Torschütze Dominik Szoboszlai nach Spielende am Boden.

Foto: APA/AP/Manu Fernandez

Wenn die Freude der Sieger ein Hinweis auf die gezeigte Stärke der Verlierer ist, dann durfte Red Bull Salzburg nach der ersten Enttäuschung tatsächlich stolz sein auf die am Dienstagabend in Madrid beim 2:3 gegen Atlético erbrachte Leistung. Diego Simeone, der Coach der Madrilenen, macht aus seinem Herzen gewöhnlich keine Mördergrube. Derart euphorisiert herumspringen wie nach dem Siegestreffer des überragenden Portugiesen Joao Felix in Minute 85 sieht man den Argentinier aber tatsächlich nur selten.

Blätterrauschen

Auch durch den spanischen Blätterwald rauschte so etwas wie Erleichterung – mit kritischem Unterton. Für die Marca war das Spiel "ein Drahtseilakt". Atlético und Salzburg seien "nahe am Ruhm, aber ebenso nahe am Abgrund" gewesen. "Die Energie der Salzburger war überwältigend." Für AS haben die Salzburger "Unverschämtheit und Mut" gezeigt, "die nicht zum Fußball dieses Niveaus passen. Und sie bezahlten schließlich dafür." Auch El Mundo Deportivo verpackte solcherart Kritik am Auftreten des österreichischen Meisters in Anerkennung: "Die Partie war verrückt, so wie es die Österreicher gewollt hatten. Mutig und ohne Rücksicht auf Verluste attackierten sie. Atlético spielte mit dem Feuer, diesmal aufgrund dessen, was der Gegner anbot."

Fast das Maximum

Für dessen Trainer, Jesse Marsch, hat der Gegner beinahe alles angeboten, "fast das Maximum", sagte der bald 47-jährige US-Amerikaner auch am Tag danach noch. "Wir müssen nach vor schauen, haben uns aber unglaublich präsentiert, nicht das Ergebnis, aber die Leistung war, wie wir das wollten. Wir hatten viele Chancen gegen die Mannschaft mit der besten Verteidigung in Europa, meine Enttäuschung wird geringer und geringer, mein Stolz größer und größer."

Sportdirektor Christoph Freund fand es bitter, dass der 2:1-Führung zu flott der Ausgleich der Madrider gefolgt war. "Da hatten wir das Momentum auf unserer Seite." Schließlich hätten nur Kleinigkeiten den Ausschlag gegeben. Das sei ein wichtiger Teil des Lernprozesses, den viele Spieler in der jüngsten Mannschaft der Champions League noch zu gehen hätten. "Es war eine unbezahlbare Erfahrung, aber es ist eben auch ein Ergebnissport. Das 2:3 bleibt bestehen.

Marschs Glaube

Weil dem so ist, ist das Ziel, in der Königsklasse zu überwintern, noch weiter in die Ferne gerückt. Nach dem Westderby daheim gegen die WSG Wattens am Samstag kommt am Dienstag in Bayern München der Titelverteidiger in die Red Bull Arena. Zwölf Zähler sind für Salzburg in der Gruppenphase der Champions League noch verfügbar, sagte Marsch wahrheitsgemäß. "Unsere Leistungen bisher waren größer, als es das Punktekonto jetzt noch ist, aber wir glauben, wir können es schaffen, auch gegen den besten Gegner Europas."

Patson Daka, gegen Atlético mit einer Oberschenkelverletzung ausgeschieden, könnte wie auch Maximilian Wöber weniger bedient als befürchtet sein. Gegen die Wattener wird ohnehin ordentlich rotiert – im Fall von Goalie Cican Stankovic, der beim ersten Tor Atléticos patzte, könnte sich das Rückrotieren aber auch ziehen. (Sigi Lützow, 28.10.2020)