Im Gastkommentar antwortet Agenda-Austria-Ökonomin Heike Lehner auf Oliver Piceks Kritik am "Sparen im System".

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Mehr Bürokratie? Probleme in der Verwaltung lassen sich nicht nur durch mehr Geld lösen.
Foto: Getty / Kettner

Die Regierung habe Österreich kaputtgespart, behauptet Oliver Picek vom gewerkschaftsnahen Momentum-Institut im Gastkommentar. "Mehr privat, weniger Staat", dieses "wirtschaftsliberale Dogma" hätte Österreich an den Abgrund getrieben. Das Sparen im System wäre in den vergangenen Jahren viel zu weit getrieben worden, die Verwaltung sei deshalb handlungsunfähig. Ja, sogar ein zweiter Lockdown sei wahrscheinlicher, so Picek. Denn an die Eigenverantwortung der Bürger zu appellieren, hält er für "keine besonders erfolgversprechende Strategie". Und zwar nicht nur bei Corona, sondern in allen Lebensbereichen. Sein Dogma: mehr Geld für mehr Staat.

Alles perfekt gelaufen? Sicher nicht

Nun ist festzuhalten, dass Österreich im internationalen Vergleich natürlich einen gut funktionierenden und gut ausgestatteten Staatsapparat hat. Ist in der Corona-Krise deswegen alles perfekt gelaufen? Sicher nicht. Aber zu erwarten, dass die Verwaltung jederzeit perfekt auf ein Jahrhundertereignis wie dieses vorbereitet ist, wäre auch vermessen. Wichtig sind in diesem Fall die Flexibilität und die von links gern verteufelte Effizienz.

In Notfällen zusätzliche Ressourcen bereitstellen zu können, die aber in normalen Zeiten die Verwaltung nicht weiter ineffizienter und kostspieliger machen, zeichnet gutes Risikomanagement aus. Gegen das fehlende Personal des AMS, das von Picek als Beispiel herangezogen wird, werden deshalb bereits Maßnahmen gesetzt. Zum einen werden keine Stellen abgebaut, wie es ursprünglich vor der Krise geplant war, zum anderen werden bis 2023 noch weitere Stellen hinzukommen, um die Arbeitsmarktkrise bestmöglich zu bewältigen. Natürlich hätte man früher reagieren können, Corona wütet nun seit Monaten. Aber das bedeutet nicht, dass schon vor der Krise ein riesiger Personenapparat bereitstehen muss, der in "normalen" Zeiten Däumchen dreht.

Vorbild Schweiz

Ein gutes Bild lieferte die Schweiz ab. So war die Notkreditgewährung der Schweiz von Krisenbeginn an vorbildhaft. Die Soforthilfe für Unternehmen reibungslos. Viele Unternehmen erhielten innerhalb weniger Stunden die notwendigen Kredite – auch wenn es um viele Millionen ging. Nicht weil die Schweizer jederzeit ein Ersatzheer an Staatsbediensteten bereithalten, sondern weil man rasch Beamte aus anderen Abteilungen zusammengezogen hat. Weil Banken und Regierung eng kooperierten. Weil die bürokratischen Schikanen minimal waren. Die Anträge konnten von den Unternehmen binnen weniger Minuten ausgefüllt und von den Beamten rasch abgewickelt werden. Die Schweiz zeigt: Ein schlanker Staat kann stark sein – wenn man es richtig macht.

Picek erwähnt auch das fehlende Pflegepersonal. Dass wir da ein strukturelles Problem haben, ist lange bekannt. Corona war eine Überraschung, der Pflegenotstand ist selbst verschuldet. Es fehlt seit Jahren eine echte Reform. Ja, es braucht mehr Personal und attraktivere Berufsbilder. Aber mehr Steuergeld hineinzupumpen, wie das ohnehin schon geschieht, ändert nichts am Grundproblem. Die Einführung einer verpflichtenden Pflegeversicherung oder eines individuellen Pflegekontos, auf das jeder Österreicher einzahlt, wären bessere Ansätze. Denn das Problem der alternden Bevölkerung und der dadurch entstehenden Budgetlücke muss abseits der Krise bewältigt werden. Dieses Personal muss tatsächlich langfristig konstant zur Verfügung stehen. Dies kann nur durch eine veränderte Finanzierung des Systems gewährleistet werden.

Mehr digital

Eine Möglichkeit der Effizienzsteigerung, die nicht nur im Notfall schnell skalierbar ist, bietet eine digitalisierte Verwaltung, die Automatisierungen möglich macht. Der E-Government-Monitor 2020 zeigt, dass die Österreicher die öffentlichen Onlineangebote des Staates im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz am meisten nutzen. Was leider auch daran liegen könnte, dass sie oft nicht so funktionieren, wie sie sollten. Beim Ausbau der digitalen Verwaltung kann Österreich viel vom Vorreiter in diesem Bereich lernen – von Estland. Je mehr die Bürger digital selbst erledigen können, desto weniger Beamte sind damit beschäftigt. "Mehr privat, weniger Staat" führt so zu geringeren Kosten und ermöglicht eine Entlastung der Steuerzahler.

Aber Picek spricht den Bürgern die Eigenverantwortung ja leider ab. Er will stattdessen den Staatsapparat weiter aufblähen. Doch ein dicker Staat ist langsam und träge. In so einem Umfeld sprießt die Bürokratie. Und davon hatten wir in Österreich schon lange vor Corona mehr als genug. Unsere Verwaltung ist nicht handlungsunfähig, wie Picek behauptet. Das ist unfair allen Beamten gegenüber, die täglich motiviert ihren Dienst versehen. Vielmehr wird der Staatsapparat gebremst, weil wir den Problemen nur Geld und neue Vorschriften hinterherwerfen, statt zu überlegen, wie wir sie besser, schneller und billiger lösen könnten. (Heike Lehner, 27.10.2020)