Kinder und Jugendliche sollen trotz Corona so lange wie möglich an den Schulen lernen, findet das Ministerium. Bei Lehrkraftengpässen, steht Ersatz bereit.

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Die Erinnerung ist noch frisch: Knapp vor den Sommerferien, 35 Tage nach der Wiederaufnahme des Unterrichts im Schichtbetrieb, wurden in Oberösterreich nach Auftreten eines Covid-19-Clusters in fünf Bezirken fast 90.000 Schülerinnen und Schüler schon wieder zum Lernen nach Hause geschickt – sehr zum Missfallen von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP).

So ganz traut man im Haus am Wiener Minoritenplatz den Verantwortlichen in den Bundesländern anscheinend bis heute nicht über den Weg, wenn es um – aus Bundessicht – oft überzogene Maßnahmen wie den Wechsel auf Distance-Learning geht. Zuletzt war das in Salzburg und Tirol der Fall, wo seit der Vorwoche rund 30.000 Schülerinnen und Schüler zum Daheimbleiben verpflichtet wurden, weil nach der roten Corona-Ampel auch die Bildungseinrichtungen auf Orange gestellt wurden. Da half es wenig, dass Faßmann noch schnell ein Schreiben an die Bildungsdirektionen hinterher gejagt hat mit der Erklärung, dass Orange nicht automatisch Distance-Learning bedeuten müsse, sondern auch Schichtbetrieb oder gelegentliches Hereinholen kleiner Lerngruppen zulässig sei.

Keine "undifferenzierten" Maßnahmen

Jetzt ist wieder ein Schreiben hinausgegangen – diesmal verfasst von Generalsekretär Martin Netzer, adressiert an die sehr geehrten Landesamtsdirektoren. Darin will er "festhalten, dass bei allen regionalen Schritten im Bereich des Schul- und Bildungswesens mit dem Bildungsministerium das Einvernehmen herzustellen ist". Sicherheitshalber noch ein Verweis auf die entsprechenden Paragrafen der vom Bildungsressort erstellten Covid-19-Schulverordnung: 17, 22 und 33 werden genannt.

Netzer will "undifferenzierte Maßnahmen" vermeiden, weshalb er im nächsten Absatz deutlich macht: "Im Fall von Ampelschaltungen und damit verbundener Umstellung auf Schichtbetrieb bzw. Distance-Learning in Bezirken mit hohem oder sehr hohem Risiko bedarf es deshalb einer engen und rechtzeitigen Abstimmung des Landes mit unserem Haus."

Schule auch bei "rot"

Mit Verweis auf die "gute Balance", die es auch in Pandemiezeiten zwischen Gesundheits- und anderen Interessen im Bereich Bildung und Betreuung brauche, will das Ministerium nicht einmal bei Rot alle Kinder und Jugendlichen zu Hause wissen. Das ist nicht ganz neu, war für bestimmte Gruppen von Schülerinnen und Schülern auch davor schon Thema, kann aber offenbar nicht oft genug wiederholt werden: Lernen in Kleingruppen sei bei entsprechend scharfen Hygieneregeln auch dann weiter möglich. Insbesondere für Maturaklassen und Anfängerjahrgänge "soll von dieser Möglichkeit entsprechend der tatsächlichen Risikolage Gebrauch gemacht werden", heißt es in dem Papier, das dem STANDARD vorliegt.

Erst am Freitag wurde auch legistisch der Druck für ein möglichst langes Offenhalten der Schulen noch einmal erhöht. Mit einem gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium erstellten Erlass soll jetzt jeder Zweifel ausgeräumt sein, was bei Auftreten eines Verdachtsfalls wann mit wem zu geschehen habe, wer über Quarantäne, etwaige Klassen- und Schulschließungen zu entscheiden hat. Die Antwort: die Gesundheitsbehörden. Und zwar ausschließlich die Gesundheitsbehörden.

Nachdem am Freitag 21 weitere Bezirke auf der Ampel der Corona-Kommission rot eingefärbt wurden, gab es zumindest für Familien in Nieder- und Oberösterreich vorerst Entwarnung: Die Bildungseinrichtungen in den beiden Ländern bleiben weiter auf Gelb, andere Länder haben ob der Herbstferien vorerst gar nicht an der Bildungsampel gedreht.

600 Studierende und Pensionisten als Ersatz

Was den Einsatz von Lehramtsstudierenden und Pensionisten als Ersatz für Lehrkräfte anlangt, die pandemiebedingt zumindest zeitweise ausfallen (DER STANDARD hat berichtet), hält man aktuell bei rund 600 Personen, die sich freiwillig zum Unterricht gemeldet haben. Wie viele davon bereits an den Schulen benötigt werden, konnte man im Ministerium auf Nachfrage vorerst nicht beantworten.

Plangemäß würde im Fall von Personalengpässen zuerst versucht, diese über Supplierungen abzufangen. In einem zweiten Schritt sollten Pädagoginnen und Pädagogen mit Teilzeitverträgen ihre Stunden aufstocken. Erst dann würden die Bildungsdirektionen auf den Pool der schnellen Eingreiftruppe zurückgreifen, heißt es. Auch eine Präzisierung zur Auswahl der Ersatzpersonen gibt es: bei den Pensionistinnen und Pensionisten handle es sich um Lehrkräfte, die erst vor kurzem in Ruhestand gegangen sind. (Karin Riss, 24.10.2020)