Finanzminister Gernot Blümel ist diese Woche klargeworden, dass es durchaus Differenzen zwischen Türkis und Rot gibt. Auch sah der Wiener ÖVP-Landesparteichef wenig Bewegungsspielraum bei Michael Ludwigs SPÖ.

Dafür brauchte Blümel ein mehrstündiges Sondierungsgespräch im Rathaus. Dabei ist es eigentlich seit langem offensichtlich: etwa dass die SPÖ sich in Wien von der ÖVP nicht in den Gemeindebau pfuschen lassen will und auf ÖVP-Wunsch auch eine Deutschpflicht einführt. Oder dass Ludwig nicht von seinem "Wiener Weg" bei der Mindestsicherung abgehen und auf den des türkisen Bundes wechseln wird.

Gernot Blümel und Michael Ludwig beim Sondierungsgespräch im Rathaus.
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Wäre die ÖVP bei diesen Punkten tatsächlich von einem großen Entgegenkommen des Bürgermeisters ausgegangen – sie wäre bestenfalls naiv gewesen. Seit der Wien-Wahl kann Ludwigs SPÖ ihre Zugewinne feiern, auch wenn diese am Schluss etwas geringer ausfielen, als es sich die Roten erhofft hatten. Obwohl sich die zweitplatzierte ÖVP verdoppeln konnte, liegt sie rund 20 Prozent hinter der SPÖ. Die Roten können, was mögliche Koalitionspartner angeht, aus dem Vollen schöpfen: Rein rechnerisch ginge es sich mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien aus. Und Neos und Grüne biedern sich öffentlich an. Bei so einem Kräfteverhältnis ist klar, wer sich bei Gesprächen auf wen zubewegen muss.

Außer man will nicht. Dann sollte man das auch offen zugeben und keine falschen Beteiligungsinteressen vorspielen. (Oona Kroisleitner, 22.10.2020)