 Lichtjahren, berichtet sie.

Umgekehrter Blickwinkel

"Wir haben den normalen Blickwinkel der Suche nach Exoplaneten umgekehrt und wollten wissen, von welchem Standpunkt aus Beobachter die Erde als sogenannten Transit-Planeten – und somit Lebensspuren – entdecken könnten", erklärte die Forscherin.

Zieht ein Exoplanet – oder die Erde – vor dem Heimatstern vorüber, können Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre gesammelt werden.
Illustr.: ESA/ATG medialab/red

Als Transit bezeichnen die Wissenschafter, wenn ein Planet aus Sicht des Beobachters vor seinem Stern vorbeizieht. Dabei können auch Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre gesammelt werden. Solche Transitbeobachtungen sind ein entscheidendes Instrument, um bewohnbare extrasolare Planeten zu finden, sagte Kaltenegger.

Sternsysteme in der Ekliptik

Für die Wissenschafter stellte sich die Frage, von welchen Sternensystemen es möglich wäre, die Erde zu beobachten, wie sie vor der Sonne vorbeizieht. Der Schlüssel zu dieser Frage liegt in der Geometrie: Es kann sich nur um solche Systeme handeln, die ungefähr in der Ekliptik liegen, also jener Ebene, in der die Sonne und die Planeten liegen.

Mithilfe eines mit dem Nasa-Weltraumteleskop TESS erstellten Sternenkatalogs haben sie im Umkreis von etwa 300 Lichtjahren 1.004 sogenannte Hauptreihensterne – das sind Sterne, die sich in einer ähnlichen Lebensphase befinden wie unsere Sonne – identifiziert, deren Position im Kosmos es erlaubten würde, einen Transit der Erde zu beobachten.

Grafik: Die Stichprobe von 1.004 Hauptreihensternen innerhalb von 100 Parsec (326 Lichtjahre), von denen aus die Erde als Transitplanet erkennbar ist. Oben: Leuchtkraft und effektive Temperatur. Unten: ekliptische Breite und Entfernung.
Grafik: Kaltenegger, Pepper/Monthly Notices of the Royal Astronomical Society

Mit freiem Auge sichtbar

Wenn es Beobachter auf möglichen Planeten in diesen Sternsystemen gäbe, könnten sie Anzeichen von Leben in der Atmosphäre der Erde entdecken", sagte Kaltenegger, die mit Pepper die Ergebnisse im Fachjournal "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht hat. Einige der hellsten dieser rund 1.000 Sterne könne man am Nachthimmel sogar ohne Fernglas oder Teleskope sehen.

"Wenn wir nach intelligentem Leben im Universum suchen, das uns finden und vielleicht sogar mit uns in Kontakt treten könnte, haben wir hiermit die Sternenkarte erstellt, wo wir zuerst suchen sollten", so die Astrophysikerin. (red, APA, 27.10.2020)