Bei Kooperationen zwischen Unternehmen greift auf EU-Ebene das Kartellrecht, bei grünen Förderungen das Beihilferecht.

Illustration: Davor Markovic

Um innerhalb weniger Jahrzehnte den Wechsel zu einer CO2-neutralen, in weiten Teilen auf erneuerbarer Energie basierenden Kreislaufwirtschaft zu schaffen, sind neuartige Transformationsprozesse und massive Investitionen erforderlich. Für viele Unternehmen ist die Finanzierung und Durchführung von Nachhaltigkeitsinitiativen im Alleingang zumindest kurz- und mittelfristig jedoch kaum zu bewerkstelligen.

Es kann daher für Unternehmen einerseits sinnvoll sein, miteinander zu kooperieren und Ressourcen zu bündeln – z. B. bei Forschung & Entwicklung oder in der Logistik – oder gemeinsame, branchenweite Mindeststandards festzulegen, z. B. verbesserte Produktionsstandards. Andererseits erfordern kapitalintensive großflächige Transformationsprojekte Finanzierungsmodelle unter Beteiligung der Mitgliedstaaten.

Wettbewerbsrecht

Für beide Bereiche spielt das Wettbewerbsrecht eine Rolle: Kooperationen zwischen Unternehmen müssen sich am Kartellrecht, gemeinsame Investitionen Privater mit der öffentlichen Hand am Beihilferecht messen lassen. Das bestehende Regelwerk bietet vielfach aber (noch) nicht genügend Flexibilität.

In einigen Mitgliedsstaaten sowie auf EU-Ebene läuft eine Debatten, ob das geltende Wettbewerbsrecht angepasst werden muss, um die Erreichung der Ziele des Green Deals der EU zu unterstützen. Zwischen klassischem Wettbewerbsschutz und Nachhaltigkeitszielen kann es mitunter Spannungsfelder geben.

Als zulässige Wettbewerberkooperation zu Umweltschutzzwecken qualifizierten die EU-Wettbewerbshüter in einem älteren Fall eine Vereinbarung zwischen Waschmaschinenherstellern, die das Ziel verfolgte, den Stromverbrauch zu reduzieren. Die Vereinbarung führte zu höheren, an die Endabnehmer weitergereichten Produktionskosten und so zu höheren Preisen, was grundsätzlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkte.

Dass darin kein Kartellrechtsverstoß lag, wurde damit begründet, dass die Vereinbarung auch Vorteile für Kunden brachte: Die verursachten Mehrkosten in der Anschaffung der Waschmaschine werden dem Endabnehmer über weniger Stromverbrauch und geringere Energiekosten im Laufe der Zeit teilweise refundiert.

Wer hat den Vorteil?

Bei vielen anderen Nachhaltigkeitskooperationen ist nach derzeitigem Rechtsrahmen jedoch ein relativ formalistischer Maßstab an die angemessene Verbraucherbeteiligung an den entstandenen Vorteilen anzulegen. Ein Beispiel: Produzenten vereinbaren die Einführung höherer als gesetzlich vorgesehener Schadstoffemissionsstandards, was zu weniger Emissionen, aber einer Verteuerung der Produkte führt.

Der Vorteil – geringere Emissionen – kommt nicht notwendigerweise den Käufern der Produkte, sondern der Allgemeinheit zugute. Kunden, die nicht im Umkreis der Produktionsanlage leben, werden an den Vorteilen nicht beteiligt – weder monetär durch geringere laufende Kosten noch durch niedrigere Emissionen in ihrer Umwelt. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung wären nach der derzeitigen EU-Kartellrechtspraxis voraussichtlich nicht erfüllt.

Es liegt auf der Hand, dass solche Initiativen einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten können. Auch die niederländische Kartellbehörde würdigte dies jüngst und kündigte an, das Konzept der Vorteile für Verbraucher bei Nachhaltigkeitsinitiativen innovativer zu interpretieren.

Bei Fällen wie dem genannten seien niedrigere Schadstoffemissionen als ausreichende Beteiligung der Verbraucher an den Vorteilen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung anzuerkennen; die Nutzung der Produkte wirkt sich schließlich auch auf die Allgemeinheit aus. Das Beispiel kann auf eine Vielzahl weiterer Sektoren und Produkte/Leistungen umgelegt werden.

Enge Vorgaben für Beihilfen

Die Ziele des Green Deals rücken auch gemeinsame Investitionen Privater mit staatlichen Akteuren in den Fokus. Staatliche Investitionen in oder mit Unternehmen müssen dem – zuletzt vieldiskutierten – Beihilferecht entsprechen. Im Kern zielt das Beihilferecht darauf ab, einen Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedsstaaten zu verhindern. Subventionen sind daher nur rechtmäßig, wenn diese von der EU-Kommission individuell genehmigt werden oder die Vorgaben sogenannter Gruppenfreistellungen erfüllen.

Diese engen Vorgaben werden vielfach als Hindernis zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen empfunden. Teilweise stehen sie einer raschen und flexiblen Unternehmensförderung entgegen. Dies führt zu erheblichen Investitionsengpässen in Bereichen, die von strategischer Bedeutung zur Bekämpfung des Klimawandels sind.

Beispiele aus der Behördenpraxis zeigen, welche Rolle das Beihilferecht bei öffentlichen und privaten Co-Investitionen spielt: Die EU-Kommission befasste sich mit einer Initiative öffentlicher und privater Co-Investoren zur Investition in ein Unternehmen, das thermische Gebäuderenovierungen durchführte. Dabei hätte der staatliche Investor eine niedrigere Rendite akzeptiert als der private.

Dies wurde als Beihilfe zugunsten des Renovierungsanbieters und auch des privaten Investors erachtet. Dessen Rendite werde zum Teil (in dem die staatliche Rendite übersteigenden Ausmaß) auf Staatskosten finanziert. Diese Regeln bzw. deren starre Auslegung bergen nicht nur im Einzelfall das Risiko einer Rückzahlungspflicht, sondern führen zu einem insgesamt unsicheren Investitionsklima, das grüne Investments mitunter hemmt.

EU will Regeln überarbeiten

In Antwort darauf kündigte die EU-Kommission kürzlich an, die Beihilferegeln mit Blick auf die Ermöglichung nachhaltiger Investitionen zu überarbeiten. Dabei könnte z. B. die Einführung von "Safe-harbour" Regeln für grüne Co-Investments mit der öffentlichen Hand – z. B. über Eigenkapitalinvestments in zu definierendem Ausmaß durch den öffentlichen Co-Investor in bestimmten Sektoren oder die Einführung diversifizierter Förderhöchstwerte – deutlich investitionsfördernde Wirkung entfalten.

Meilensteine auf dem Weg zur Klimaneutralität wären schließlich Förderungen zur Dekarbonisierung ganzer Industriezweige und der Ausbau Wasserstoff-basierter Technologien. Dafür wären deutlich flexiblere Beihilferegeln wie etwa zeitlich befristete Freistellungen von Co-Investments und höhere Förderintensitäten für Prioritätsbereiche erforderlich.

Zwischen unzulässigen Kooperationen oder Beihilfemaßnahmen und erwünschter nachhaltiger Zusammenarbeit liegt bisweilen ein schmaler Grat. Das Wettbewerbsrecht kann durch modernisierte Regeln jedoch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung von Klimazielen im Allgemeininteresse leisten. (Maria Dreher, Florian Reiter-Werzin, Magazin "Wirtschaft & Recht", 29.10.2020)

Foto: Freshfields
Foto: Freshfields

Maria Dreher ist Counsel bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien mit Schwerpunkt Kartell- und Beihilferecht. Florian Reiter-Werzin ist als Associate bei Freshfields in diesem Bereich tätig.