"Überkopfanzeige" in Tirol. Auf Deutsch: eine "Schilderbrücke".

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Die 28. Auflage des Duden – Die deutsche Rechtschreibung ist mit 1294 Seiten die umfassendste in ihrer Chronologie, die bis 1880 zurückreicht; damals hieß das 187-seitige Werk von Konrad Duden Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Unter den 3000 neuen Wörtern interessieren uns vor allem die neu aufgenommenen Austriazismen und die Frage, wie hilfreich die 90 Seiten umfassende "Rechtschreibung und Zeichensetzung" für Schülerinnen und Schüler ist und was man noch verbessern könnte.

Besonders ergiebig ist die Ausbeute an neuen Austriazismen, also Wörtern und Redewendungen, die (fast) ausschließlich in Österreich verwendet werden, nicht gerade: 20 werden uns von der Duden-Redaktion mitgeteilt. Hinzugefügt wird, dass es weniger seien als bei der letzten Auflage, da nicht so viel Zeit verstrichen sei.

Man wundert sich, dass Wörter wie Bankomatkasse, Brandteigkrapferl, Korridorpension und Pensionsantrittsalter erst jetzt aufgenommen wurden. Manchmal teilt sich Österreich mit der Schweiz bestimmte Wörter, etwa Zwischenrang, also die vorläufige Platzierung beim Sport, oder mit Süddeutschland (vorwiegend Bayern), etwa: zusammenputzen für zurechtweisen. Die Neuaufnahme Italianità (ital. Art, ital. Wesen) wird als österr(eichisch), schweiz(erisch) und südtirol(erisch) markiert bzw. sonst bildungsspr(achlich).

Geografische Differenzierung

Bei einigen neuen Wörtern sieht man, wie problematisch die Markierung österr. ist, da sie regional gebraucht werden und daher nicht in allen Bundesländern verständlich sind. Das betrifft zum Beispiel die Wörter Kellergasse (Straße mit Weinkellern), powdern (Tiefschnee fahren), die Bezeichnungen Urli für Großvater/-mutter sowie Veitschi für wilden Wein. Bei Wörtern wie Überkopfanzeige und Überkopfwegweiser fragt man sich trotz der Erklärung "Schilderbrücke", was das eigentlich sein soll.

Und wer bitte verwendet die Redewendung "eingefrorener Posthornton" im Sinne eines abgeschlossenen Themas, das wieder aufgegriffen wird? Es wäre also eine weitere geografische Differenzierung des problematischen Ausdrucks "österreichisch" notwendig, etwa wienerisch, ost-/west-/südösterr.

Nicht Eingang in den Duden gefunden haben bis heute Austriazismen wie Arbeitsinspektion und Arbeitsinspektorat, das bekannte umgangssprachliche "Zetterl" für den Kaufbeleg oder die Abkürzung AMS. Auch fehlen nach wie vor Hinweise auf Ausspracheunterschiede zwischen Österreich und Deutschland (etwa bei Wörtern wie Garage und Blamage oder China und Chirurg). Wir haben das bereits im Jahr 2000 anlässlich der Rezension der 22. Auflage des Rechtschreib-Dudens erwähnt, und die renommierte FAZ hat in einer Glosse mit der lustigen Überschrift "Blamasch" darauf Bezug genommen.

Mängel bei Orthografie und Zeichensetzung

Als Lehrender an der Universität Klagenfurt erlebe ich aus erster Hand, dass schätzungsweise ein Drittel der Maturantinnen und Maturanten Mängel bei der Orthografie (trotz moderner Word-Programme, die auf Fehler aufmerksam machen) und noch mehr bei der Zeichensetzung haben. Daher möchte ich ihnen die 90 Seiten zu "Rechtschreibung und Zeichensetzung" ans Herz legen.

Auf den Seiten 24 und 25 gibt es eine Übersicht und fett gedruckte Stichwörter wie Anführungszeichen (die Satzbeispiele mit Gänsefüßchen sind klar und anschaulich, u. a. auch wenn ein Satz nach dem direkten Zitat noch weitergeht), Doppelpunkt (wann schreibt man nach einem Doppelpunkt groß oder klein?), Gedankenstrich (er wird oft mit dem Bindestrich verwechselt) und natürlich das Komma; da gibt es nach wie vor große Unsicherheiten, selbst nach der Matura.

Auf 15 Seiten findet man jeweils links in gelben Kästen die Regel (z. B. das Komma bei Nebensätzen) und rechts in grauen Kästen die Satzbeispiele wie "Ich freue mich, dass du wieder gesund bist". Hier sollte man allerdings neben dass- und wenn-Nebensätzen weitere Beispiele bringen, da wohl nicht nur Muttersprachlerinnen und Muttersprachler nicht wissen, welche Konnektoren Nebensätze einleiten.

Hilfreiche Kästen

Duden-Redaktion, "Die deutsche Rechtschreibung". 28. Auflage. 28,– Euro / 1296 Seiten. Bibliografisches Institut, Berlin 2020
Foto: Bibliographisches Institut (Verlag)

Hilfreich sind jedenfalls die gelben Kästen zum Thema Groß- und Kleinschreibung, und zwar jeweils beim entsprechenden Wort. Auf der Seite mit dem Stichwort "erst" findet man den Kasten mit der Überschrift "erste". Schreibt man zum ersten/zweiten oder zum Ersten/Zweiten?

Im Kasten "groß" sieht man schnell, ob man groß und klein oder Groß und Klein schreibt; zudem wird der Unterschied zwischen "groß schreiben" und "großschreiben" erläutert. Beispiele zum Kasten "deutsch/Deutsch": deutsch sprechen/reden; etwas auf Deutsch sagen; die Deutsche Dogge [Name]; sie kann/lernt/spricht Deutsch [= die deutsche Sprache]. Die richtige Orthografie wird also in den entsprechenden Absätzen begründet.

Über aktuelle Beispiele für Neologismen (neue Wörter) hat der STANDARD schon am 13. August 2020 berichtet. Auch in Assingers Millionenshow wird nach neuen Wörtern im Duden gefragt. Im September ging es um ein Wort, das aus dem Schwedischen stammt. Die richtige Antwort war: Flugscham. (Josef Schneeweiß, 24.10.2020)