Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Daniela Schmid, Sprecherin der Ampelkommission, bei der Pressekonferenz am Freitag.

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Wien – "Wir stehen vor einer sehr, sehr ernsten Situation." Die schon fast traditionelle Pressekonferenz zur Sitzung der Ampelkommission war am Freitag gezeichnet durch dramatische Worte und dringende Appelle des Gesundheitsministers Rudolf Anschober (Grüne).

Bedenkliche Lage in Europa

"Was gestern in der Ampelkommission in Farbe gegossen wurde, entspricht der internationalen Situation – vor allem in Europa." Man sei "leider nicht am Höhepunkt" angelangt, sondern es gebe nach wie vor Zuwächse. In Europa gebe es aktuell höhere Zahlen an Neuinfektionen als in Brasilien, den USA und Indien zusammen.

Bei der Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche) liegt Österreich (Stand gestern, Donnerstag) bei dem "sehr hohen" Wert von 134. Das sei in etwa vergleichbar mit Italien, sei aber höher als in Ungarn oder deutlich höher als in Deutschland. Einsam an der Spitze liege Tschechien. "Da sieht man, was das Virus kann – es kann sich sehr dynamisch entwickeln", sagt der Gesundheitsminister. Viele europäische Länder würden ob der schlechten Zahlen nun einen Lockdown oder einen teilweisen Lockdown verhängen. "Da wollen wir nicht hin", und Anschober sei "nach wie vor optimistisch", dass sich das ausgeht.

Wie es um die Intensivbetten steht

Der wichtigste Parameter dafür sei die Lage im intensivmedizinischen Bereich. Anschober begrüßte es sehr, dass Mediziner erst am Donnerstag kommuniziert hatten, dass es hier gelte, sehr achtsam zu sein. In Österreich gebe es aktuell eine "überschaubare Steigerung", die Auslastung der Gesamtkapazität bei den Intensivbetten betrage aktuell acht Prozent, letzte Woche waren sechs Prozent belegt. "Es gibt also viel Luft nach oben und keinen Grund zur Panik – aber einen Grund, sehr präzise hinzuschauen."

Das Gute: Österreich habe einen hohen Anteil an Intensivbetten, zudem könne man rasch eine Aufstockung dieser organisieren. Es dürfe keine Restriktionen für Therapien und Behandlungen geben, die nicht mit Covid-19 zusammenhängen. Da habe man auch aus der Situation im Frühling gelernt. Die nächsten Wochen seien jedenfalls entscheidend, denn natürlich könne sich die Situation rasch ändern, "wenn die Zahlen durch die Decke gehen".

Herbstferien und Halloween als Gefahr

Damit das nicht passiert, appelliert der Gesundheitsminister eindringlich, in den bevorstehenden Herbstferien zu Hause zu bleiben und nicht zu verreisen. Der zweite Appell betreffe Allerheiligen – die Kirchen seien hier zwar in guten Vorbereitungen, aber man müsse auch hier aufpassen, nicht zu enge Kontakte zu haben. Und drittens stehe auch Halloween vor der Tür. "Da wissen wir, dass manchmal die Post abgeht. Da wünsche ich allen, dass die 2021 wieder abgeht, aber nicht heuer", sagt Anschober.

Vom Appell an die Bevölkerung zu den Spielregeln, die ab dem Wochenende in Kraft treten: Weil die Verordnung doch später als gedacht veröffentlicht wurde, treten die Maßnahmen ja nicht wie geplant schon am Freitag, sondern erst am Sonntag in Kraft. Die zusätzliche Frist sei sinnvoll, "weil es schon sehr umfassende Eingriffe für viele Personengruppen sind und weil man da schon das Anrecht hat, sich darauf vorzubereiten".

Verspätete Verordnung

Warum kam die Verordnung eigentlich so spät? "Sich abzustimmen kann manchmal zeitintensiver sein, als man es abgeschätzt hatte", sagt der Minister. Außerdem sei für ihn nur wichtig, "dass die Maßnahmen wirken – und nicht, ob sie am Mittwoch oder Donnerstag publiziert werden". Auch die Debatte darüber, dass ÖVP-regierte Bundesländer die Verordnung vorab erhielten, interessiert den Gesundheitsminister nicht sonderlich: "Mir ist die Parteipolitik hier so was von gleichgültig. Es geht um die Sache."

Die Sache ist die: 25 Bezirke in Österreich stehen bei der Corona-Ampel nun auf Rot. Neben den bundesweiten Maßnahmen können (und sollen) die Länder eigene Verschärfungen beschließen.

Veranstaltungsverbote in Salzburg und im Burgenland

Das ist am Freitag auch schon passiert. Etwa in Salzburg: Dort sind nun neben dem Tennengau auch der Pinzgau, Pongau und der Flachgau auf Rot geschalten worden. Prompt hat Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) auch die Maßnahmen in diesen Bezirken gleichgeschalten. Dort herrscht ab Samstag ein komplettes Veranstaltungsverbot. Einzig im Lungau und in der Stadt Salzburg, wo die Ampelfarbe noch auf Orange steht, dürfen noch Veranstaltungen mit den bundesweiten Einschränkungen stattfinden.

Im Burgenand – der Bezirk Neusiedl am See wurde Rot – wurden Veranstaltungen von Sportarten mit Körperkontakt, etwa Fußball, Judo, Eishockey und Basketball, bereits am Freitag verboten. Ausgenommen sind Veranstaltungen im Spitzen- und im Nachwuchssport. Bei den nicht vom Verbot betroffenen Matches oder Wettkämpfen sind in geschlossenen Räumen höchstens bis zu 250 Zuschauer erlaubt, im Freiluftbereich beträgt die Höchstzahl 500 Personen.

Freizeitaktivitäten als Problem

Die Debatte am Donnerstagabend sei jedenfalls eine "sehr vernünftige und auf gegenseitige Einsicht basierende" gewesen, sagt Daniela Schmid, Sprecherin der Ampelkommission. Sie betont: Bei Rot handle es sich nicht um ein Risiko für die Gesundheitsversorgung, sondern ausschließlich um die Einschätzung des Verbreitungsrisikos innerhalb der Population.

Seit Anfang Oktober sehe man einen deutlichen Anstieg, Ziel sei es nun, die Verbreitungsgeschwindigkeit zu reduzieren. Nach wie vor sind laut Schmid Freizeitaktivitäten das größte Problem, oft auch assoziiert mit traditionellen Ereignissen, etwa der Firmung und der Erstkommunion. "Die sollen auch stattfinden", meint Schmid, denn die Konzepte würden in den Kirchen ausgezeichnet funktionieren. Das Problem sei das, was danach passiert – das private Feiern.

Apropos Feiern: Ein Passus in der Verordnung hatte ja für Aufsehen gesorgt – das Alkoholverbot nach der Sperrstunde im Umfeld von Bars. Anschober dazu: "In manchen Bereichen, wo die Sperrstunde fix ist, wurde danach dazu übergegangen, dass vor dem Lokal weitergefeiert wurde. Das ist nicht Sinn der Sache, und deswegen gibt es nun diese Definition." Sie sei mit 50 Metern aber bewusst eng gehalten, damit es nicht in die Richtung eines allgemeinen Alkoholverbotes geht. (lhag, 23.10.2020)