Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) soll eine neue Spitze erhalten. Die Junos, die Jungen Liberalen Studierenden, haben sich mit der Aktionsgemeinschaft (AG) auf eine Koalition geeinigt. Das Koalitionspapier durchlief am Freitagvormittag die pinken Gremien.

Durch die Zusammenarbeit mit den Neos-Studierenden erhält die im Oktober gewählte ÖH-Chefin Sabine Hanger von der Aktionsgemeinschaft zwar keine Mehrheit, doch kommt sie zumindest näher an diese heran. Ihre Fraktion ist mit 15 Sitzen im 55-köpfigen Studierendenparlament die mandatsstärkste Gruppe. Mit den Junos kommen sechs Sitze hinzu – insgesamt sind das 21 Mandate.

"Uns ist klar, dass wir gemeinsam keine Mehrheit haben", sagte Junos-Chef Stephen Slager am Freitag kurz vor der pinken Mitgliederversammlung im Gespräch mit dem STANDARD. In den vergangenen Wochen sei ein Stabilitätsabkommen mit allen Fraktionen verhandelt worden, die anderen großen Fraktionen – Grüne und Alternative StudentInnen (Gras), der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und die Fachschaftslisten (Flö) – seien allerdings ausgestiegen.

Anders sehen das die roten Studierenden: Man hätte fünf Wochen lang zu fünft verhandelt, die Aktionsgemeinschaft habe diese Woche aber "die Verhandlungen gesprengt", sagt Dora Jandl, ehemalige Vorsitzende der ÖH, dem STANDARD. Der Grund für das Scheitern der Verhandlungen sei laut Jandl die Frage der Außenkommunikation gewesen. "Wir wollten, dass alle gemeinsam entscheiden, was kommuniziert wird. Die AG wollte selbst entscheiden und nicht reinreden lassen", sagt die rote Studentin. In der Sitzung am Freitag will der VSStÖ der Junos Kandidatin die Stimme verweigern. "Als VSStÖ tun wir uns schwer, liberale Kandidatinnen in den Vorsitz zu heben", sagt Jandl.

Pinke Jus-Studentin soll Vorsitzende werden

Zur Wahl als stellvertretende Vorsitzende der ÖH wird sich von den Junos Sophie Wotschke am Freitag der Bundesvertretungssitzung stellen. Derzeit ist sie Slagers Stellvertreterin bei den Junos. Die 22-jährige Wienerin studiert seit 2016 an der Universität Wien Jus – so wie AG-Chefin Hanger. Seit 2018 ist sie bei den Junos. Dort ist sie zuständig für Programmatik und inhaltliche Planung.

Sophie Wotschke soll stellvertretende ÖH-Chefin werden. Die Junos waren noch nie im Vorsitz der ÖH-Bundesvertretung.
Foto: Junos

"Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Hochschulen stehen gerade jetzt vor großen Herausforderungen: Es steht eine Novelle des Universitätsgesetzes an, wir befinden uns in einem zweiten Corona-Semester", sagt Slager. Man wolle gemeinsam mit der Aktionsgemeinschaft "für die Studierenden arbeiten". Dafür habe man einen "guten Koalitionsvertrag mit guten Schwerpunkten" erstellt. Etwa: die Digitalisierung der Hochschulen, mit Nachdruck für ein österreichweites Studierendenticket zu arbeiten oder die ÖH transparenter zu gestalten.

Zerwürfnis der Linken

Seit dem Frühjahr war das Verhältnis zwischen den Fraktionen der linken Koalition, die sich nach der ÖH-Wahl im Mai 2019 gebildet hatte, in der Bundesvertretung über Monate hinweg mehr als angespannt. Anfang September haben die Flö ihre Zusammenarbeit mit der Gras und dem VSStÖ beendet. Als Grund nannten die Flö "destruktive Fraktionskämpfe".

Ein Bild von 2019: Nach der ÖH-Wahl bildete sich eine linke Koalition. Doch Desmond Grossmann (Flö) war der Erste, der sich 2020 von der grünen Adrijana Novakovic (Mitte) trennte. Dora Jandl vom VSStÖ wollte es noch einmal versuchen. Die Verhandlungen scheiterten.
Foto: APA

Die Gras und die SPÖ-Studierenden wiederum wollten es noch einmal versuchen, die Verhandlungen der beiden über eine Wiederaufnahme der Koalition scheiterten jedoch.

AG setzte sich durch

Das führte dazu, dass Anfang Oktober die Aktionsgemeinschaft zum Zug kam. Nach zwölf Jahren in der Opposition stellte die ÖVP-nahe Studierendengruppe wieder den Vorsitz der Bundesvertretung in der ÖH.

AG-Chefin Sabine Hanger ist seit Oktober auch Vorsitzende der ÖH.
Foto: AG

Bei einer Sitzung der Bundesvertretung wurde Jus-Studentin Hanger im dritten Wahlgang zur neuen ÖH-Chefin gewählt. Schon nach ihrer Wahl erklärte die 25-Jährige, sie wolle auf alle Fraktionen zugehen.

Erster Schritt

"Grundsätzlich ist unser Anspruch weiterhin, alle Fraktionen ins Boot zu holen", sagte eine Sprecherin der Aktionsgemeinschaft am Freitag dem STANDARD. Man wolle "gemeinsam an einer stabilen ÖH" arbeiten. Die Junos seien schlicht die Ersten gewesen, die sich darauf eingelassen hätten. Aber: "Das soll nur der erste Schritt sein. Wir haben nach wie vor, mit allen anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten."

Derzeit habe man jedoch noch das Gefühl, dass "ein gewisses Grundvertrauen" bei jenen großen Fraktionen fehle, die zuvor die ÖH gestellt hatten. Daran wolle man arbeiten. "Wir sind guter Dinge." (Oona Kroisleitner, 23.10.2020)