Auf der Suche nach "Fame" und dem perfekten Instagram-Foto muss auch ein fremder Porsche herhalten: David Scheid ist ab Dienstag wieder "Dave" – in acht Folgen um 23.10 Uhr in ORF 1.

Foto: Armin Rauthner

STANDARD: Vom Pop-up-Format, das im Herbst 2018 im ORF getestet wurde, bis zur Fortsetzung sind zwei Jahre vergangen. Wie war das Warten?

Scheid: Ich habe mir zwischenzeitlich gedacht, ja, wurscht, dann machen wir es halt nicht, und ich konzentriere mich auf das Kabarettspielen. Die Freude war aber natürlich sehr groß. Wenn man im ORF die Möglichkeit zum Blödeln hat und Narrenfreiheit genießt, ist das schon super.

STANDARD: Ist es wirklich Narrenfreiheit? Sie spielen ja einen ehemaligen ORF-Mitarbeiter. Können Sie alles über den ORF sagen, was Ihnen in den Sinn kommt?

Scheid: Na ja, ich werde jetzt nicht in erster Linie den ORF beschmutzen. Unser Format ist aber ziemlich unkonventionell. Gedreht wird mit einer Handkamera und einem Tonmann, wobei der Handkameramann gleichzeitig Regisseur ist. Durch das kleine Team war es möglich, während Corona zu drehen. So konnten wir die Sicherheitsmaßnahmen einhalten, waren sehr frei und konnten uns einen Karl machen. Es ist ja ein bisschen ein Roadtrip, wir waren sehr viel im Auto und haben uns regelmäßig auf Corona testen lassen

STANDARD: Was macht Dave aus? Ist die Figur ein Spiegelbild von David Scheid?

Scheid: Na, definitiv nicht (lacht). Ich sage immer: Ich schaue aus wie der Dave, die Seele hat ihm aber Jan Frankl (Produzent, Autor, Regisseur, Anm.) eingehaucht. Den Charakter gab es ja schon bei der TV-Show der "Tagespresse". Der Dave ist ein verwöhnter Sohn reicher Eltern. Nur hat er die Gunst seiner Mutter verspielt und somit auch die Gunst auf das Familienbudget. Jetzt möchte er beweisen, dass er es selbst auf die Reihe bekommt. Seine oberste Prämisse sind der Fame und das Money. Dem jagt er hinterher, stolpert von einem Zufall zum nächsten und wurschtelt sich irgendwie durch. Er ist wohlstandsverwahrlost, aber durch seine Tollpatschigkeit hoffentlich auch sympathisch.

STANDARD: Also es steckt nicht viel von Ihnen in Dave?

Scheid: Außer dem Bart nicht. Ich habe andere Maxime im wahren Leben. Mir geht es nicht um Geld und Ruhm, vor allem nicht um jeden Preis. Nach der Ausstrahlung der ersten zwei Folgen im Rahmen der ORF-Pop-up-Formate vor zwei Jahren habe ich schon gemerkt, dass viele Leute glauben, dass das ich bin. Weil wir das im Mockumentary-Stil mit dieser räudigen Kamera drehen und diesen authentischen Look rüberbringen. Es gab dann Begegnungen mit Leuten auf der Straße, die dachten, dass ich der Dave bin. Die wollten mit mir einen Joint rauchen.

STANDARD: Was Sie nie machen würden?

Scheid: Nein. Nie. Wir haben diesen Charakter so gezeichnet, dass es diesen Typus Menschen ja gibt. Selbstherrlich, aber stümperhaft im Sozialverhalten. Ganz viele Leute haben mir gesagt: Du, ich muss dir den oder den vorstellen, weil der genauso ist wie du. Ich muss dann immer sagen: Ich spiele das nur.

Die Kamera ist immer dabei.
Foto: ORF/Mutterschifffilm/Michael Preston

STANDARD: Wie schafft man es, diese Augenringe hinzubekommen?

Scheid: Die verbinden mich tatsächlich mit dem Dave, das sind halt einfach meine. (lacht) Ich habe halt diese Augenringe und kleine Augen. Natürlich versucht man für den Dave extra noch, die Augen zusammenzukneifen. Weil wir 20 Tage lang so intensiv gedreht hatten, konnte ich einfach schnell den Dave einschalten und dann am Abend im Bett wieder ausknipsen.

STANDARD: Und die Frisur? Die ist ja auch ein Markenzeichen.

Scheid: Bei meiner Frisur tut mir jeder leid, der Maske machen muss. Was Kontinuität angeht: Bei diesen Haaren und mit dieser Rolle geht das einfach nicht. Wir haben uns aber die Freiheit genommen, dass der Schnitt sehr schnell ist. Wenn sich jemand die Mühe macht und Anschlussfehler finden will, weil die Haare nicht exakt so stehen, dann okay: So ist das eben, die Haare sind wild. Ich brauche nur einmal durchfahren, und sie schauen anders aus.

STANDARD: Bei Dave sind dauernd Bierdosen und Energy-Drinks zu sehen. Ist das alles Product-Placement, oder was ist da los?

Scheid: Nein. (lacht) Der ORF darf durch so etwas keine Gelder lukrieren. Es zeichnet einfach Daves Charakter nach. Ich persönlich trinke keine Energy-Drinks, und manchmal mussten wir die ausleeren und Wasser einfüllen, weil man von dem Zeug gar nicht so viel trinken kann. Das macht den Magen kaputt. Es geht nur darum, zu zeichnen, dass der Dave von Junk-Food und Energy-Drinks abhängig ist. Und ein schwerer Raucher noch dazu.

STANDARD: Aber zumindest das entspricht der Realität?

Scheid: So viel wie beim Drehen rauche ich sonst nicht. Ich rauche in Maßen, aber definitiv keine 20 Zigaretten mehr am Tag. Das bekomme ich nicht runter.

STANDARD: Die erste Staffel von "Dave" ist abgedreht. Wie geht es weiter?

Scheid: Zuerst werden die zwei Pop-up-Folgen gezeigt, danach kommen sechs neue Folgen. Danach heißt es wieder: warten. Bis jetzt gab es vom ORF aber sehr gutes Feedback, es taugt ihnen. Es hat natürlich auch Überzeugungsarbeit von der Mutterschifffilm (Produktionsfirma, Anm.) um Jan Frankl und Julia Sobieszek gebraucht, dass sie dem ORF die Angst nehmen, so ein gestörtes Format produzieren zu lassen. Jetzt sind wir alle happy, dass sich der ORF darüber freut und uns mit Lob überhäuft. Mal schauen, ob es auch beim Publikum ankommt (lacht).

Im Prater.
Foto: ORF/Mutterschifffilm/Michael Preston

STANDARD: Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf Quoten?

Scheid: Ich möchte mich nicht mit anderen Formaten messen, und meine Prämisse ist nicht, allen Leuten zu gefallen, sondern im Gegenteil: polarisieren und zeigen, dass man Fernsehen auch anders machen kann. Fernsehen hat eh immer den Ruf, gefällig, leichtfüßig und oberflächlich zu sein. Wir haben uns gedacht: Dann rotzen wir halt mal was hin und schauen, ob es funktioniert.

STANDARD: Und es ist nicht selbstverständlich, dass ein Öffentlich-rechtlicher so ein Format zeigt.

Scheid: Eben. Ich bin superhappy, dass sich der ORF getraut hat, das mit uns zu produzieren. Wenn es ankommt, freuen wir uns und der ORF hat vielleicht wieder ein paar neue, junge Zuseher. Die meisten Leute unter 30 Jahren schauen sich ja sonst lieber US-Serien als lineares Fernsehen an. Vielleicht sehen sie es zumindest dann in der Mediathek. Leider verbietet das ORF-Gesetz, dass Sendungen länger als sieben Tage zu sehen sind. Das ist nicht zeitgemäß, und sobald sich das ändert, wird wieder mehr junges Publikum da sein. Aber es wird daran gearbeitet, und ich bin guter Dinge, dass der ORF jung, modern und aufstrebend wird.

STANDARD: Dave ist ja auf der Suche nach Fame, den er über seine Instagram-Präsenz erreichen will. Sie sind kein Social-Media-Fan: Warum nicht?

Scheid: Für den Dave haben wir den eigenen Instagram-Account "influencer_dave" geschaffen, den wir immer wieder füttern. Zum Beispiel mit Material, das wir während einer Drehpause mit dem Handy gedreht haben. In den nächsten Wochen werden wir das noch einmal verstärken, und als Follower bekommt man noch Extrafutter. Ich persönlich habe meinen Instagram-Account und meinen Facebook-Auftritt auf Sparflamme laufen, weil ich momentan auch nicht viel Kabarett spielen kann. Die Bühnen sind teilweise zu, und mit den neuen Maßnahmen wird es für sie noch einmal um ein Eck schwieriger, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

STANDARD: Wie geht es Ihnen als Kabarettist in der Corona-Zeit?

Scheid: Zum Glück gab es den Kultursommer in Wien, wo mit Künstlern zumindest zwei, drei Gigs auf Open-Air-Bühnen fixiert wurden. Aber sonst sieht es schlecht aus. Ich verstehe auch jeden, der nicht ins Theater gehen will. Ohne den "Dave"-Dreh über den Sommer wäre es sehr eng geworden. Die Zusage vom ORF hat da sehr gut gepasst, sonst wäre ich vielleicht verhungert.

STANDARD: Ende Oktober stehen Sie aber wieder auf der Bühne: In Graz mit Ihrem Programm "Entschuldigung, haben Sie auch 1 fetteren Beat?".

Scheid: Ja, und im November dann im Kabarett Niedermaier in Wien. Mal schauen, ob das was wird. Man weiß nicht, wie die Maßnahmen greifen. Wenn sie nichts servieren dürfen, machen die Theater dann überhaupt auf, und wollen die Leute kommen?

STANDARD: Sie trifft es ja doppelt hart, weil Sie auch als DJ auflegen, die Clubs aber zu sind.

Scheid: Aufgelegt habe ich ewig nicht mehr. Da werde ich noch lange warten müssen. Zum Glück hat sich die IG Clubkultur gegründet. Es geht aber eher darum, dass die Clubs überleben und DJs dann wieder Spielstätten haben. Sperren die alle der Reihe nach zu, wird es sehr zach.

STANDARD: Es gibt ja nicht wenige, die ein komplettes Clubsterben prophezeien.

Scheid: Mit unserer Lesereihe "Rapper lesen Rapper" haben wir im September im Wiener Stadtsaal gespielt, das war eine der wenigen Shows. Wir haben ganz theatralisch mit einem Sarg die österreichische Clubkultur zu Grabe getragen. Was aber nicht heißt, dass nicht irgendwann jemand mit einem Defibrillator daherkommt, eine Herzmassage macht und die Clubs wieder auferstehen können. Wir wollten ein Zeichen setzen: He, passt auf, sonst sind die weg. Und das Nachtleben gibt es danach vielleicht nicht mehr. Feiern muss man den Menschen zugestehen.

STANDARD: Auch jetzt?

Scheid: Natürlich sollen sie sich nicht in die Clubs reinsetzen und gegenseitig anstecken, eh klar, aber wenn es weitergeht, sollte es noch Spielstätten geben, nur müssen sie jetzt gefördert werden. Wenn die Wirtschaft eine Finanzspritze nach der anderen bekommt, sollte man das bei der Kultur auch machen, ob das jetzt ein großes Theater ist oder die Clubkultur. Ich rufe dazu auf, dass es ausreichend Geld gibt, damit die Clubs auch nach dem postpandemischen Zeitalter bestehen. Jetzt bin ich dafür, dass man sich und andere schützt, auch wenn das noch so nervenraufreibend und ermüdend ist. Ich selbst ziehe mich zurück, bin nicht mehr so viel unterwegs, gehe nicht mehr oft essen und treffe mich nicht mit vielen Leuten.

STANDARD: Da es um Existenzen geht: Haben Sie zum Beispiel einen Plan B, sollten viele Bühnen und Clubs tatsächlich nicht überleben?

Scheid: Glücklicherweise hat sich "Dave" gerade jetzt in dieser kurzen Lücke ergeben. Das war schon einmal ein großes Glück. Dann habe ich noch eine Anfrage für einen Kinofilm bekommen, der auch schon beinahe abgedreht ist. Der Plan B ist quasi eh schon in Kraft getreten. Der Kinofilm ist auch eine Mockumentary – von und mit Stefanie Sargnagel. Ich spiele ihren Verleger. Ich kann nur auf Holz klopfen, dass es so weitergeht.

STANDARD: Sehen Sie Ihre Zukunft auch im Schauspiel?

Scheid: Schon auch, ja. Ich mache das gerne, habe das durch "Dave" kennengelernt, und ich war durch den Kinofilm auch schon bei einem größeren Set dabei. Ich habe Blut geleckt, das macht mir Spaß. Das Live-Spielen auf der Kabarettbühne soll aber natürlich bleiben, wenn es wieder geht. Musik ist durch das Kabarett spielen etwas zurückgedrängt worden in meiner Prioritätenliste, aber natürlich: Wenn ich auflegen kann, dann lege ich gerne auf. Aber dass ich selbst Hits produziere, da bin ich mit meinen Skills noch weit davon entfernt.

STANDARD: Aber Sie schreiben auch selbst Texte?

Scheid: Meine Kabarettprogramme waren und sind ja sehr Hip-Hop-orientiert, denn das Auflegen ist meine Heimat, da komme ich her. Ich wollte eh auch immer gerne Rapper sein, habe mich aber für das Auflegen entschieden. Im aktuellen Kabarettprogramm gibt es viele Rapnummern und Plattenspielergags mit zusammengeschnittenen Samples aus Funk und Fernsehen, was man halt so an Schnipseln findet. Ö1- oder ORF-Aussagen von Sebastian Kurz werden gescratcht und in den Hip-Hop eingebacken. So kann ich doch ein kleiner Rapper sein (lacht).

David Scheid

STANDARD: Ihre Texte, ob das jetzt Kurz, die Kickl- oder Ibiza-Nummer ist, sind ja sehr politisch. Ist es Ihnen ein Anliegen, politisch zu sein?

Scheid: Schon, es ist mehr ein Drang als ein Anliegen. Ich kann einfach nicht anders. Bevor ich mich innerlich so stark darüber aufrege, schreibe ich es lieber hin und habe es dann verarbeitet. Unter der vorigen Regierung hatte ich persönlich schon ein Beklommenheitsgefühl. Viele dieser Nummern sind in dieser Zeit entstanden. Mich hat beschäftigt, was mit unserem Land passiert und wie weit das gehen kann. Bis dann eh jemand unfreiwillig die Notbremse gezogen hat. Jetzt ist auch nicht alles rosig.

David Scheid

STANDARD: Es ist eine Form von Protest und Kritik, die Sie in Ihren Liedern zum Ausdruck bringen?

Scheid: Wahrscheinlich, ja. Wenn man sich als Teil des Volkes sieht und das Gefühl hat, man wird entmündigt, dann mache ich halt den Mund auf, weil ich mich nicht entmündigen lassen möchte. Das ist der Hintergrund der politischen Nummern, dass man die Marionetten, die sich in den Vordergrund spielen, aufgreift und zeigt, was nicht passt. Wenn man es schafft, im Kabarett Unterhaltung und Kritik zu vermischen, dann ist es für mich perfekt. Die Leute können einen Abend lang lachen, und ich mache nicht nur seichte Unterhaltung, sondern auch politische Themen. (Oliver Mark, 27.10.2020)