Das waren noch Zeiten! 1831 durfte man in den Logen völlig angstfrei zusammenrücken. Die kolorierte Lithografie zeigt das "k.k. privat. Theater an der Wien".

Foto: Österreichisches Theatermuseum

Die Bühnen des Landes sehen sich mit einem stattlichen Publikumsschwund konfrontiert. Die bereits einkalkulierte reduzierte Sitzplatzzahl wird seit den herbstlichen Ampelschaltungen sowie neuen Verordnungen ein weiteres Mal nach unten gedrückt. Die nochmalige Reduktion auf maximal 1000 Plätze verursacht der Staatsoper oder dem Konzerthaus hohe Einbußen. Die Besucher sind ängstlicher geworden, manchen hat die Maskenpflicht (neu: auch während der Vorstellung) den Rest gegeben.

Und das, obwohl Theaterhäuser zu den sichersten Veranstaltungsorten gehören. Die Präventivmaßnahmen sind ausgefeilt, es wird idealerweise nicht einmal gesprochen, und bisher ist auch kein Publikumscluster bekannt. Trotz dieser Exklusivität "traut sich das Publikum nicht so recht", beobachtet Marketingdirektorin Christiane Huemer-Strobele vom Theater in der Josefstadt.

Abokündigungen

Jüngst wurde hier in neue Gastro-Möbel investiert, um der Verordnung des Sitzens beim Konsumieren zu entsprechen, diese sind nun durch das Büffetverbot (das ab einer Veranstaltungsdauer von über drei Stunden aber wieder entfällt) obsolet geworden, genauso wie die angeschafften Gesichtsschilder.

"Ich habe mit Abonnenten gesprochen, die jetzt ihr Abo kündigen werden, weil sie während einer Aufführung keine Maske tragen wollen", so Huemer-Strobele. Das drückt die Auslastung künstlich hinunter. Sie fiel in der Josefstadt von 81 auf derzeit knapp 50 Prozent. "Das ist teuflisch." Auch der Landestheaterverband in Oberösterreich liegt rund 30 Prozent unter den Oktober-Zahlen des Vorjahrs. Das entspräche aber dem Minus an den verfügbaren Plätzen, so die Geschäftsführung. Hinzu kommt auch hier eine spürbare Zurückhaltung beim Vorverkauf seit der Ampelschaltung auf Orange (etwa minus zehn Prozent).

Noch zögerlicher verlaufen Buchungen im Bereich der Kinder- und Jugendtheater, die meist in Gruppenverbänden ablaufen. "Wir feiern jeden Zuschauer!", so die Dschungel-Wien-Leiterin Corinne Eckenstein. Die Auslastung hielt sich im September prozentual vergleichbar mit dem Vorjahr, brach aber im Oktober ein. Es kommen Absagen von Kindergärten und Schulen, weil Betreuungs- und Lehrpersonen jedes Risiko vermeiden sollen.

Dabei ist es gerade in einer Zeit der sozialen Distanz für Kinder wichtig, "das Menschsein zu thematisieren", so Eckenstein. "Kinder haben ein Recht auf Theater. Sie werden allerdings am strengsten behandelt. Erwachsene dürfen ins Theater gehen, Kindern spricht man das mitunter leichtfertig ab. Dagegen kämpfe ich." Das Ansteckungsrisiko sei minimiert durch getrennte Aus- und Eingänge, das Publikum sitzt in Klassenverbänden auf Abstand, Vorkehrungen wie Entzerrung der Plätze und Hygienemaßnahmen sind ohnehin längst Standard.

Es braucht eine Aktion

Sowohl Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) als auch der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer ermutigen dazu, mit Kindern ins Theater zu gehen, doch die Verlautbarungen der Regierung bremsen die Bemühungen immer wieder aus. "Es sollte stärker differenziert werden", so Eckenstein. "Reden hilft nicht mehr, es braucht eine Aktion. Meine Idee wäre, dass jedes Kind einen Theaterbesuch auf Regierungskosten geschenkt bekommt."

Auch das Theater der Jugend (TdJ) kämpft mit der Ängstlichkeit vonseiten der Eltern wie der Schulen. Wobei die kaufmännische Direktorin Sonja Fretzer allen Lehrpersonen Rosen streut, die die Hürde nehmen und den Aufwand der vorgeschriebenen Risikoanalysen nicht scheuen. Das TdJ arbeitet jährlich mit bis zu 600 Schulen in Niederösterreich, Burgenland und Wien zusammen. Das Stornogebaren ist da ganz individuell und hängt von der Infektionslage des jeweiligen Standorts und auch von der Schulgröße ab.

Widerstand regt sich

"Wir sind ein sicherer Ort", sagt Sonja Fretzer. Das TdJ-Personal wurde – wie auch in anderen Häusern – sogar aufgestockt, um das Leitsystem streng exekutieren zu können. Die Angst vor dem Theater, die offenbar umgeht, ist meines Erachtens nicht berechtigt."

Das finden auch (Musik-)Theater- und Konzertveranstalter in Vorarlberg, wo die Landesregierung in der vergangenen Woche überraschend eine Sitzplatzreduktion auf nur 250 Plätze verordnet hat. Dagegen regt sich nun Widerstand. Auch die Münchner Bühnen haben am Freitag einen Offenen Brief an die Politik verfasst, der die Diskrepanz zwischen dem niedrigen Infektionsrisiko und den zugleich enormen Einschränkungen infrage stellt. (Margarete Affenzeller, 25.10.2020)