Wo waren doch gleich die Eurofighter? Regierungsspitze (Bund und Land, Sebastian Kurz und Michael Ludwig) bei der Bundesheershow im ORF, links im Bild Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Foto: o: Screenshot ORF TVthek

Kann sich die Regierung eine dreistündige ORF-Übertragung wünschen (und wird der Wunsch erfüllt)? Und kann sich der ORF eine Flugshow mit Bundesheerjets wünschen, darunter drei Eurofighter? Der Nationalfeiertag warf solche Fragen auf – und lieferte nicht auf alle eindeutige Antworten. ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger aber, vom Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" als Kronzeuge geführt, erklärt auf Anfrage sehr klar, was er gesagt habe.

ORF-Übertragung auf Regierungswunsch

"Wunsch der Regierungsspitze, Anstoß von ganz oben": so beschrieb Hubert Patterer, der Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" in einem Newsletter, was er vorigen Dienstagabend von Hans Bürger bei der Präsentation von dessen jüngstem Buch zur mehrstündigen ORF-Übertragung zum Nationalfeiertag gehört hatte.

Bürger habe, so schilderte es Patterer, von einer kritischen Frage als Jungjournalist an den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky live on air berichtet (nach seiner Sicht der Menschenrechte, als Vranitzky aus Peking eintraf). Das habe ihm lautstarken Protest von Vranitzkys Kabinettschef, zugleich ORF-Aufsichtsrat, eingetragen und – in Patterers Worten – "Interventionswirbel bis in die oberen Rundfunketagen, was dieser Jungspund sich einbilde".

"Wunsch der Regierungsspitze, Anstoß von ganz oben"

Patterer fragte Bürger daraufhin, ob sich die Verhältnisse im ORF gebessert hätten. Bürger habe verneint, und Patterer schloss seine Schilderung an mit: "Am Sonntag übertragen sie drei Stunden live von den Zeremonien zum Nationalfeiertag, mit Tiefflug der Eurofighter über die Hauptstadt. Wunsch der Regierungsspitze, Anstoß von ganz oben, zwanzig Sitze von 36 im Stiftungsrat, so viele wie nie, die einzige Möglichkeit, das Ansinnen zu hinterfragen, sei die Kostenfrage gewesen. Der Regierungswunsch wird erfüllt mit lächelnd innerer Unruhe."

"Wunsch geprüft und ihm nachgekommen"

Im ORF heißt es auf Anfrage dazu, Patterer habe das inzwischen "klargestellt". Am Samstag schrieb Patterer in seinem Newsletter: "Bürger ist seither großem Druck ausgesetzt, er fürchtet um seine Position." Bürger habe bei der Buchpräsentation das Interventionsthema geschlossen "mit der heiklen Gratwanderung, Anfragen aus Regierungskreisen auszubalancieren. Jüngstes Beispiel: die erbetene Übertragung der offiziellen Gedenkfeier zum Nationalfeiertag. Man habe den Wunsch geprüft und wird ihm nachkommen."

"Nicht als Intervention dargestellt"

Aber: "Die Passage im Newsletter wurde ORF-intern (türkis-intern?) als öffentliches Protokoll einer heimlichen, erfolgreichen Intervention interpretiert. Als Intervention hat Bürger den Fall aber nicht dargestellt, vermutlich war es auch keine. Die Übertragung der Zeremonie 65 Jahre nach Staatsvertrag und Abzug der Besatzungsmächte lässt sich journalistisch begründen. Da gibt es ganz andere Zudringlichkeiten. Und trotzdem lernt man als Bürger etwas über die komplexe Zweierbeziehung zwischen Politik und öffentlichem Rundfunk. Als einfacher Bürger, nicht als Hans Bürger. Letzterem darf daraus kein Schaden erwachsen. Das wäre übel."

Wann eine Intervention vorliegt, ist eine Frage der Definition.

Was hat Bürger gesagt?

DER STANDARD bat TV-Innenpolitikchef Bürger um eine Erklärung, was er denn nun gesagt hat – und in welcher Situation.

Patterer befragte Bürger bei der Präsentation von Bürgers neuem Buch "Selbstverständlich ist nichts mehr: Sinnfindung in Zeiten von Arbeitsverknappung, künstlicher Intelligenz und Pandemien" in Graz. Patterer soll eingangs – zu Bürgers Verwunderung und nach dessen Wahrnehmung auch jener des Publikums – sehr ausführlich zum Verhältnis des ORF zur Regierung, insbesondere Kurz, gefragt haben.

Bürger dazu bei der Präsentation: "Ach, versuchte Einflussnahme ... Wo soll ich beginnen? Bei Andreas Rudas in den 90er-Jahren? … Das ist doch in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wahrlich nichts Neues."

Auf intensive Nachfrage Patterers zu Kurz und dessen "Anregungen" zur ORF-Berichterstattung sagte Bürger nach eigener Erinnerung: "Es ist ja nicht jede Anregung eine böse Intervention: Zum Beispiel ist es in Zeiten von Corona durchaus eine überlegenswerte Anregung an den ORF, mit der Frage zu einer möglichen Live-Übertragung der Aktivitäten am Nationalfeiertag heranzutreten."

Jemand aus dem Publikum fragt nach, warum der ORF dem Wunsch nachkomme. Bürger dazu: "Nochmals! Wenn wir etwas dazu beitragen können, dass Menschenmassen verhindert werden können, sehe ich da überhaupt kein Problem. Sozusagen der Nationalfeiertag 2020, gemütlich im Wohnzimmer von und mit ORF 2. Es sollten halt die Kosten immer beachtet werden."

Keine ORF-Stellungnahme zum Regierungswunsch

DER STANDARD hat den ORF um Stellungnahme über den angeblichen Regierungswunsch TV-Übertragung zum Nationalfeiertag ersucht. Die ORF-Kommunikation geht nicht auf diese Frage ein – die Stellungnahme: "Aufgrund der aktuellen Situation konnte heuer weder der traditionelle 'Tag der offenen Tür' noch die Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres in gewohnter Form stattfinden. Der ORF hat sich daher für eine Übertragung der reduzierten Feierlichkeiten am Heldenplatz entschieden, um dem Publikum trotz Platzverbots die Teilnahme zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr haben am Nationalfeiertag übrigens 700.000 (!) Menschen die Leistungsschau besucht."

Hubschraubereinsatz über Hans Bürger, TV-Innenpolitikchef des ORF, bei der Übertragung zum Nationalfeiertag.
Foto: Screenshot ORF TVthek

Eurofighter auf Bestellung

Die Begleitmusik zum Wunschkonzert aus Anlass des Nationalfeiertags lieferten "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf und Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, auf Twitter.

Michael Bauer alias @Bundesheerbauer twitterte am Sonntag: "Die Eurofighter überwachen jeden Tag Österreichs Luftraum. Manche Zeitgenossen hyperventilieren, weil die Eurofighter 1x in 10 Jahren über Wien fliegen. Die Luftraumüberwachung ist Teil unserer Verfassung. Lehnen diese Mitbürger nur das Bundesheer oder die gesamte Verfassung ab?"

Das ließ Armin Wolf Nachfragen an zwei Verfassungsexperten auf Twitter formulieren: "PR-Flüge mit Abfangjägern am Nationalfeiertag sind in der Verfassung vorgeschrieben? Echt jetzt?"

Bauer antwortete – mit Smiley am Schluss: "In Wirklichkeit machen wir es nur deshalb, weil uns der ORF darum gebeten hat. Ihr Arbeitgeber überträgt ja morgen den ganzen Vormittag live, und da wollte er ein spannendes Programm von uns haben. Und das bieten wir. ;-)"

Darauf Wolf: "Ich wusste tatsächlich nicht, dass es Eurofighter-Flüge auf Bestellung gibt."

Bauer: "Dann funktioniert die interne Kommunikation im ORF wohl noch nicht ganz optimal."

Wolf: "Da ich mit der Sendung nichts zu tun habe, gab es keinen Bedarf an näherer Kommunikation dazu."

Bauer, wieder mit lachendem Smiley: "Ich kenne das. Ich bin auch oft völlig betriebsblind und nehme nur das wahr, was mich betrifft."

Wolf: "Ich glaube, wir können es hier einstellen, auf dieser Ebene mag ich nicht."

Eurofighter-Hörspiel zum Nationalfeiertag

Vom Sondereinsatz der Eurofighter war wegen der Wolken über Wien und Umgebung nicht viel zu sehen – wie auch Bauer schon am Sonntag mit Blick auf die Wetterprognose vorausgesagt hat. Umso erfreuter twitterte @Bundesheerbauer von der dokumentierten Sichtung der Jets.

"ORF hatte keinen Einfluss" auf Eurofighter-Flug

Der ORF am Montag zur – von Bauer wohl scherzhaft getwitterten – "Bestellung": "Der Abschiedsflug der auszumusternden Saab-Flugzeuge in Begleitung der Eurofighter über Wien wurde vom Bundesheer bereits letztes Jahr festgelegt. Auf diesen wie auf andere Programmpunkte der militärischen Präsentation hatte der ORF keinen Einfluss." (fid, 26.10.2020)