Während der Partyplaner in Ermangelung an Partys ruht, schreibt Amira Ben Saoud an seiner Stelle eine Kolumne über Aktuelles und Allgemeines aus Popkultur und Internet.

Facebook startet mit seiner Dating-Funktion nun auch in Europa – wegen Datenschutzbedenken habe es so lange gedauert. Dass Facebook wegen irgendetwas Datenschutzbedenken hat, ist hier die einzig neue Nachricht (bruhahaha!), denn Facebook hat nicht nur schon längst eine Dating-Funktion, Facebook ist eine einzige Dating-Plattform. Wie alle sozialen Medien.

In der Bubble der Journalisten und politisch Interessierten kommt es häufig vor, dass eine hitzige Twitter-Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen irgendwann in die Direktnachrichten verlegt wird. Ehe man sich versieht, ist @linkezecke89 bei einem eingezogen und man zieht drei Kinder groß, die geschlechtsneutrale Vornamen wie "Marxi" tragen.

Instagram als das Bildmedium ist die beliebteste Plattform überhaupt, wenn man auf Digital-Aufriss gehen will – einmal durch den Grid scrollen, zwei Stories reinziehen, und man weiß eigentlich Bescheid, ob da was gehen könnte. Das ist viel treffsicherer als jede algorithmusbasierte Dating-App je sein könnte. In die "DMs sliden", also sich per Direktnachricht jemandem zur Kenntnis zu bringen, ist ja längst stehender Begriff für die Praxis des Flirtens in den sozialen Medien.

Digitales Gebalze für die Übriggebliebenen

Liebeshungrige Menschen schrecken nicht einmal auf der Karriereplattform Linkedin davor zurück, einem unmoralische Angebote zu machen, die nicht beruflicher Natur sind. Als Snapchat noch ein sogenanntes "thing" war und man nur dort Nachrichten verschicken konnte, die sich von selbst wieder löschen, wurde diese Funktion vor allem fürs Sexting genutzt: Dick Pic und Nippelporträt, olé.

Gerade in pandemischen Zeiten ist die Beschaffung von zwischenmenschlicher Nähe im digitalen Raum beliebt, aber machen wir uns bitte nichts vor: Bereits vor Corona wurde in der jüngeren Altersgruppe längst nicht nur mehr im Club, Tutorium, Sportverein oder der Arbeit gebalzt, sondern bevorzugt im Internet und dort auf sozialen Medien.

Facebook hat in den letzten Jahren stark an Relevanz verloren, die ganz Jungen tummeln sich längst auf Tiktok, die Älteren auf Insta, also ist es gewissermaßen nur folgerichtig, dass man sich nun auf das besinnt, was man eh schon längst ist: eine Dating-Plattform für die Übriggebliebenen.

Da schließt sich ja auch irgendwie ein Kreis. Immerhin hat Facebook ja als "Facemash" begonnen: Auf der Website wurden Harvard-Studenten zwei Bilder von Kommilitonen angezeigt, dann entschied man sich, wer der beiden schärfer war. Siebzehn Jahre hat es gedauert, dass wir – unter anderen Vorzeichen – jetzt mehr oder weniger wieder dort sind. (Amira Ben Saoud, 23.10.2020)