Michael Ludwig seien die Grünen, besonders Birgit Hebein, eben auf die Nerven gegangen, und die Neos kämen ihn als Partner billiger. Heißt es. Das stimmt auch, aber es ist nur ein Teil der Motivlage. Ludwig hat auch eine strategische Entscheidung getroffen. Er setzt Schritte, um die Neos als liberale bürgerliche Alternative zu den massiv nach rechts abgerückten Türkisen aufzubauen. Perspektivisch auch im Bund.

Neos-Chef Christoph Wiederkehr.
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Nun kann man sagen: Die Neos sind bereits eine liberale bürgerliche Alternative zur türkisen Truppe. Etwa bei einer humanitären und vernünftigen Integrationspolitik, aber letztlich auch in der Wirtschaftspolitik.

Der Punkt ist aber, dass die Neos seit ihrer Gründung vor acht Jahren kaum Gelegenheit hatten, in einer gewichtigen Regierungsverantwortung zu beweisen, dass sie es können. Dass man bürgerliche Politik machen kann, ohne sich in Sozialistenfresserei zu verlieren. Dass man eine Politik für den Mittelstand machen kann, ohne spendenfreudige Oligarchen zu verwöhnen. Der wachsenden Zahl an kleinen Selbstständigen das Leben leichter machen, statt "türkise Hinterzimmerpolitik bei Staatsbetrieben" zu betreiben (Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper).

Die Neos werden nie eine Großpartei. Aber sie erhalten nun durch die Regierungsbeteiligung in Wien die Chance, jenen Bürgerlichen, die allmählich an Kurz und Co zweifeln, zu zeigen, dass es anders auch geht. (Hans Rauscher, 28.10.2020)