Ersatzteile: Gescheiter aus der Wäsche schauen

Es ist nicht lange her, da war 3D-Druck vor allem etwas für Nerds. Die Geräte waren teuer und vor allem langsam und unpräzise: Figuren in der eigenen Gestalt sorgten zwar für einen Wow-Effekt, waren aber doch oft etwas unförmig.

Wenn die Waschmaschine streikt, muss man sie nicht gleich aus dem Haus verbannen. Oft reicht ein Ersatzteil aus dem 3D-Drucker, damit sie wieder läuft.
Foto: imago images/Horst Galuschka

Diese Zeiten sind vorbei, die Technologie ist in den Alltag vorgedrungen. "Spielereien sind weniger nachgefragt", sagt Marton Klauser, der in Wien-Margareten den 3D-Druck-Shop 3Dee betreibt. "Leute wollen immer öfter praktische Dinge gedruckt haben, etwa Ersatzteile für Haushaltsgeräte oder Möbel."

Denn wenn die Waschmaschine den Dienst versagt, ist es oft nur ein kleines Plastikteil, das streikt. Die professionelle Reparatur kommt dann oft teurer als ein neues Billiggerät. Genau in diese verbauen Hersteller aber oft geplante Schwachstellen, welche die Geräte kurz nach Ablauf der Garantie kaputtgehen lassen. Die Ersatzteile sind, wenn überhaupt erhältlich, oft überteuert oder werden erst geliefert, wenn man bereits vom Notvorrat sauberer Unterwäsche zehrt.

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Viren lassen sich mit 3D-Druckern noch nicht drucken. Kunststoffmodelle für Stock-Fotos schon.
Foto: Reuters/Dado Ruvic

Mit 3D-Druckern kann das benötigte Ersatzteil innerhalb weniger Stunden und günstig ausgedruckt werden. Manche Hersteller wie Miele bieten Druckvorlagen für manche Ersatzteile selbst an. Ansonsten hilft oft die Community auf Portalen wie Thingiverse.com.

Lebensmittel: Gedrucktes verdrücken

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Fett, Blut, Muskelmasse: Redefine Meat will Steaks drucken.
Foto: Reuters/Amir Cohen

Ob man einen Veggie-Burger tatsächlich Burger nennen darf oder ob die Bezeichnung für echtes Fleisch von Tieren vorbehalten sein soll, damit beschäftigt sich dieser Tage die EU. Fakt ist: Würste, Schinken oder eben Burger ohne Fleisch füllen schon lange Supermarktregale. Vegane Steaks, Filets oder Spareribs sucht man dort aber noch vergeblich. Homogene Fleischmasse lässt sich eben einfacher nachbauen als komplizierte Muskelstrukturen. Das israelische Start-up Redefine Meat will das ändern und sich dabei die 3D-Drucktechnologie zunutzemachen.

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Gebraten sieht das gedruckte Steak schon etwas appetitlicher aus.
Foto: Reuters/Amir Cohen

Befüllt mit künstlichem Blut, Muskeln und Fett aus Soja- und Erbsenprotein sowie pflanzlichem Öl soll ein guter Drucker 50 Steaks pro Stunde produzieren können. Glaubt man dem Gründer Eshchar Ben-Shitrit, der selbst auf einer Farm aufgewachsen ist und eine Kochausbildung hat, sollen die Steaks wie echtes Fleisch schmecken. Schon nächstes Jahr will Ben-Shitrit seine Steaks in ausgewählten Ländern servieren, kosten soll der Veggie-Spaß etwa so viel wie echtes Fleisch.

Mit Blick auf einen abwechslungsreichen Menüplan in der Mars-Kantine forscht auch die Nasa an Essen aus dem 3D-Drucker.

Industrie: Die Fabrik im Hinterzimmer

Das Wiener Start-up Viewpointsystem produziert Datenbrillen für die Fernwartung. Statt Techniker durch die Welt zu fliegen, trägt ein lokaler Mitarbeiter die Augmented-Reality-Brille, ein Spezialist kann sein Blickfeld und – mittels Eyetracking – auch dessen Blickpunkt aus der Ferne kontrollieren und Anweisungen geben. Die Brillen lässt Viewpointsystem nicht in China produzieren, sondern druckt sie in der Seestadt Aspern gleich selbst aus.

Das Wiener Start-up Viewpointsystem druckt Datenbrillen mit 3D-Druckern.
Foto: Viewpointsystem

Weil keine Gussformen nötig sind und die Produktion direkt am Standort stattfindet, "ermutigt das auch, verrückte Wege zu gehen", sagt Geschäftsführer Nils Berger bei einer virtuellen Betriebsführung am Mittwoch. "Fail early, fail cheap", sei das Motto. Aber auch für die Serienproduktion sieht Berger den 3D-Druck als Mittel der Wahl. Pro Woche ließen sich mit den vorhandenen Kapazitäten "400 Brillen rauspfeifen", bei steigendem Bedarf stellt er einfach zusätzliche Drucker auf. Außerdem lassen sich durch den 3D-Druck die Brillen individuell an Nase oder Ohren anpassen. Materialverschnitt fällt kaum an.

Für HP, wo die Geräte herkommen, ist 3D-Druck in der Industrie jedenfalls ein Wachstumsmarkt. "Es gibt Start-ups, die haben sich einen Drucker von uns in die Garage gestellt", sagt Raffi Beglarian, der den Bereich bei HP für Europa, Arabien und Afrika verantwortet. Lange war auch der Elektronikkonzern auch selbst einer der größten Kunden. Ein Absaugstutzen für 3D-Drucker konnte durch "additive Fertigung", wie das Verfahren im Fachsprech heißt, im Preis von 350 auf 15 Euro gedrückt werden.

In vielen Fällen verwenden wir wohl selbst 3D-gedruckte Objekte, ohne es zu wissen: BMW feierte etwa bereits 2018 das einmillionste in ein Auto eingesetzte Bauteil aus dem 3D-Drucker.

Gebäude: Wohnungsmarkt unter Druck

Was in Europa der Borkenkäfer ist, ist in Amerika der Asiatische Eschenprachtkäfer. Sie beide setzen der Forstwirtschaft zu und verursachen Milliardenschäden. Nachdem der (zugegebenermaßen hübsche) Eschenprachtkäfer seine Larven unter die Rinde gelegt hat, sterben die Eschen nach wenigen Jahren ab. Das befallene Holz taugt dann nur noch zum Verbrennen.

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Das größte 3D-gedruckte Haus der Welt steht in Dubai.
Foto: Reuters/Satish Kumar

Leslie Lok und ihr Kollege Sasa Zivkovic vom New Yorker Architekturbüro Hannah wollen das Schadholz vor dem Kamin retten. Sie haben die unförmigen Stämme per 3D-Scanner vermessen und daraus ein Haus konstruiert, bei dem die Bretter in ihrer natürlichen Form verwendet werden können. Den Kern des Gebäudes haben die beiden Architekten aus Beton gedruckt.

Gebäude zu drucken könnte sich in Zukunft besonders dort lohnen, wo es schnell gehen muss oder wenig Fachkräfte zur Verfügung stehen, etwa in der Entwicklungszusammenarbeit oder nach Naturkatastrophen. Das US-amerikanische Bauunternehmen Icon will etwa einen 32 Quadratmeter großen Bungalow in weniger als 24 Stunden und für rund 4000 US-Dollar drucken können.

4D-Druck: Die nächste Dimension

Vorneweg: Theoretische Mathematiker wird der 4D-Druck enttäuschen. Denn vierdimensionale Hyperwürfel bleiben auch weiterhin ein theoretisches Konzept. Der Industrie ging es wohl nur darum, ein griffigeres Wort für Formgedächtnis-Polymere zu finden. Wenn 3D-Druck ein Haus wäre, wäre 4D-Druck ein Wurfzelt: Auf Befehl können Objekte ihre Form verändern, die vierte Dimension ist die Zeit. Materialien werden so "programmiert", dass sie auf Temperatur, Wasser, Licht oder andere Einflüsse reagieren.

So wären etwa an Gebäuden angebrachte Sonnenschutz-Lamellen möglich, die sich je nach Sonneneinstrahlung wenden und die Räume abdunkeln. Ein anderes Gedankenexperiment ist smarte Kleidung, die im Winter wärmt und im Sommer kühlt, oder Autokarosserien, die beim Aufprall mit Fußgängern blitzschnell weich werden. Auch für künstliche Organe, die flexibel belastet werden müssen, könnten 4D-Druckobjekte zum Einsatz kommen. (Philip Pramer, 28.10.2020)