Auch so beginnt Contact-Tracing. Wer von Corona-Testteams Besuch erhält, wird zu Kontakten befragt oder erhält später einen Fragebogen.

Foto: Christian Fischer

Rund 1.500 Menschen, keine Masken, dazwischen oft nicht einmal ein halber Babyelefant – und trotzdem ließ die Polizei am Nationalfeiertag eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung in der Wiener Innenstadt gewähren. Contact-Tracer mögen angesichts der Bilder von der Demo, die auch auf sozialen Medien im Internet geteilt wurden, die Augen verdreht haben. Andererseits ließe sich so ein Cluster, wenn alle Teilnehmer dazu stehen, dass sie bei der Demo waren, zumindest zeitlich und örtlich gut eingrenzen.

Doch generell gelangen die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden, die Kontakte von mit Covid-19 infizierten Menschen eruieren und diese Kontaktpersonen vor einer möglichen Ansteckung warnen sollen, allmählich an die Grenzen ihrer personellen Kapazitäten. Eine starke Zunahme der Infektionen am verlängerten Wochenende hat die Lage in Österreich weiter verschärft. Waren es am Freitag noch rund 18.000 aktiv Infizierte, erhöhte sich dieser Wert bis zum Nationalfeiertag am Montag um 5.000 auf über 23.000.

Fast 1.000 Tote

Österreichweit zog auch die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 an: Mit 992 sind bald 1.000 erreicht, und allein im Oktober kamen bisher fast 200 dazu. Innerhalb einer Woche ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf durchschnittlich 2.300 angestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz änderte sich von 191 am Montag vergangener Woche auf inzwischen fast 300 Fälle pro 100.000 Einwohner.

Um das Contact-Tracing war schon am Samstag eine Debatte entstanden, nachdem die Vorarlberger Landesregierung bekanntgegeben hatte, aus Kapazitätsgründen den Umfang des Contact-Tracings im westlichsten Bundesland zurücknehmen zu müssen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sah darin ein Missverständnis: Denn reduziert werde nur die über die Vorschriften hinausgehende direkte Befragung von K1- und K2-Kontaktpersonen. Der Gesundheitsminister sah die Nachverfolgung und Absonderung der wirklich engen Kontakte nach Corona-Infektionen in Vorarlberg gesichert.

Ages-Mitarbeiter helfen aus

Vorarlberg wird zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens beim Contact-Tracing die von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) angebotene Unterstützung annehmen. Das gab Landessanitätsdirektor Wolfgang Grabher am Sonntag bekannt. Dreißig Ages-Mitarbeiter sollen dem Vorarlberger Infektionsteam helfen, die Infektionsketten nachvollziehen zu können.

Auch Salzburg und Tirol haben das Contact-Tracing aus personellen Gründen inzwischen eingeschränkt. Der Leiter des Corona-Einsatzstabes in Tirol, Elmar Rizzoli, sagte der "Tiroler Tageszeitung", man sei "am Limit, die Ressourcen werden knapp". Um sich Luft zu schaffen, werde das Contact-Tracing bei positiven Fällen unverändert fortgesetzt, bei Verdachtsfällen aber eingeschränkt.

Contact-Tracing, hier im Büro für Sofortmaßnahmen der Stadt Wien, ist vor allem ein anstrengender Schreibtischjob.
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Ehrliche Angaben notwendig

Die Kontaktverfolger der Gesundheitsbehörden erhalten täglich Listen von positiv getesteten Personen. Bei allen wurde bisher telefonisch versucht herauszufinden, mit welchen anderen Personen sie in der jüngsten Zeit Kontakt hatten. Entscheidend ist, wann genau und wie lange der letzte Kontakt stattgefunden hat. Aus diesen Parametern ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, ob Kontaktpersonen angesteckt worden sein könnten.

Voraussetzung ist natürlich, dass alle Beteiligten ehrliche Angaben machen. Contact-Tracer stoßen immer wieder auch auf Personen, die andere nicht "mit hineinziehen" wollen. Oder auf der anderen Seite auf Personen, die beispielsweise aus Angst um ihren Job angeben, gar keinen Kontakt mit einer positiv getesteten Person gehabt zu haben. Beides verfälscht Cluster-Berechnungen.

Dennoch bleibt Contact-Tracing laut Experten die wichtigste Maßnahme, um die Pandemie einzudämmen. Ages-Epidemiologin Daniela Schmid betont, dass eine Reduktion keine Option sei. "Wer das Contact-Tracing aufgibt, gibt auch die Kontrolle über die Epidemie auf", hat Schmid bereits am Freitag bei der Pressekonferenz zur Ampelschaltung gesagt.

Unklare Ansteckungen

Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der Med-Uni Wien warnte in einer E-Mail an mehrere Personen der Taskforce des Gesundheitsministeriums davor, dass die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verlorengehen könnte. Detailanalysen in Wien hätten gezeigt, dass immer mehr Menschen nicht wüssten, wo sie sich angesteckt haben könnten.

Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hieß es, dass es nur bei vier Prozent der Infizierten unklar sei, wo sich jemand angesteckt habe. (simo, 26.10.2020)