Basierend auf Malerei, aber keine Malerei. Im Künstlerhaus hängen 24 abstrakte Monotypien (Drucke) von Herbert Brandl. Hier das Exemplar "ZZZZZZ".
Foto: Markus Wörgötter

Gigantische Leinwände mit abstrakten Mustern oder Hyänen, Lucky Luke und Gebirgsgipfeln. Monochrome Tuschemalerei, bunte Farbdrucke und Tierskulpturen. Acryl, Öl, Bronze, Aluminium und Karton.

Was sich nach der Werkaufzählung mehrerer Künstler anhört, geht alleine aus dem Schaffen des Künstlers Herbert Brandl hervor. Sein Œuvre scheint nicht nur in seiner Breite endlos, sondern auch in seiner variantenreichen Tiefe. Seine erste Ausstellung hatte der steirische Künstler Anfang der 1980er-Jahre, seine neuesten Werke kommen frisch aus dem Atelier.

Zeugen dieser knapp 40 Jahre sind drei (!) gleichzeitig stattfindende Ausstellungen, die sich Brandls Werk widmen und dieses in seiner fast frechen Diversität auffächern. Einen konkreten Anlass gibt es für den Schwerpunkt zwar nicht, die unterschiedlichen Ausstellungen scheinen aber eine ohnedies fällige Retrospektive zu ersetzen.

Was das Belvedere 21 in Wien mit Exposed to Painting bereits Anfang des Jahres begann, setzen das Kunsthaus sowie das Künstlerhaus in Graz nun fort. Seit Jahren planen die beiden Häuser unabhängig voneinander ihre Personalen zu Brandl – jetzt eröffnen beide parallel.

Naive Motive auf der Leinwand...
Foto: Wolfgang Günzel, Wien

Katzen und Aliens

Und tatsächlich schillert die Bandbreite Brandls künstlerischer Arbeit in den kuratorischen Zugängen wieder. Zwar zeigt das Kunsthaus ähnliche Werke wie das Belvedere 21, lässt sich aber auf eine sehr spielerische Präsentation ein:

Auf der ersten Etage schlängeln sich grellgelbe Zickzackwände durch den Raum und dienen als Display für die gegenständlichen Bilder. Diese auf den Leinwänden oft als naive Bären, Adler oder Löwen skizzierten Wesen werden als deformierte Skulpturen dann zum animalischen Albtraum. Als ob die katzenartigen Kreaturen aus ihren Käfigen entkommen wären, lauern sie auf ihren Verpackungskisten. Ein massives aus Karton gefrästes Tier hat sich mit einer Horde aggressiver Kläffer angelegt. Auffallend sind die erigierten Penisse, die den Viechern aus dem Rumpf wachsen. Geht es hier um toxische Männlichkeit?

...werden im Raum zu aggressiven Kreaturen (mit großen Penissen).
Foto: Kunsthaus Graz/M. Grabner

Dass um die Ecke eine ausgestopfte Gämse auf einem Sockel wartet, irritiert fast noch mehr. Ist dann aber eigentlich ziemlich lustig. Diese "Kippmomente", wie sie die Kuratorin und Kunsthaus-Chefin Barbara Steiner nennt, seien bedeutend für Brandls Werk. Das Repertoire scheint also zwischen kitschig, pessimistisch, ironisch, todernst, fad und frivol liegen zu können.

Auch in der amorph-geformten Kuppel des Kunsthauses, wo die installierten Werke beinahe außerirdisch wirken, wird diese Ambivalenz anhand der monumentalen und teils rund-planetenhaften Gemälde deutlich. Vorerst erinnern die quietschbunten abstrakten Leinwände an Blütenmeere – widmet man sich ihnen länger, züngeln da apokalyptische Flammen. Der Ausstellungstitel Morgen stellt die Frage der Stunde: Wird es überhaupt ein Morgen geben? Brandl kreiert einen quasidystopischen Raum, um ihn dann wieder zu brechen: Wie hoffnungsvolle Boten verstecken sich zwei kleine Aliens zwischen den übrigen Werken. Freunde der Gämse?

Liebliches Blumen- oder fatales Flammenmeer: Brandls Werke kippen im Kunsthaus von einer Welt in die nächste.
Foto: Kunsthaus Graz/M. Grabner

Haha Hihi, Wulla Wulla

Die komplette Antithese dazu liefert die Schau im Künstlerhaus: Dort hängen in einem White-Cube-Tempel 24 abstrakte Farbkompositionen akkurat aneinandergereiht. Vermeintlich erinnern sie an Malerei, sind aber bunte Monotypien, die Brandl dieses Jahr geschaffen hat.

In der Schau 24/7 gehe es um "Malerei jenseits der Malerei, die sich aber auf Malerei bezieht", erklärt Kurator Sandro Droschl. Was streng konzeptionell wirkt, wird von den Werktiteln gebrochen. Es sind zitierte Ausrufe aus der Comic-Reihe "Umpah-Pah": Uff Uff Uff, Wulla Wulla oder Haha Hihi. Ganz anders als die bunten Drucke, ruhen im Untergeschoß Ende der 80er-Jahre entstandene schwarze kalligrafieartige Tuschebilder wie Sarkophage in einer Grabkammer. Durch ihre Hängung spiegeln sie sich jeweils in ihren Reflexionen.

Wie Sarkophage hängen die Tuschebilder im Untergeschoss des Künstlerhauses.
Foto: Markus Wörgötter

Der durch die räumliche Trennung betonte Kontrast ist hier – wie auch im Kunsthaus – bitter nötig. Denn da, wo Brandls gegenständliche Tiergesichter oder Comic-Referenzen Gefahr laufen, ins Kindlich-Ulkige abzudriften, bewahrt sie der dystopische und ironische Ton davor – und kippt. So springt Brandl zwischen pessimistischem Tierliebhaber und naivem Apokalyptiker hin und her. Er scheint gar nicht anders zu können. (Katharina Rustler, 23.10.2020)