Die Demonstranten wollten zum Haus des Vizeministerpräsidenten, wurden aber von der Polizei gestoppt.

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Warschau – Mehrere hundert Demonstranten haben in Warschau bis in die Nacht auf Freitag gegen eine Verschärfung des Abtreibungsverbots protestiert. Das polnische Verfassungsgericht hatte am Donnerstag entschieden, dass selbst Schwangerschaftsabbrüche aufgrund schwerer Fehlbildungen des ungeborenen Kindes gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Leben verstießen.

Die Teilnehmerinnen hielten nach Angaben der Agentur PAP Spruchbänder wie "Sie haben Blut auf ihren Roben" oder "Das Gesetz soll uns beschützen" hoch. Kleinere Proteste gab es auch in anderen Städten des Landes.

Strenge Abtreibungsgesetze

Die Polizei verhinderte, dass die Demonstranten zum Haus des Vizeministerpräsidenten und Vorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jarosław Kaczyński, marschieren konnten. Es kam zu kleineren Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. 15 Menschen wurden festgenommen.

Die größte Oppositionsfraktion, die rechtsliberale Bürgerkoalition (KO), und die Linke kritisierten das ausgesprochene Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen im Fall einer unheilbaren, schweren Krankheit des ungeborenen Kindes. Frauenrechtsorganisationen riefen zum Kampf gegen die Gesetzesverschärfung auf, zu der die höchsten Richter das Parlament verpflichtet haben.

Katholische Bischöfe begrüßten hingegen die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, sprach von einer "epochalen Gesetzesänderung". Die Proteste gegen die Verschärfung des Gesetzes gingen indes auch am Freitag weiter, es gab erste Festnahmen.

EU-Kommission hat bei Abtreibungsgesetzen keine Kompetenz

Die EU-Kommission verfügt gemäß den EU-Verträgen über keine Kompetenzen im Bereich der Abtreibungsgesetze. Die Gesetzgebung in diesem Bereich obliege der Mitgliedsstaaten, antwortete ein Sprecher der EU-Behörde in Brüssel auf die Frage, wie die EU-Kommission auf die umstrittene Verschärfung der Abtreibungsgesetze in Polen reagieren werde.

Polen hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Die nun verworfene Ausnahme vom generellen Abtreibungsverbot ging auf einen Kompromiss aus dem Jahr 1993 zurück. Schwangerschaftsabbrüche sind damit nur noch nach Vergewaltigungen und bei Gefahr für Leib und Leben der Mutter legal möglich. (red, APA, 23.10.2020)