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Intern wird noch in dieser Woche in der Wiener SPÖ intensiv darüber debattiert, mit welcher Partei Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Stadtregierung aufgenommen werden. Die Entscheidung steht Anfang kommender Woche fest, wenn das Präsidium und der Vorstand der SPÖ tagen. Das dürfte am Dienstag so weit sein. Bürgermeister Michael Ludwig lässt weiterhin keine Koalitionspräferenz nach außen erkennen. Einzig die Chancen auf eine rot-türkise Koalition sind äußerst gering.

Pinke wollen mitgestalten

Der Ball liegt bei Bürgermeister Michael Ludwig. Das sagen die Neos, die Grünen und die ÖVP – auch wenn Letztere ihre Chancen für eine Regierungsbeteiligung immer weiter schwinden sehen. Im Rennen um die Mitgestaltungsmöglichkeiten in einer Wiener Stadtregierung unter SPÖ-Führung läuft alles auf einen indirekten Zweikampf zwischen Neos und Grünen hinaus.

Was die Entscheidung spannend macht: Sowohl Neos als auch Grüne sind gesellschaftspolitisch mit der SPÖ weitgehend auf einer Linie. Aus dem Blickwinkel der Machtpolitik ist das Momentum hingegen aufseiten der Pinken: Mit den Neos gäbe es nur einen Stadtratsposten, der nicht von der SPÖ nominiert wird. Die Forderung von Neos-Chef Christoph Wiederkehr nach mehr Transparenz in Wien ist nichts, wo die Roten nicht zumindest ein kleines Entgegenkommen demonstrieren könnten. Und, was noch schwerer wiegt: Mit den Neos könnte das von den Grünen besetzte Ressort Verkehr und Stadtplanung wieder in die rote Machtsphäre gelangen. Wiederkehr spitzt eher auf das Bildungsressort – wo aber der rote Bildungsdirektor Heinrich Himmer so oder so weiterhin viel mitzureden hat.

Christoph Wiederkehr hat vor allem Ideen im Bereich Bildung.
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Grüne kämpfen um Fortsetzung

Die Grünen haben mit Spitzenkandidatin Birgit Hebein mit knapp 15 Prozent das bisher beste Wahlergebnis in Wien erzielt – und könnten dennoch nach zehn Jahren aus der Regierung fliegen. Der Preis einer rot-grünen Koalition hat sich für die SPÖ erhöht: Dem Juniorpartner steht ein zweiter Stadtratsposten zu.

Dabei passt in wichtigen gesellschaftlichen Fragen wie Bildung, Soziales oder Integration kaum ein Blatt zwischen die Positionen der beiden Parteien. Es hakt beim großen Themenfeld Verkehr und Stadtgestaltung – obwohl sich auch hier beide einig sind, dass es verkehrsberuhigende Maßnahmen braucht. Aber Alleingänge Hebeins haben der machtbewussten SPÖ zuletzt gar nicht geschmeckt.

Dazu kommt, dass aus dem roten Selbstverständnis heraus die SPÖ mit Zugewinnen und 46 von 100 Mandaten knapp an der Absoluten kratzt – und das bei Verhandlungen berücksichtigt werden muss. Das Problem: Auch Hebein will mehr. Was aber für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit den Grünen spricht: Sie sind viel besser als die Neos in den Bezirken verankert. Am Dienstag dürfte Ludwig die Entscheidung für Neos oder Grüne bekanntgeben.

Birgit Hebein kämpft um mehr Einfluss – und um Rot-Grün III.
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Türkise sehen wenig Bewegungsspielraum

Mitregieren. Das war das offizielle Ziel der Wiener ÖVP unter Finanzminister und Landeschef Gernot Blümel. Seit Mittwochabend ist dieses Ziel in Wien aber weit entfernt. Nach dem finalen Sondierungsgespräch zwischen SPÖ und ÖVP klang Blümel wenig optimistisch: "Sehr klar" seien die Sondierungen gewesen. Die Türkisen hätten "in einigen Bereichen durchaus Differenzen wahrgenommen", sagte er. Und: Inhaltlich habe man zum Teil "wenig Bewegungsspielraum" gesehen, etwa wenn es um Fragen wie Deutsch vor Gemeindewohnung, Mindestsicherung oder den Pensionsbereich geht.

Diese inhaltlichen Differenzen sind nicht neu, den türkisen Wunsch nach Deutsch als Voraussetzung für den Einzug in einen Gemeindebau kommentierte die Wiener SPÖ schon im Wahlkampf: "Wie tief kann man sinken?", erklärte Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky etwa auf Twitter.

Auch abseits der Inhalte wurde an einer rot-türkisen Koalition in letzter Zeit immer mehr gezweifelt. Besonders im Wahlkampf war der Schlagabtausch zwischen der SPÖ in Wien und der ÖVP im Bund heftig. Die Abgrenzung dürfte bestehen bleiben. (David Krutzler, Oona Kroisleitner, 22.10.2020)

Gernot Blümel sieht mit der SPÖ "durchaus Differenzen".
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