Unmengen an Plastikmüll fallen jedes Jahr weltweit an. Nur ein kleiner Teil davon wird recycelt.

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Ästhetisch geben sie wenig her: rechteckige Blöcke aus dutzenden zusammengepressten Plastikflaschen in unterschiedlichen Farben. Für das Unternehmen Byfusion, das die Blöcke herstellt, sind sie kein Müll, sondern potenzielles neues Baumaterial. Denn die Blöcke sollen weit widerstandsfähiger, leichter, energieeffizienter und isolierender sein als Beton und in Zukunft etwa beim Bau von Lärmschutzwänden zum Einsatz kommen. Glaubt man dem Unternehmen, könnten wir künftig auch Straßen und Häuser aus Plastikmüll bauen. Aber wie realistisch ist das?

Tatsächlich experimentieren immer mehr Unternehmen und Forscherinnen und Forscher weltweit damit, wie Plastikmüll in Baumaterial verwandelt werden kann. In den vergangenen Jahren sind etwa in Indien tausende Kilometer "Plastikstraßen" entstanden, die aus winzigen, geschredderten Plastikteilen bestehen. Die Idee dahinter: Statt die Natur mit immer mehr Plastik zuzumüllen, soll dem Plastikmüll ein neuer Nutzen in der Bauwirtschaft gegeben werden. Denn die Bauindustrie gehört schon jetzt zu den größten Verbrauchern von Rohstoffen – und Plastik zu den größten Müllquellen der Welt.

Laut dem Unternehmen Byfusion, das diese Plastikblöcke herstellt, komme die Produktion ohne Kleber und Chemikalien aus.
ByFusion

Wenig Recycling

Mehr als 300 Millionen Tonnen Plastikmüll entstehen jedes Jahr weltweit. Laut der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde werden davon sieben Prozent recycelt, acht Prozent verbrannt und der große Rest auf Müllhalden deponiert. Ob in den Ozeanen, auf Bergen oder in Wäldern: Es gibt kaum einen Ort, an dem das schwer abbaubare Material nicht zu finden ist.

Dabei hat Plastik auch viele handfeste Vorteile: Es ist leicht, aber trotzdem robust, wetterbeständig, flexibel und leicht herzustellen. Und theoretisch kann jedes Plastik wieder recycelt werden, beispielsweise indem es eingeschmolzen und anschließend wieder zu einem neuen Produkt geformt wird. Allerdings hat das recycelte Plastik häufig schlechtere Eigenschaften als das ursprüngliche Plastik, weshalb es mit Zusatzstoffen und neuem Plastik gemischt wird. Weil das Plastik für die Wiederverwertung erst aufwendig getrennt werden muss, scheint das Recycling des Plastikmülls an vielen Orten im Moment noch eine aufwendige und wenig profitable Lösung zu sein.

Plastik im Asphalt

Und auch für die Bauindustrie spielt der Plastikmüll bisher kaum eine Rolle. Dabei könnte der Einsatz etwa im Straßenbau laut Experten durchaus sinnvoll sein. Studien zufolge könne der Zusatz von kleinen Plastikteilen im Asphalt Straßen langlebiger machen und den Straßenlärm reduzieren. Zusätzlich wären dadurch weniger andere Ressourcen für den Bau nötig. Allerdings warnen Umweltschutzorganisationen, dass der Plastikmüll, der in den Straßen verwendet wird, am Ende wieder in der Erde landen könnte, wenn die Straßen sich zunehmend abnutzen.

In Indien wird seit einigen Jahren versucht, Häuser, Straßen und Gehsteige aus Plastikmüll zu bauen.
BBC News

Bei Byfusion werden die Plastikflaschen mit heißem Wasser erhitzt und anschließend in feste Blöcke gepresst. Weil die Blöcke jedoch keinen extrem hohen Druck aushalten, können sie vorerst nicht wie herkömmliche Ziegel im Häuserbau eingesetzt werden. Stattdessen würden sie sich laut Unternehmen umso besser als Füllmaterial in Wänden eignen, die Lärm abschirmen oder Wärme isolieren sollen. Zudem könnten sie besonders in Erdbebengebieten zum Einsatz kommen, wo die Strukturen besonders flexibel und widerstandsfähig sein müssen.

Ein Pavillon aus Kunststoff

Auch an der Ästhetik der Plastikmüll-Baumaterialien soll gefeilt werden. Die recycelten Plastikblöcke können etwa mit einer Mischung aus neuem und recyceltem Plastik neu eingefärbt werden. Das geht so weit, dass der Plastikmüll von einigen Firmen als neues Designkonzept angepriesen wird. Wie beispielsweise vom holländischen Designbüro Conscious Designs, die Hocker, Tische und andere Innenausstattung aus Plastikmüll herstellen. In Hongkong kreierte ein Architekturbüro gar einen rot, orange und gelb leuchtenden Pavillon aus Plastikmüll, der an traditionelle Ziegelhäuser erinnern soll.

Noch sind die Baumaterialen aus Plastikmüll vor allem Prototypen oder einzelne Vorzeigeprojekte. Damit das Material in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen kann, müsste laut Experten erst einmal mehr recycelt werden, beispielsweise indem mehr Plastikmüll eingesammelt wird oder bessere Recyclingmethoden eingesetzt werden. Schon jetzt verbraucht die Bauindustrie in Europa rund 20 Prozent des jährlichen Plastiks, unter anderem für Rohre, Fensterisolation oder Möbel. Schätzungen zufolge wird der weltweite Plastikmüll eher zu- als abnehmen. Ein guter Grund laut Experten, sich zu überlegen, was mit dem Müll in Zukunft noch alles anzufangen ist. (Jakob Pallinger, 30.10.2020)