Merz beim CDU-Parteitag 2019.

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Friedrich Merz gegen das Establishment: So hätte das Rennen um den Parteivorsitz der deutschen CDU wohl letztlich immer ausgesehen. Nun aber macht es Merz explizit. Die Entscheidung der CDU-Führung, den für 4. Dezember geplanten Parteitag – und damit die Führungsentscheidung in der Partei – wegen Corona ins nächste Jahr zu verschieben, sei "die volle Breitseite des Establishments", schimpfte der 64-jährige Ex-Fraktionschef.

Am Dienstag ging er via Twitter noch einen Schritt weiter und unterstellte seiner Partei sogar eine Verschwörung gegen ihn: Es handle sich um eine abgekartete Aktion, um seinen Sieg noch zu verhindern und um Zeit zu gewinnen, einen weiteren Kandidaten zu nominieren. Das sei aus Sicht der Parteiführung offenbar nötig, so Merz, "denn immerhin führe ich in den Umfragen". Seine zwei Gegner, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und der Außenpolitik-Spezialist und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen, seien ihm bisher nicht gewachsen, deutete er an.

Laschet und Röttgen hatten sich da schon abwartend positiv zur Absage des Parteitags geäußert. Man könne keinen Präsenzparteitag mit 1001 Delegierten machen, während man andere Veranstaltungen verbiete, so Laschet. Röttgen sagte, er bedaure die Absage, begrüße sie aber dennoch, da sie "in der Sache richtig" sei. Zu den Äußerungen Merz’ wollten beide vorerst keine Stellungnahme abgeben.

Digital ist anfechtbar

In ihre missliche Lage geraten war die CDU auch wegen des deutschen Grundgesetzes, das Parteien vorschreibt, in welchem Rahmen sie ihr Führungspersonal zu wählen haben. Die innerparteiliche Demokratie muss demnach unter anderem dadurch gewährleistet sein, dass die Partei ihren Vorstand durch eine "Mitglieder- oder Vertreterversammlung" wählen lasse. Ob das zugehörige Wahlgesetz einen digitalen Parteitag erlaubt, ist umstritten. Merz hatte diesen gefordert, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak aber fürchtet, dass das Ergebnis später anfechtbar sein könnte. Daher habe man dagegen entschieden.

Während sich Ziemiak nicht konkret zu Merz’ Vorwürfen äußern wollte, kam aus der bayerischen CSU, der Unionspartnerin der CDU, Unverständnis. Merz bewerbe sich nicht nur um den Parteivorsitz, sondern wolle später auch Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr werden, führte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt aus. In hohen Ämtern sei es aber doch Berufsvoraussetzung, auch mit unerwarteten Ereignissen umgehen zu können.

Die Kritik der CSU mag dabei nicht ganz uneigennützig sein. Denn auch ihrem Parteichef Markus Söder, der sich als bayerischer Ministerpräsident in der Corona-Krise profiliert hat, wird deutliches Interesse an der gemeinsamen Kanzlerkandidatur in der Union nachgesagt. (Manuel Escher, 27.10.2020)