Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Meri Disoski (Grüne). Disoski hat die Mahnwache initiiert.

Foto: Verena Moser, Christopher Glanzl

Polens oberstes Gericht hat vergangene Woche ein Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus erlaubt, für verfassungswidrig erklärt. Bereits vor dieser Entscheidung hatte Polen eines der restriktivsten Abtreibungsrechte Europas. Bisher war ohnehin nur bei Schädigung des Fötus, bei Gefahr für die Frau und nach Inzest oder Vergewaltigung eine Abtreibung erlaubt.

Nun fällt nach dem Beschluss des obersten Gerichts der legale Schwangerschaftsabbruch bei schweren Fehlbildungen des Fötus. Es wurde damit einem Antrag rechtskonservativer Abgeordneter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zugestimmt, die in der bisher bestehenden Abtreibungsregelung einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Lebens sehen.

Kommt Abtreibungsverbot gleich

Frauenrechtsorganisationen und feministische Aktvist*innen kritisieren das Urteil scharf. Seit dessen Bekanntwerden gibt es landesweite Demonstrationen gegen die Verschärfung der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch, die einem Abtreibungsverbot gleichkommt. Das Urteil des Verfassungsgerichts wurde auch von der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, kritisiert.

Solidarisierung mit den Frauen in Polen, das war eines der Anliegen der Mahnwache.
Foto: Verena Moser, Christopher Glanzl

In Österreich hat die grüne Nationalratsabgeordnete und Frauensprecherin Meri Disoski zu einer überparteilichen Mahnwache am Dienstagabend auf dem Platz der Menschenrechte in Wien aufgerufen. Gastgeberinnen der Mahnwache waren neben Disoski die Grünen Frauen, die SPÖ-Frauen, das feministische Magazin "an.schläge", der Österreichische Frauenring, das Frauenvolksbegehren, die österreichischen Pro-Choice-Initiativen"Keinen Millimeter" und "Pro Choice Austria" sowie die polnische Pro-Choice-NGO Ciocia Wienia. Darüber hinaus unterschützen auch Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter und Amnesty International die Mahnwache.

"Eine ungewollte Schwangerschaft wird durch derartige Verschärfungen zu einer lebensbedrohlichen Situation", sagt Meri Disoski von den Grünen. "Wir wissen, dass Schwangerschaftsabbrüche trotz Verboten durchgeführt werden. Die sehr strikten Abtreibungsgesetze in Polen haben dazu geführt, dass laut Schätzungen jährlich 200.000 Polinnen im Ausland Abtreibung vornehmen lassen müssen, während es in Polen selbst in den letzten Jahren immer weniger geworden sind." Dass Schwangerschaftsabbrüche im Fall einer schweren Fehlbildung des Fötus mit dem Urteil jetzt als verfassungswidrig erklärt werden, bedeute, dass die Zahl weiter sinken werde, so Disoski.

Klares Statement von Ursula von der Leyen vermisst

Es sei wichtig und gut, dass nun landesweit in Polen demonstriert wird, auch dort, wo man es sich nicht erwartet. "In einer kleiner Stadt in der Nähe von Danzig haben sogar Bauern auf Traktoren für Frauenrechte und gegen die Verschärfung demonstriert." Von der EU-Kommission erwartet sich Disoski mehr. "Frauenrechte sind Menschenrechte, darüber ist man sich in der EU einig", sagt sie. Deshalb vermisst sie ein klares Statement von Ursula von der Leyen zur neuerlichen Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Der Platz der Menschenrechte in Wien am Dienstagabend.
Foto: Verena Moser, Christopher Glanzl

Expertinnen betonen immer wieder, dass die Entscheidung des obersten Gerichts nun ein totales Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bedeutet. "98 Prozent der legalen Abtreibungen in Polen betreffen Missbildungen des Fötus", sagte Krystyna Kacpura, Leiterin des Verbands für Frauen und Familienplanung, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Insbesondere Frauen mit begrenzten Mitteln könnten nun gezwungen sein, auf gefährliche, illegale Abtreibungsmethoden zurückzugreifen, warnte sie.

Ciocia Wienia, jene Organisation, die auch zur Mahnwache aufgerufen hat, sammelt für Frauen finanzielle Mittel und organisiert Unterkünfte im Ausland, damit sie wenigsten dort eine sichere Abtreibung durchführen lassen können. Das wird ihnen nun in Polen künftig verwehrt bleibt. (beaha, AFP, 27.10.2020)