Sind die Fachbereiche nicht genau abgrenzbar, kann es böse Überraschungen geben.

Illustration: Davor Markovic

Man möchte meinen, dass der Mischbetrieb und die Frage nach dem richtigen Kollektivvertrag ein alter Hut und damit kein Problem mehr sind. Dennoch schafft es alle paar Jahre ein solcher Fall bis zum Obersten Gerichtshof, zuletzt sogar zwei.

Ein Arbeitgeber, der über zwei oder mehrere Gewerbescheine verfügt und damit mehreren Fachgruppen der Wirtschaftskammer angehört, sollte sich die Frage stellen, welche Relevanz die von den Fachgruppen abgeschlossenen Kollektivverträge (KV) für ihn haben: Gilt ein KV für alle Arbeitnehmer, und welcher? Oder müssen auf verschiedene Arbeitnehmergruppen – je nach ihrer Zuordnung zu einem der Gewerbe – verschiedene KVs angewandt werden?

Praktikabilitätserwägungen verleiten dazu, die gesamte Belegschaft nur einem KV zu unterwerfen. Manchmal fällt dabei die Wahl auf jenen, der für das Unternehmen günstiger ist. Genau das kann teuer werden, wenn nach einer Klage oder GPLA-Prüfung vor allem Entgeltdifferenzen und SV-Beiträge nachzuzahlen sind, im schlimmsten Fall auch Strafen wegen Lohn- und Sozialdumpings.

Zahlreiche Gewerbescheine

Den Stein ins Rollen bringen kann auch ein Arbeitnehmer, der keine vier Monate im Unternehmen beschäftigt war, mit potenziellen Folgeansprüchen für sämtliche Arbeitnehmer. Hier (OGH 29. 6. 2020, 8 ObA 14/20x) war es ein Maurer, dessen Ansicht nach das Sanierungsunternehmen richtigerweise den KV für Arbeiter und Arbeiterinnen in der Bauindustrie und im Baugewerbe anwenden müsste. Abgerechnet worden war er hingegen nach dem KV für Arbeiter in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung.

Sein ehemaliger Arbeitgeber war darauf spezialisiert, Schadensfolgen nach Bränden, Wasser- und Sturmschäden zu beseitigen. Er verfügte über zahlreiche Gewerbescheine, wobei sich die Parteien hier nur darüber stritten, ob das Unternehmen eher das Baugewerbe oder die Gebäudereinigung ausübt. Tatsächlich waren die Fachbereiche aber nicht so autark organisiert, dass in jedem Bereich der einschlägige KV hätte angewandt werden können.

Auch kam keinem der Fachbereiche eine "maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung" (§ 9 ArbVG) zu. Somit wird das Verfahrensergebnis davon abhängen, welcher der beiden KVs die größere Anzahl von Arbeitnehmern in Österreich erfasst – was hier noch in erster Instanz zu klären sein wird.

Maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung

Im anderen Fall (OGH 17. 12. 2019, 9 ObA 126/19y) ging es um ein Wettbüro, wofür kein KV besteht, das für seine Kunden Getränke- und Kaffeeautomaten aufstellte und der Fachgruppe Gastronomie angehörte. Auch hier lag ein Mischbetrieb vor; die Bereiche waren organisatorisch nicht getrennt. Grundsätzlich gilt im Mischbetrieb der KV des Bereichs mit der maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung.

Wenn es aber in diesem Fachbereich keinen KV gibt, schlägt jener des untergeordneten Betriebs durch. Dem Betreiber des Wettbüros half nicht, dass die Getränkeautomaten eine untergeordnete Ergänzungsleistung waren. Er muss generell den KV für Hotel- und Gastgewerbe anwenden – oder die Automaten abbauen.

Wer über mehr als einen Gewerbeschein verfügt, sollte daher klären, ob seine Abteilungen oder Betriebe so klar voneinander abgegrenzt sind, dass in jedem Bereich der für ihn fachlich und örtlich einschlägige KV anzuwenden ist. Andernfalls – im Mischbetrieb – ist der fachliche Bereich mit der maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung festzustellen.

Kriterien in einer Gesamtbetrachtung sind Umsatz, Gewinn, Betriebsmitteleinsatz, Ertragskomponenten, Zahl der Arbeitnehmer, Zusammensetzung des Kundenkreises und nicht zuletzt, welcher Bereich das Unternehmen prägt. Der KV dieses Bereichs gilt dann für alle.

Falls auch dieser Prüfschritt nicht weiterhilft, weil kein Bereich hervorsticht, gilt der KV, der – wie im ersten Fall – die größere Anzahl von Arbeitnehmern in Österreich erfasst. Nachdem Unternehmen und ihr Angebot stetem Wandel unterliegen, sollte diese Prüfung in entsprechenden Abständen wiederholt werden. (Kristina Silberbauer, Magazin "Wirtschaft & Recht", 29.10.2020)