Es muss alles raus: Deborah Hazler schimpft.

Foto: Franzi Kreis

Wut ist seit Jahrzehnten ein gutes Thema für Kunst. Vor allem Künstlerinnen geht manchmal das G’impfte auf. Wie zum Beispiel der Französin Niki de Saint Phalle, die ab den späten 1950ern ihrem Zorn Luft machte, indem sie mit dem Gewehr auf zuvor entsprechend präparierte Bilder ballerte, bis diese farbig bluteten.

Zornig konnte auch die Wiener Performerin Barbara Kraus in einigen ihrer frühen Arbeiten der 1990er werden. Und die US-Choreografin Ann Liv Young schenkte ihrem Publikum ab Mitte der 2000er unheimliche Begegnungen mit kalter Wut.

Jetzt lässt auch die Wiener Performerin Deborah Hazler das Angestaute heraus. Schauplatz ihres – gerade noch so kontrollierten – Ausbruchs ist das vom Brut-Theater angemietete Volx in Margareten. Damit sie sich bei ihrem Evening to RRRRRRRRRRR (rant, rave, rage, revolt, resist, rebel) nicht als einsame Explosionsfigur fühlen muss, hat sie die Kuratorin Ursula Maria Probst eingeladen, eine Lecture zu halten.

Auch wird ein Schimpfwörterhörspiel von Michikazu und Mia Matsune eingespielt, und es schiebt das kurdisch-wienerische Duo Shayma & Seba eine rapähnliche Grant-Musik über den Tisch. Herzstück ist jedoch Hazlers eigene Tirade That Rant and Rave, die zwar – so soll es auch sein – im Ablauf und Abgang nervt, im Nachhall jedoch großartige Echos hinterlässt. Vor allem, da es in unseren Breiten zum Tabu wurde, seinem Unmut laut Luft zu verschaffen.

Bist so mager

Doch die sozialen Medien beweisen: Wo nicht live geschimpft werden soll, weil das als uncool und wutbürgerlich gilt, fehlt das Ventil, wächst der Druck. Im Netz verwandelt sich das Unterdrückte dann in Hass. Das will Hazler nicht zulassen. In einen Superwutanzug gestopft, zieht sie eine fette Schaumstoff-Wutskulptur ans Bühnenlicht, beschwert sich darüber, dass niemand auf ihre neue Kurzhaarfrisur reagiert hat und dass stattdessen alle immer sagen, sie sei so mager.

Das macht sie dünnhäutig. Daher schimpft und brüllt sie in der Folge gegen Ignoranz, soziale Medien, das Patriarchat, unfähige Ärzte, ein System, das Frauen zu Müttern machen will, und die versteckte Verachtung gegenüber Alleinlebenden.

Corona-Einschränkungen

Ihr Furor richtet sich gegen überteuerte Lifestyle-Biobäckereien, die Ausbeutung von Migranten, den Modebegriff "Authentizität", Corona-Einschränkungen und auch gegen ihre amerikanische Schwester, die sich mit öder Regelmäßigkeit seit dreißig Jahren darüber beschwert, dass man in österreichischen Restaurants kein ordentliches Wasser serviert bekommt.

Das ist alles ganz und gar nachvollziehbar. Doch spätestens, wenn die Performerin wie ein im Trotzphasenanfall ausflippendes Kind auf dem Boden liegend strampelt, wird klar, dass ihr Rant and Rave-Solo auch eine Karikatur der hilflosen, blinden Wut mitliefert.

Denn schon im Märchen wird Rumpelstilzchen, das sich wutentbrannt selbst zerreißt, zur lächerlichen Figur. Unsere Gesellschaft mag aber auch das reinigende Gewitter des Cholerischen nicht mehr anschauen und blendet es einfach als schlechtes Benehmen aus. Gegen diese biedermeierliche Verdrängung macht Deborah Hazler dankenswerterweise mobil. (Helmut Ploebst, 27.10.2020)