Papst Franziskus kündigt eine Kehrtwende an.

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Rom – Die am Mittwoch bekanntgewordene Kehrtwende der katholischen Kirche gegenüber Homosexuellen hat in Stadt und Erdkreis große Wellen geschlagen. Schwule und lesbische Paare, erklärt Papst Franziskus in dem Dokumentarfilm Francesco des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewski, der auf einem Filmfestival in Rom gezeigt wurde, "haben das Recht auf eine Familie". Niemand, fuhr er fort, solle wegen seiner sexuellen Ausrichtung ausgeschlossen oder unglücklich werden.

Während vonseiten des als konservativ bekannten US-Bischofs Thomas Tobin Kritik an dem päpstlichen Paukenschlag kam – "die Kirche kann niemals objektiv unmoralische Beziehungen unterstützen" –, will auf den Philippinen der autoritäre Präsident Rodrigo Duterte die Worte zum Anlass nehmen, die Zivilehe für Homosexuelle auch in dem katholisch dominierten Inselreich zu ermöglichen. US-Organisationen, die sich für Homosexuelle in der Kirche engagieren, loben die Worte des Pontifex durchwegs als "historisch".

Wohlwollen in Italien

In Italien selbst fielen die ersten Reaktionen überwiegend gelassen und wohlwollend aus. Avvenire, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, wies darauf hin, dass Franziskus mit seinen Aussagen dem Katechismus folge, der jegliche Diskriminierung von Homosexuellen untersage. Das Blatt unterstreicht außerdem, dass der Positionsbezug des Papstes nicht überraschend komme und letztlich in Einklang stehe mit unzähligen Aussagen, die Franziskus in den letzten Jahren zum Thema gemacht habe.

Bischof Marcello Semeraro, der der päpstlichen Kommission für die Kurienreform angehört, warnte hingegen davor, mehr in die Aussagen des Papstes hineinzulesen, als er tatsächlich gesagt habe: Der Papst habe sich keineswegs für von Semeraro so genannte "Homoehen" ausgesprochen: "Franziskus hat lediglich gesagt, dass zwei Personen, die zusammenleben wollen, einen rechtlichen Schutz brauchen – auch wenn sie homosexuell sind." Die von Gott gewollte Ehe hingegen bestehe auch weiterhin nur zwischen Mann und Frau.

Schachzug des Teufels

Dass sich der Argentinier in Bezug auf die Belange Homosexueller weit liberaler gibt als sein Vorgänger Benedikt XVI., für den der Geschlechtsakt zwischen zwei Männern oder zwei Frauen noch eine "schwere Sünde" darstellte, ist tatsächlich nicht neu. Schon in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires hatte er die zivile Partnerschaft homosexueller Paare stets geduldet – als die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner 2010 Homosexuellen aber eine "echte" Ehe ermöglichte, geißelte Jorge Mario Bergoglio dies aber als "Schachzug des Teufels".

Vonseiten der österreichischen katholischen Kirche war der Innsbrucker Bischof Herrmann Glettler – der in der Bischofskonferenz für Familienangelegenheiten verantwortlich zeichnet – der Erste, der Franziskus’ Worte kommentierte: "Diese notwendige und begrüßenswerte Forderung ist in Österreich längst umgesetzt, aber bei weitem noch nicht in allen Ländern", sagte Glettler am Donnerstag der Agentur Kathpress. (flon, straub, 22.10.2020)

ABC News