Ihr dürfte ein Durchbruch gelungen sein: Die amtierende Uno-Beauftragte für Libyen, Stephanie Williams, verkündete einen Waffenstillstand in Libyen.

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Der Handschlag, der Geschichte machen könnte.

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Seit fast zehn Jahren herrscht in Libyen Chaos.

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Genf –Ein Moment, der "in die Geschichte eingehen" wird, wie es die amtierende Uno-Beauftragte für Libyen, Stephanie Williams, ausdrückte: Die rivalisierenden Lager in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland haben sich auf einen Waffenstillstand geeinigt. Am Freitag wurde in Genf eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.

Bereits am Mittwoch hatten sich Militärvertreter der rivalisierenden Lager des international anerkannten Ministerpräsidenten Fayez al-Serraj und des ostlibyschen Warlords Khalifa Haftar bei Gesprächen in der westschweizerischen Metropole darauf geeinigt, Straßen und Flugverbindungen zwischen den beiden auseinander driftenden Regionen wieder zu öffnen.

Nun wollen sich beide Seiten über die Modalitäten der Ölförderung einigen, die Produktion ausweiten und gegen Akteure vorgehen, die auf sozialen Medien Hassreden verbreiten und Konflikte anheizen. Williams verurteilte die Präsenz ausländischer Milizionäre in dem nordafrikanischen Land. "Der Umfang der ausländischen Intervention ist inakzeptabel", sagte sie. "Diese Länder müssen ihre Finger von Libyen lassen."

Kämpfer müssten Land verlassen

Politische Gespräche unter Beteiligung von Minderheiten, Frauen und jungen Menschen sollen am 9. November in Tunesien beginnen. Sobald ein Waffenstillstand erreicht sei, müssten ausländische Kämpfer innerhalb von 90 Tagen unter Uno-Aufsicht das Land verlassen, sagte Williams.

Je fünf Militärvertreter waren bis zum heutigen Freitag in Genf. Deshalb heißen die Gespräche 5+5. Das Format war bei der Berliner Libyen-Konferenz im Jänner vereinbart worden.

"Schlüssel für Friedensprozess"

Die EU hat die Einigung auf den Waffenstillstand in Libyen begrüßt und die Umsetzung als wichtige Voraussetzung für eine stärkere europäische Unterstützung des Landes bezeichnet. Die Vereinbarung sei ein Schlüsselelement für die Wiederaufnahme des politischen Friedensprozesses und diese wiederum sei Vorbedingung für zugesagte EU-Unterstützung, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Freitag in Brüssel. Man sei sich bewusst darüber, dass die Umsetzung des Waffenstillstandes schwieriger sein werde als die Verhandlungen darüber. Die Einigung sei aber eine "sehr, sehr gute Nachricht".

Zweifel am Bestand

Gemäß der Waffenruhe-Vereinbarung sollen Söldner und ausländische Kämpfer binnen drei Monaten das Land verlassen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der in dem Konflikt die Regierung in Tripolis militärisch unterstützt, meldete umgehend Zweifel am Bestand der Waffenruhe an. Er hoffe zwar, dass die Waffen dauerhaft schwiegen, ob dies so sei, sei aber fraglich. Die Zeit werde es weisen. In der Vergangenheit liefen viele diplomatische Bemühungen zur Lösung des unübersichtlichen Konflikts ins Leere – auch wegen der Zersplitterung des Spektrums der vielen Bürgerkriegsparteien.

Bürgerkrieg seit 2011

In dem nordafrikanischen Land tobt seit dem mit westlicher Hilfe erfolgten Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg. Die international anerkannte Serraj-Regierung mit Sitz in der Hauptstadt Tripolis ringt dabei mit Haftar und einem Gegenparlament in Tobruk im Osten Libyens um die Macht. Auch innerhalb der jeweiligen Lager gibt es Konflikte. Befeuert wird der Konflikt von ausländischen Staaten, die Söldner, Waffen und andere Ausrüstung ins Land schicken. Insbesondere Russland, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie die Türkei mischen sich ein. Auch kriminelle Schlepperbanden nutzen den Konflikt und bringen Flüchtlinge und Migranten zur libyschen Küste, von wo aus diese die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa wagen. Alle internationalen Bemühungen, den Konflikt beizulegen, blieben bisher erfolglos. (red, APA, 23.10.2020)