Ohne Corona-Pandemie hätte Finanzminister Gernot Blümel heuer vermutlich ein ausgeglichenes Budget präsentieren können.

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Ohne Corona hätte sich der Finanzminister vermutlich über eine schwarze Null am Jahresende freuen dürfen. Laut dem Büro des Fiskalrats, das innerhalb der Nationalbank angesiedelt ist, wird Covid-19 aber das Budget in diesem Jahr um fast 35 Milliarden Euro belasten. 2021 soll das Minus noch gut 19 Milliarden Euro betragen, wie eine aktuelle Schätzung zeigt.

Gemessen an am Bruttosozialprodukt (BIP) ergibt das ein Defizit von 9,2 Prozent heuer und 5,8 im Jahr 2021. Insgesamt ist man beim Fiskalrat sogar eine Spur optimistischer als im Finanzministerium, wo für gewöhnlich sehr vorsichtig gerechnet wird – das sorgt rückblickend für positivere Schlagzeilen.

Die Einschätzung des Fiskalratbüros schließt neben den Ausgaben für Hilfsgelder auch die eingebrochenen Steuereinnahmen ein. Der bisher größte Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg infolge der Finanzkrise 2008 wird heuer um ein Vielfaches übertroffen: Über 13 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr kassierte der Finanzminister.

Kein zweiter Lockdown

Hinter der Prognose des Fiskalrats steht die Annahme, dass die Wirtschaft heuer nicht tiefer einknickt als bisher gedacht (–6,8 Prozent) und im kommenden Jahr ein kräftiges Wachstum von 4,4 Prozent eintritt. Sprich: Ein zweiter Lockdown, vergleichbar mit jenem im Frühjahr, würde das Bild vermasseln. Fiskalrat-Präsident Martin Kocher zeigt sich am Mittwoch relativ optimistisch, dass die Zahlen für das laufende Jahr halten. Über dem kommenden Jahr stehe jedoch ein Fragezeichen.

Wie man es dreht und wendet, die Republik sitzt in puncto Verschuldung tief in der Tinte. Im Vorjahr lag die Schuldenquote bei gut 70 Prozent, beim Fiskalrat rechnet man mit einem Anstieg auf über 86 Prozent 2021. "Wenn alles positiv verläuft, sind wir mit der Schuldenquote in zehn Jahren wieder dort, wo wir vor der Krise waren", sagt Kocher.

Das Szenario dahinter: Die Wirtschaft wächst nominell über ein Jahrzehnt durchschnittlich mit vier bis fünf Prozent, und das gesamtstaatliche Defizit beschränkt sich im Schnitt auf 1,5 Prozent des BIP. Beim nominellen Wachstum wird die Inflation nicht berücksichtigt. Im Jahr 2019 stieg das BIP demnach um 3,2 Prozent, im Jahr davor um 4,3 Prozent. Blickt man auf die letzten beiden Jahrzehnte, ist die Hoffnung auf derartige Wachstumsraten recht optimistisch. Was folgt aus diesen Zahlenspielen?

Sparen oder Steuern rauf

Der Staat muss sparen oder Steuern erhöhen, wenn er den Corona-Schuldenberg abbauen will. Immerhin betont Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) stets, dass die jetzigen Hilfspakete nur aufgrund der Sparsamkeit vergangener Jahre möglich waren. Auch Kocher gibt zu bedenken, dass es Österreich nach der Finanzkrise 2008 in etwa einem Jahrzehnt gelang, die damals empor geschnellte Verschuldung wieder auf Vorkrisenniveau zu reduzieren. Ob die Regierung nun Steuererhöhungen anpeilen muss, wollte Kocher nicht beurteilen: "Solche Überlegungen werden frühestens 2022 relevant."

Zinslast sinkt

Immerhin rechnet das Büro des Fiskalrats auch künftig mit einer geringeren Zinslast für die Republik. Schließlich laufen alte Schulden aus und werden durch neuere ersetzt, die wesentlich günstiger sind. Derzeit zahlt der Staat rund zwei Prozent Zinsen auf alle Schulden umgelegt. Das sei zwar mehr als vergleichbare Länder wie die Niederlande, Finnland oder Frankreich, allerdings laufen Österreichs Schulden im Schnitt auch viel länger, wie etwa die 100-jährige Staatsanleihe bewirkte. Sprich, für bessere Planbarkeit zahlt der Bund ein wenig extra.

Insgesamt begrüßt das Büro des Fiskalrats, dass die Regierung tief in die Tasche gegriffen hat, um gegen Arbeitslosigkeit und Pleiten vorzugehen. Ein zweiter Lockdown müsse zwar so gut es geht verhindert werden, betont Kocher, aber man dürfe nicht vergessen, dass steigende Infektionszahlen im Gleichschritt mit sinkender wirtschaftlicher Aktivität einhergehen.

Anders formuliert: Wenn die Corona-Maßnahmen das Geschäft nicht zum Erliegen bringen, ist es das grassierende Virus, das die Kunden fernhält. Da bleibt eben nur, Hilfsgelder auszuschütten und später Bilanz zu ziehen. (Leopold Stefan, 28.10.2020)