Der aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung stammende Begriff verlieh einem alten Phänomen einen neuen kämpferischen Namen. Obwohl als Hassverbrechen betitelt, geht es nicht um das Gefühl von Hass gegenüber dem Opfer, sondern in seiner Extremform um durch Straftaten ausgedrückten Hass gegenüber bestimmten Gruppen. Es geht um Straftaten, die durch Vorurteile motiviert sind.

Die Täterinnen und Täter handeln wegen der Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder Identität, Religion, des Geschlechts oder einer Behinderung des Opfers. Je mehr und sichtbarere Merkmale Menschen aufweisen, desto höher ist das Risiko, attackiert zu werden. Beispiele für solche Hate-Crimes wären etwa Körperverletzungen aus rassistischen, Sachbeschädigungen aus antisemitischen oder Beleidigungen aus islamfeindlichen und/oder sexistischen Motiven.

"Botschaftsverbrechen" – wie und warum sind Vorurteile strafrechtlich relevant?

Die strafrechtliche Relevanz von Vorurteilsmotiven ist mittlerweile auch in europäischen Ländern durchwegs anerkannt, teilweise europarechtlich vorgegeben und in einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt. So gibt es in einigen Ländern eigene Hate-Crime-Straftatbestände. In Österreich sind Vorurteilsmotive als sogenannter Erschwerungsgrund verankert. Im Falle einer Verurteilung bemisst das Gericht die Strafe innerhalb des beim jeweiligen Delikt vorgegebenen Rahmens anhand bestimmter gesetzlicher Gründe, darunter Milderungs- und Erschwerungsgründe.

Ein Vorurteilsmotiv muss jedoch nicht zwingend zu einer höheren Strafe als ein anderes Motiv bei einem vergleichbaren Delikt führen, da das Gericht diese anhand sämtlicher Faktoren im Einzelfall bemisst. Dieses festzustellen wird jedoch als gesellschaftlich wichtige Signalwirkung gesehen. Die kriminalpolitische Rechtfertigung für die strafrechtliche Relevanz von Vorurteilsmotiven liegt vor allem in ihrer Funktion als "Botschaftsverbrechen". Vorurteilsmotive selektieren Opfer nach Merkmalen, die für diese identitätsstiftend und unveränderlich sind. Die Merkmale stehen auch typischerweise mit historischen und/oder gegenwärtigen Marginalisierungs- und Diskriminierungserfahrungen in Verbindung.

Jüdische Friedhöfe sind oftmals Orte für Hassverbrechen.
Foto: EPA/BO AMSTRUP

Derartige Straftaten fördern daher innerhalb der gesamten Gruppe, deren Mitglieder das Merkmal mit dem Opfer teilen, Vermeidungsstrategien, wie zum Beispiel sich aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen. Da strukturelle Diskriminierungen auch in anderen Bereichen erlebt werden, empfinden Betroffene, dass vorurteilsgeleitetes Verhalten von der Mehrheitsgesellschaft zumindest geduldet werde. Im schlimmsten Fall, so wird vertreten, könnten derartige Straftaten zu einer Spaltung der Gesellschaft führen.

Ab wann ist eine Tat durch Vorurteile motiviert? Probleme in der Praxis

Schwierige Fragen für Strafverfolgungsbehörden sind, wie stark ein relevantes Vorurteil sein muss, inwiefern es kausal für die konkrete Tatbegehung sowie, ob es nach außen getreten und damit beweisbar ist. Die Stärke eines Vorurteils kann von einer Ideologie bis zu subtiler Diskriminierung reichen. Dementsprechend verlangen manche Rechtsordnungen, dass die Täterinnen und Täter aus "feindlichen" Motiven handelten. Andere, wie auch das österreichische Strafrecht, formulieren hingegen lediglich, der Täter müsse "wegen" des Merkmals handeln. Die Kausalität muss insofern vorliegen, als die Merkmalseigenschaft des Opfers für die konkrete Tat auch ursächlich war.

Vereinfacht gesagt können auch Rassistinnen und Rassisten Straftaten begehen, bei denen sie ihr Opfer nicht nach dessen Herkunft oder Hautfarbe auswählen. Der Zusammenhang zwischen Vorurteil und Tat muss also im Einzelfall bewiesen werden. Der amerikanische Jurist Frederick Lawrence schlägt etwa vor, zu prüfen, ob die Tat auch in derselben Form verübt worden wäre, wenn das Opfer das Merkmal nicht aufgewiesen hätte. Hätte der Täter auch einen Weißen niedergeschlagen oder einen Mann vergewaltigt?

Österreich, eine "Insel der Seligen"?

In Österreich werden Hate-Crimes zum überwiegenden Teil bisher nur in Form von Rechtsextremismus und Hass im Netz beachtet. Abseits davon werden sie, sofern sie den Behörden überhaupt bekannt werden, zum Großteil ohne das Vorurteil oder im schlimmsten Fall gar nicht erfasst. Die ausschließlich im Verfassungsschutzbericht jährlich verfügbaren Kriminalstatistiken in diesem Bereich sollten somit nicht dahingehend interpretiert werden, Österreich sei ein Land mit wenigen Hate-Crimes. Sie sprechen eher dafür, dass eine Identifikation und Verfolgung als solche trotz europarechtlicher Vorgaben bisher kaum erfolgt. (Isabel Haider, 30.10.2020)