Die Verpackung erinnert an das Schächtelchen eines iPhones. Fesch, in der Tat. "Iqos Tobacco Heating System", ist darauf zu lesen. Wie die Box zu mir kam? Eine PR-Dame fragte bei einem Termin in einem Gastgarten, ob ich Lust hätte, das Gerät zu testen. Ich hob die Augenbrauen und zündete mir genüsslich eine Zigarette an. Die Schwaden zogen gen Donaukanal, ehe ich herablassend auf das fremde Ding blickte. Der Raucher in mir lehnte dankend ab, doch die Neugier, die dort auch wohnt, ließ mich zugreifen. Natürlich im Bewusstsein, dass das Auspacken des "Tabakerhitzers" der Anpfiff zu einem Match wäre, bei dem die Ratio gegen den Nikotinteufel anträte. Schiedsrichter würde es keinen geben.

Packen wir also aus! Ich bin einer von angeblich 1,3 Millionen Österreichern, die rauchen. Ich rauche gern. Ja, ich kenne die Bilder und Warnungen auf den Tschickpackerln. Ich halte sie für überflüssig. Raucher wissen, dass Rauchen schädlich ist. Punkt. Abgesehen davon habe ich mir ein silberglänzendes Zigarettenetui gekauft. Nicht wegen der Bilder und Sprüche. Es passt kommoder in meinen Hosensack als eine Schachtel Zigaretten.

Wir sind alle Abhängige

Es sind zwei Paar Schuhe, über die Kultur des Rauchens zu sprechen und sich mit den Risiken auseinanderzusetzen, die das Rauchen mit sich bringt. Bei mir stehen die Schuhe dicht beieinander. Ehrlich gesagt würde ich beide liebend gern in die Altkleidersammlung werfen. Auf Nimmerwiedersehen. Aber so einfach ist das halt nicht, gell? In einem Interview zum Thema Rauchen mit der FAZ sagte der Schriftsteller Wolf Wondratschek: "Wir sind alle Abhängige, und es geht nicht darum, die Abhängigkeit zu minimieren, sondern darum, sie zu akzeptieren, zu kultivieren, zu lieben. Ich bin abhängig von Ritualen. Durch Rituale bekämpfe ich die Banalität des Lebens."

Dass es uns Tschickern immer mehr an den Kragen geht, dessen sind sich auch Won dratschek und der Konzern Philip Morris bewusst. Das Mega-Unternehmen hat mir diese fesche Box beschert. Mittlerweile erwirtschaftet es gut 20 Prozent seines Umsatzes mit sogenannten risikoreduzierten Produkten. Bei uns, so die österreichische Monopolverwaltung, verhält es sich (noch) ein bisschen anders. Der Marktanteil der E-Zigaretten liegt bei drei Prozent, Tendenz steigend. Dies läge an der Einführung neuer innovativer Produkte. Philip Morris, so die PR-Dame im Gastgarten, habe in den letzten zwölf Jahren über sieben Milliarden Dollar in die Entwicklung des Iqos gesteckt, an dem weltweit bereits 15 Millionen Menschen nuckeln. Dabei ist das zeigefingerlange Staberl weder gesund noch risikofrei. Allerdings entstehen beim Rauchen mit dieser Alternative angeblich bis zu 95 Prozent weniger Schadstoffe. Der Tabakerhitzer, der in Österreich erst heuer auf den Markt kam, heizt den Tabak auf 350 Grad auf, was bedeutet, dass er im Stick erhitzt, aber nicht verbrannt wird. Im Gegensatz dazu erzeugen E-Zigaretten Dampf aus verschiedenen aromatisierten Flüssigkeiten.

Geben wir dem Tabakerhitzer also skeptisch, aber neugierig eine Chance. Und was würde besser passen, als sich beim Testen des elektrischen Qualmstängels einen alten Filmklassiker reinzuziehen? Wie wäre es mit Casablanca, einem Streifen, in dem Humphrey Bogart zig filterlose Zigaretten schmaucht? Was war er für ein Raucher vor dem Herrn! Ja, ich weiß, dass er an Krebs starb.

Tschick mit Anleitung

Die Schachtel erinnert nicht nur äußerlich an eine Smartphonever packung. Darin ruhen ein blauschimmernder Stick, der wie ein Füller aussieht, ein Case, das an ein zu klein geratenes Sonnenbrillenetui denken lässt, sogenannte Cleaning-Sticks, ein Döschen für weiß der Kuckuck was und ein USB-Ladekabel. Ein Kabel? Eh klar. Elektrischer Tabakerhitzer. Ich hänge das Ding an den Strom und rauche mir eine Tschick an, habe also noch eine Verschnaufpause. Gebrauchsanweisung ist keine zu finden. Aber eine Website. Braucht man für eine Tschick eine Anleitung? Aber gut. Nicht voreingenommen sein! Also: Pocket-Charger, Holder, Tobacco-Stick, Heizblatt, LED-An zeigen. Ich bin ein technisches Nackerbatzl, schaffe es aber mithilfe des Anleitungsvideos, den Tabakerhitzer zu starten. Das Gerät, genauer gesagt, der "Iqos 3 Duo" (Marlboro klingt eindeutig besser) soll angeblich vibrieren, bevor die letzten zwei Züge genommen werden können. Tsss. Die DVD läuft, und Humphrey Bogart raucht genüsslich im Café Rick.

Jetzt bin ich am Zug. Ich stecke ein sogenanntes Heet in das Ding. Heets erinnern an zu kurz geratene Zigaretten bzw. eher an deren Filter und sind die eigentliche Rauchware.

Passt besser in die Hosentasche als ein Packerl Zigaretten.
Foto: Michael Hausenblas

Das Packerl beinhaltet 20 solcher weißen Tschickstummel und kostet exakt gleich viel wie herkömmliche Zigaretten. Angeboten werden fünf Sorten. Die Trafikantin meines Vertrauens empfiehlt mir jene, die ihrer Meinung nach meiner Zigarettenmarke am nächsten kommt. Bloß kein Mentholzeugs!

Dann fährt also der erste Zug ein. Ich nehme mir vor, nicht miesepetrig zu sein. Aha. Ah so. Aha. Noch einmal ziehen. Hm. Das Zeug schmeckt irgendwie nach lauwarmem, feuchtem Karton, die Rauchwölkchen sind putzig unauffällig, etwas, das vielen, die nach einer Alternative zur Tschick suchen, besonders gefallen dürfte. So zuzle ich also weiter an dem Ding. Vielleicht hält der Vergleich eines alkoholfreien Biers mit einer Mass Bier in einem Münchner Gast garten? Oder doch der von Tofu versus T-Bone? Würde Toastbrot so schmecken, wenn man es rauchen könnte? Gut möglich.

As time goes by

Das klingt gemein, ist aber wahr, zumindest meiner Nase nach! Aber ich will fair sein. Wer sich zum Beispiel als leidenschaftlicher Raucher frisch in eine militante Nichtraucherin verknallt, dem sei die Alternative unbedingt an sein entbranntes Herz gelegt. Qualmtechnisch und olfaktorisch verhält sich das Stifterl sehr brav, fast unauffällig. Nun, ich lebe allein. Aber das könnte sich ja ändern.

Während ich meinem Testobjekt weitere Chancen für unseren Single-Haushalt gebe, es also mit neuen Heets füttere, taucht auf dem Bildschirm die Szene auf, in der Bogart alias Rick seine geliebte Elsa wiedersehen wird. Sie wissen schon, "as time goes by". Herrgott, wie einzigartig er seine Tschick in den Mund winkel klemmt. So, als müsste dieses Ding dorthin gehören. Das funktioniert mit meinem Testding mitnichten. Sofort knickt das ganze im Vergleich zur Zigarette schwere Teil nach unten. Noch nicht einmal lässig zwischen die Finger lässt sich das Gerät stecken. Dafür kann man es einfach auf den Tisch legen, ohne zu riskieren, alles abzufackeln.

Nach einer Weile, die mir kurz vorkommt, vibriert Iqos wieder zweimal, und das Pseudotschicklein geht kurze Zeit später aus. Keine Ahnung, wie oft ich daran gezogen habe. Wer zählt schon die Züge an einer Tschick? Bogart sicher nicht. Ich probiere es weiter und bin versucht, zum Feuerzeug zu greifen. Das würde man mit dieser Alternative auch loswerden. Noch ein Punkt für Iqos. Oder?

Während der Rauchstift abermals lädt, fällt mein Blick auf meinen verwaisten Aschenbecher auf dem Couchtisch. Ja, ich liebe dieses Alessi-Teil des Designers Achille Castiglioni. Ehrlich. Und nein, ich möchte nicht wissen, wie viele Zigaretten ich schon darin ausgedämpft habe. Aber könnte ich das silbern glänzende Teil wirklich in Rente schicken? Auf keinen Fall würde ich ihn hergeben, gebe ich dem Rauchstaberl in meiner Hand zu verstehen, während ich mir einbilde, der Aschenbecher würde mir einen argwöhnischen Blick zuwerfen. Wer übrigens glaubt, das Rauch-iPhone mache keinen Dreck, irrt. Schon nach einem halben Päckchen Heets muss ich mit einem ohrenstäbchenähnlichen Cleaning-Stick Tabakspäne aus der Öffnung des Röhrls fieseln.

Könnte ich diesen Aschenbecher in Rente schicken?
Foto: Michael Hausenblas

Keine Schnorrer

Ich drücke auf die Pausetaste des DVD -Players und beschließe, das Ding unbeobachtet von meinem Aschenbecher auf der Straße auszuprobieren. Ich bin ein leidenschaftlicher Straßenraucher. Beim Rundgang durch mein Grätzel ist mir der Iqos irgendwie lästig. Ich komme mir vor wie ein armseliger Süchtler, der nicht vom Nikotin wegkommt. Es mag sich in der Tat so verhalten, aber muss das denn so offensichtlich sein? Pluspunkt: Man wird nicht angeschnorrt, wobei ich das Anschnorren um Tschick nur selten als lästig empfinde. Es handelt sich um eine eigene Geste in der Welt der Raucher, jemand Fremdes eine Zigarette zu spendieren. Es schafft, so absurd das klingt, für einen kurzen Augenblick eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl.

Ein Häusereck weiter habe ich auch die angenehmste Handhabung der Pseudotschick heraus. Man hält sie am besten in der hohlen Hand. Das erweckt allerdings den Eindruck, als würde man am Daumen lutschen. Nachdem das Ding wieder grummelt und vibriert, fällt mir der Raucher und Schriftsteller Ferdinand von Schirach ein, der in seinem Buch Kaffee und Zigaretten schreibt: "Oft wird gesagt, die beste Zigarette sei die nach dem Sex. Das stimmt natürlich nicht, diese Zigarette ist genauso wichtig wie alle anderen. Zigaretten sind die Verbündeten des Rauchers, sie be gleiten ihn in seinen Triumphen, sie sind in seinen Niederlagen bei ihm, und sie enttäuschen ihn nie ..." Schirach ist ein kluger Mann, denke ich mir, als ich vor der Tür meines Stammwirten zum Stehen komme.

Freundschaft, Iqos

Fast ein Jahr ist es nun her, dass ich meine letzte Zigarette im Inneren des Lokales geraucht habe. Das Rauchverbot erlebte ich als halb so schlimm. Im Nachhinein zumindest. Vielleicht würde es mir auch mit meiner elek trisch betriebenen Rauchapparatur so gehen. Schließlich ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Doch dann rufen mir meine Nikotin teufelchen Mark Twain ins Gedächtnis. Er soll gesagt haben, er würde auf den Himmel verzichten, wenn er dort nicht rauchen dürfe. Aber wer weiß schon, ob es den Himmel überhaupt gibt? Und wer will aufgrund seiner Nikotinsucht schon früher dorthin?

Als an ich vor der Tür des Lokals stehe, spricht mich ein rauchender Gast vor dem Lokal an. "Und?", fragt er und schaut skeptisch auf das Ding in meiner Hand. "Wem es ernst ist mit dem Aufhören, der ist mit dieser Alternative nicht schlecht beraten. Wem es noch ernster ist, der soll es einfach ganz lassen. Wondratschek, von Schirach und Twain würden wohl kaum umsteigen", so mein Resümee.

Und ich? Klar will ich aufhören, dann aber auch wieder nicht – und dann aber auch wieder schon. Wie endet Casablanca? Wissen Sie noch? Mit dem legendären Satz "Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!". Ich werfe einen Blick auf das Röhrl in meiner Hand und bezweifle, dass wir das Zeug zu einer wunderbaren Freundschaft haben. Dann schnorre ich den Typen neben mir um eine Tschick an, denn der Iqos will geladen werden. Das rechne ich ihm in diesem Moment hoch an. (Michael Hausenblas, 26.10.2020)