Oskar Kokoschkas "Amor & Psyche" (1955): von 1961 bis 1965 gastierte das Werk als Leihgabe von Kokoschkas Bruder Bohuslav in der Österreichischen Galerie, Belvedere. 1980 erwarb die einstige Länderbank das Gemälde. Über die Fusion mit der Zentralsparkasse wanderte es 1991 in den Besitz der (neu gegründeten) Bank Austria. Am 24. November wird es im Dorotheum versteigert.

Foto: Dorotheum

Vergangene Woche verschickte das Dorotheum Prospekte, die der geneigten Klientel einen Vorgeschmack auf das Angebot der demnächst anberaumten Auktionen geben: einerseits auf die "Classic Week" (5.–10. 11.), in der Gemälde Alter Meister, Bilder des 19. Jahrhunderts und Antiquitäten versteigert werden; andererseits auf die "Contemporary Week" (24.–30. 11.), in der neben zeitgenössischer Kunst jene der klassischen Moderne im Mittelpunkt stehen wird.

Im Folder zu letzterer Sause wird etwa Oskar Kokoschkas Gemälde Amor und Psyche (1955) angepriesen, das Besuchern des Leopold-Museums ein Begriff sein dürfte. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Bild stammt nicht aus dem hauseigenen Bestand, sondern gastierte dort als Leihgabe der Bank-Austria-Kunstsammlung, zuletzt vergangenes Jahr in der Retrospektive Oskar Kokoschka – Expressionist, Migrant, Europäer (April bis Juli 2019).

Was nur wenige wussten: Das Schicksal dieser Zimelie, konkret der Verkauf, war damals längst besiegelt. Im Februar des Jahres hatte Unicredit verlautbart, sich etappenweise von Teilen "ihrer" Kunstsammlung zu trennen. Gemeint waren damit die Kollektionen mehrerer Banken, die sich im Laufe der Jahre über diverse Fusionen angehäuft hatten.

Vorgaben der Konzernmutter

In einem ersten Schritt ging es um rund 300 Kunstwerke, die bis ins Frühjahr 2020 etwa 50 Millionen Euro einspielen sollten. Um welche Werke es konkret ging, blieb vorerst unter Verschluss. Gemessen am Gesamtbestand von rund 60.000 Werken klang es nach einem vergleichsweise "kleinen" Opfer. Ein Eindruck, der täuschte, da es sich teils um kapitale Abgänge handelte und handeln wird, um der Vorgabe der Konzernmutter zu entsprechen.

Davon ist die Sammlung der Bank Austria mehr betroffen, als bislang bekannt war. Aber der Reihe nach. Wer den für die Auktionsbranche lukrativen Deal an Land zog? Auf internationaler Ebene war es Christie’s, wie sich im Vorfeld der Londoner Oktober-Auktionen 2019 herausstellte.

Die Hypo Vereinsbank musste sich von nicht weniger als sieben Werken Gerhard Richters trennen, die mehr als 20 Millionen Euro einspielten; oder auch von Nam June Paiks Beitrag für den deutschen Pavillon der 45. Biennale von Venedig 1993: Die Roboterskulptur Anonymous Crimean Tatar who Saved Life of Joseph Beuys – Not yet Thanked by German Folks wechselte für knapp 309.000 Euro den Besitzer.

London – Amsterdam – Wien

Aus dem Bestand der in Wien beheimateten und teils in Ausstellungen im Kunstforum gezeigten Werke gelangten in einem ersten Schritt insgesamt 60 zuerst in London und später in Amsterdam zur Versteigerung. Darunter Zeitgenössisches von Franz West, Arnulf Rainer, Hermann Nitsch, Heimo Zobernig oder Valie Export und Birgit Jürgensen.

Fritz Wotrubas "Weibliche Kathedrale" gehört zu den Schlüsselwerken des Künstlers. Das Sandstein-Original schuf Wotruba 1946 aus Trümmern des Wiener Stephansdoms nach dessen Bombardierung 1945. Der Guss (3/3) entstand 1946, ein späterer Abguss (E.A. I/III) befindet sich seit 2011 als Dauerleihgabe im Bestand des Belvedere. Bis zur Übersiedlung des Headquarters der Unicredit Bank Austria 2018, stand die im November 2019 in Amsterdam versteigerte Skulptur im Vorraum des Festsaals in der ehemaligen Creditanstalt-Zentrale am Schottenring.
Foto: STANDARD, Screenshot Christie’s, Amsterdam 2019

Teils waren diese Werke – im Hinblick auf das Prestige, in dieser Sammlung vertreten zu sein – sowohl direkt von den Künstlern als auch von deren Galeristen zu besonders günstigen Konditionen in den Bestand der Bank Austria gekommen. Den rein buchhalterischen Gewinn streift jetzt die italienische Großbank ein. Die Begeisterung der Konzerntöchter, die sich über Jahrzehnte für ihre Sammlungen engagiert hatten, hielt sich verständlicherweise in Grenzen.

Dass der Erlös teils in "junge Künstlerinnen und Künstler" reinvestiert werden soll, scheint dabei nur ein schwacher Trost. Im Wesentlichen finanziert er die sogenannte "Social Impact Banking"-Initiative, die mit Krediten und Mikrofinanzierungen "positive soziale Veränderungen fördern will". Einer aktuellen Presseaussendung zufolge wurden bislang "4000 Kreditnehmer unterstützt" und "rund 50.000 junge sowie von sozialer Ausgrenzung bedrohte Menschen" mit "verschiedenen Finanzbildungsprogrammen gefördert".

Mangelnde Transparenz

In welchem Umfang dazu die Kunstverkäufe beitrugen, ist unbekannt: Die Bank Austria will dazu auf Anfrage partout keine Zahlen nennen. Man könne sich ja über die Auktionskataloge einen Überblick verschaffen, heißt es. Tatsächlich ist das so gut wie unmöglich, da bei den einzelnen Kunstwerken in den Provenienzangaben der Name der jeweiligen Bank gar nicht genannt wird. An internationalen Maßstäben gemessen ist eine solche Verschleierung der Herkunft mehr als ungewöhnlich. Es dürfte sich demnach um eine Vorgabe der Unicredit handeln. Nicht die einzige übrigens.

"Mutter, du hier?" gehört zu den seltenen Frühwerken von Gottfried Helnwein. Es entstand 1971 noch während des Studiums an der Akademie der bildenden Künste. Mit der entstellenden Verletzung nahm er Bezug zur NS-Zeit. Zuletzt war das Bild im Zuge der Helnwein-Retrospektive in der Albertina 2013 als Leihgabe aus der Bank Austria Kunstsammlung zu sehen. Im November 2019 wurde es via Christie’s in Amsterdam für 30.000 Euro versteigert.
Foto: Christies, Amsterdam 2019

Bislang gelangten bei Christie’s in sieben Auktionen – mehrheitlich in London, aber auch in Amsterdam und Zürich – Bestände aus der Konzernsammlung zur Versteigerung. Die daraus erzielten Umsatzerlöse darf das Auktionshaus jedoch auf explizite Anordnung hin nicht nennen, wie der STANDARD in Erfahrung brachte. Offenbar soll diese Form der Geheimniskrämerei Rückschlüsse darauf verhindern, wie viel am Ende tatsächlich in künftige Kunstprojekte wie das in Österreich propagierte "Art for Future" investiert wird: Geplant sind Ankäufe von jungen Künstlern sowie die Bereitstellung von Ateliers, skizziert Pressesprecher Matthias Raftl. Details dazu würden demnächst veröffentlicht.

Drohende Ausfuhrverbote

Im Dorotheum werden nun rund 100 Werke aus dem Bestand der Sammlung versteigert. Welche das konkret sind? Jene in der Kategorie 19. Jahrhundert sind seit dieser Woche über den Onlinekatalog auf der Website des Dorotheums abrufbar: darunter Aquarelle von Rudolf von Alt, die noch nicht einmal im Werkverzeichnis von Rudolf Koschatzky aus dem Jahr 2001 erfasst sind. Oder auch Gemälde von Johann Baptist Reiter oder Tina Blau.

Davon abgesehen gibt sich das Dorotheum zugeknöpft. Eine Liste der Ende November in den Sparten Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne angebotenen Bank-Austria-Schützlinge wollte man – erraten, auf Kundenwunsch – nicht zur Verfügung stellen. Neben dem Gemälde von Oskar Kokoschka konnte der STANDARD über den Werbefolder noch Gustav Klimts Altar des Dionysos, den Entwurf für das Deckengemälde im südlichen Stiegenhaus des Burgtheaters, als der Gruppe zugehörig identifizieren.

Er datiert aus dem Jahr 1886. Ihm blieb, ob eines vom Bundesdenkmalamt avisierten Ausfuhrverbotes, eine Verwertung im Ausland ebenso verwehrt wie Kokoschkas auf 300.000 bis 500.000 Euro taxiertes Amor und Psyche. Der internationale Schätzwert soll sich auf das Vierfache belaufen haben. (Olga Kronsteiner, 25.10.2020)