Müde wegen der Zeitumstellung? Eine Stunde Zeitverschiebung merken die wenigsten, sagt der Schlafmediziner Ingo Fietze.

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Wirbt Ingo Fietze für den Schlaf, ruft er den Schönheitsschlaf in Erinnerung. Schlechten Schlaf sehe man dem Gesicht an, sagt der Schlafmediziner an der Charité. Auch sei man ausgeschlafen besser gelaunt; genügend Schlaf schütze zudem vor Demenz.

STANDARD: Wofür brauchen wir Schlaf überhaupt?

Fietze: Er hält jung, Gehirn und Körper brauchen ihn zur Regeneration. Wir können 16 Stunden Informationen aufnehmen, dann brauchen wir Schlaf, um sie zu speichern und zu sortieren. Stoffwechselprodukte, die sich tagsüber im Hirn ansammeln, werden ausgeschwemmt. Und das Immunsystem benötigt ihn.

STANDARD: Was ist guter Schlaf?

Fietze: Ab 30 Jahren brauchen wir siebeneinhalb bis acht Stunden. Zwischen 20 und 30 achteinhalb bis neun, unter 20-Jährige neun oder mehr – was kaum noch passiert. Das zweite Kriterium ist die Qualität: Der Tiefschlaf ist das gesündeste Stadium, das wir in einem Sechstel der Nacht brauchen. Ein Viertel sollten wir träumen, der Rest ist mitteltiefer Schlaf. Zu kurzer Schlaf sorgt am nächsten Tag vor allem für mentale Defizite bei Reaktion, Genauigkeit, Gedächtnis und Konzentration.

Ingo Fietze leitet das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum an der Universitätsklinik Charité in Berlin.
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STANDARD: Was ist das richtige Setting für idealen Schlaf?

Fietze: Nach 17 Uhr nichts Koffeinhaltiges trinken, zwei bis drei Stunden vor dem Zubettgehen die letzte große Mahlzeit essen und ein entspannendes Ritual eine halbe Stunde vorher: TV, Lesen, Hörbuch, sich unterhalten. Wichtig ist, bequem und dunkel zu schlafen, ein ruhiges Zimmer und offline zu sein.

STANDARD: Wann soll man ins Bett?

Fietze: Für 70 Prozent aller Schläfer gilt: zwischen 22 und null Uhr. Den gesündesten, besten Schlaf holt sich, wer vor Mitternacht im Bett ist.

STANDARD: Kann man vorschlafen oder Schlaf nachholen?

Fietze: Vorschlafen geht nur für die kommende Nacht. Am Wochenende kann man unter der Woche verpassten Schlaf nachholen. Es gilt die Gesamtmenge: Habe ich 55 Stunden geschlafen, habe ich schlafgesund gelebt. Man kann auch zu viel schlafen: Muss ich nicht nachholen und bleibe nach acht Stunden liegen, ist der restliche Schlaf oberflächlich. Die Gefahr ist, mit langem Dösen erholsamen Schlaf kaputtzumachen.

STANDARD: Raten Sie zu Powernaps?

Fietze: Unbedingt! Sie machen Sinn, sobald man schläfrig wird. Ich bin ein Verfechter, lasse gern den Kopf auf die Tastatur fallen und gönne mir fünf bis zehn Minuten. Man ist dann erfrischt, aufnahmefähig.

Standard: Was halten Sie von der Zeitumstellung?

Fietze: Für Schlafmediziner und Chronobiologen ist sie Nonsens. Ich plädiere dafür, bei der Normalzeit zu bleiben, nicht bei der Sommerzeit. Unter der Normalzeit sind wir Menschen geworden. Es macht keinen Sinn, an dieser Uhr zu drehen.

STANDARD: Haben wir dann einen Jetlag?

Fietze: Eine Stunde Zeitverschiebung merken die wenigsten. Sensible Schläfer, die sich ärgern, dass ihnen eine Stunde genommen wird, leiden sicher ein paar Tage darunter.