Ein Plakat, das zu einem Frauenstreik aufruft. Am sechsten Tag in Folge protestierten in Polen Tausende gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes.

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Es war nicht überraschend, aber wenn es dann wirklich eintritt, ist es nicht weniger schmerzhaft. Der sichere Schwangerschaftsabbruch könnte in den USA mit der Vereidigung der neuen Höchstrichterin Amy Coney Barrett am Dienstag fallen. Und in Polen ist man vergangenen Donnerstag noch viel weiter rückwärts gegangen: Es gibt dort praktisch kaum eine Möglichkeit mehr auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch. Nachdem selbst aufgrund einer schweren Schädigung des Fötus ein Abbruch nicht mehr erlaubt ist, bleiben nur mehr die unmittelbare Gefahr für das Leben der Mütter und Vergewaltigung sowie Inzest als Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch.

Frauen, nicht Mütter

Wobei ein solcher Spruch des polnischen Obersten Gerichts schon klar sagt: Das Leben der Frauen ist ihnen herzlich egal. Ungewollt schwanger oder der Wunsch, eine Schwangerschaft abbrechen zu wollen, gar nicht oder nicht neuerlich Mutter werden zu wollen, das passt auch der 48-jährigen Amy Coney Barrett nicht ins Weltbild. Sie kann noch so oft sagen, dass ihre persönlichen Ansichten nicht in ihre Urteile einfließen werden, wie sie wieder vor kurzem bei dem Bestätigungsverfahren im Justizausschuss wieder meinte. Das ändert nichts daran: Geht es nach erzkonservativen Katholiken und Katholikinnen, wie auch Barrett eine ist, dürfen Schwangerschaftsabbrüche nicht sein. Sie könnte in den nächsten Jahrzehnten die Gelegenheit bekommen, über das Grundsatzurteil Roe vs. Wade, das das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch sichert, neu zu entscheiden. Mit sechs anderen konservativen Höchstrichtern und Höchstrichterinnen, denen nur drei liberale gegenüberstehen. Roe vs. Wade gehört für Barrett nicht zu jenen Urteilen, die "alle akzeptiert" hätten, sagte sie bei ihrer Anhörung. Folglich wäre es ein Grundsatzurteil, das infrage gestellt werden könnte. Und natürlich würde Barrett helfen, es umzustoßen, sobald sie kann.

Glaube statt Fakten

Jene, die gegen das Recht auf einen sicheren Schwangerschaftsabbruch sind, richten sich nach ihrem Glauben, nicht nach Fakten. Sie wollen ihre Religion und die damit verbundenen Moralvorstellungen anderen als die einzig richtigen aufdrängen. Die Körper von Frauen, und letztlich ihre Sexualität, zu kontrollieren, das gehört zu diesen Moralvorstellungen. Und genau das ist der rote Faden zwischen den USA und Polen. Fakten und das Recht auf reproduktive Gesundheit werden geschwächt, wenn konservative Christen und Christinnen darüber entscheiden können.

Frauen lassen ihre Schwangerschaften abbrechen, ob dies nun legal ist oder nicht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass in allen Ländern ungeplante Schwangerschaften abgebrochen werden, auch in Ländern mit restriktiven Abtreibungsrechten. In den vergangenen dreißig Jahren ist der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche in jenen Ländern sogar gestiegen, in denen es mehr gesetzliche Beschränkungen gibt. Das wiederum könnte damit zusammenhängen, dass in Ländern mit gesetzlichen Beschränkungen zum Schwangerschaftsabbruch auch der Zugang zu einer sicheren Empfängnisverhütung schwieriger ist. Bekanntlich haben viele Katholiken und Katholikinnen auch mit Verhütungsmitteln ein Problem. Hinter der Position, Abtreibung zu verbieten oder möglichst schwer zugänglich zu machen, steckt keine rationale Überlegung, wie man Schwangerschaftsabbrüche verhindern könnte, sondern allein die Überzeugung, zu wissen, wie Frauen zu leben hätten.

Und diese Überzeugung ist noch immer so stark in der Gesellschaft verankert, dass man es hinnimmt, dass die Gesundheitsversorgung für Frauen – und nichts anderes ist ein sicherer Schwangerschaftsabbruch – einfach beschränkt wird.

Nicht einfach hinnehmen

Meri Disoski, Frauensprecherin der Grünen, hat völlig recht, wenn sie sagt, Ursula von der Leyen hätte als EU-Kommissionspräsidentin klare Worte finden müssen. Ein Abtreibungsverbot, wie es nun in Polen herrscht, darf nicht hingenommen werden. Ursula von der Leyen hätte klarmachen müssen, dass der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch in Europa als ein unumstößliches Menschenrecht angesehen wird. Im Sommer hat das von der Leyen im Zusammenhang mit einem Streit um EU-Zuschüsse und die Rechte von LGBTIQs in Polen sehr wohl getan. "Unsere Verträge stellen sicher, dass es jedem Menschen in Europa freisteht, zu sein, wer er ist, zu leben, wo er möchte, zu lieben, wen er will, und so hoch hinauszuwollen, wie er mag", schrieb von der Leyen im Juli auf Twitter. Wo ist ein ähnliches Statement für den Erhalt und Ausbau fundamentaler Frauenrechte?

Rückwärtsgang, sobald es geht

Und damit sind wir schließlich in Österreich, wo eine andere Politikerin zum Recht auf Schwangerschaftsabbrüche schweigt. Wie früher von der Leyen in der CDU, liegt auch ihre politische Heimat in einer Partei, die sich auf christliche Werte beruft. Doch Susanne Raab, ihres Zeichens Frauenministerin, findet es einmal mehr nicht nötig, auch nur mit einem Satz deutlich zu machen, dass sie klar hinter dem Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch steht. Dass es eine zentrale Basis für ein selbstbestimmtes Leben für Frauen ist, nicht gezwungen zu werden, eine Schwangerschaft auszutragen. Die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass dieses Schweigen inakzeptabel ist, weil wir gerade sehen, wohin radikal-konservative Christen und Christinnen den Kurs lenken, sobald sie die Gelegenheit dazu haben. (Beate Hausbichler, 29.10.2020)