Wer Multiplayer-Games spielt, kommt um ein Headset fast nicht herum. Es ermöglicht, mit Mitspielern in Kontakt zu bleiben, ohne sie mit dem eigenen Lautsprechersound zu belästigen. Und es schottet vom Umgebungslärm ab, um Gegner anhand ihrer Schüsse und Schritte akustisch orten kann.

Allerdings schränken verkabelte Headsets den Komfort etwas ein. Die eigene Bewegungsfreiheit vor dem Bildschirm – oder etwa für einen kurzen Weg in die Küche – ist genau so groß, wie das Kabel lang. Und oftmals kann man dieses auch als störend empfinden, wenn es an der Hand oder Kleidung streift. Probleme, die sich mit einem drahtlosen Gerät lösen lassen, wenn man dafür gewillt ist, ein paar Millisekunden Latenzzeit zu opfern und auch das regelmäßige Aufladen nicht vergisst. Auch der Accessoirehersteller Turtle Beach hat eine Reihe kabelloser Headsets im Programm. Eines der Spitzenmodelle ist das Elite Atlas Aero (ab ca. 150 Euro erhältlich). DER STANDARD hat es getestet.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Verarbeitung und Tragekomfort

Das Headset präsentiert sich in einer düster gefärbten Kombination aus Kunststoff und Metall. Die Materialien machen einen wertigen Eindruck, auch die Verarbeitung ist gut. Der elastische Bügel leistet relativ großen Widerstand. Das sorgt für einen sicheren Sitz der Hörer, könnte aber für Menschen mit größerem Kopf oder größeren Ohren aufgrund des Anpressdrucks der Ränder der Ohrpölster unangenehm werden. Die Hörer selbst lassen sich einige Zentimeter in der Länge verstellen und um rund 100 Grad drehen, um einen guten Sitz zu gewährleisten. Mit knapp 400 Gramm Gewicht fällt das Elite Atlas Aero unter die etwas schwereren Vertreter seiner Klasse.

Die Installation der Treiber unter Windows 10 verlief im Test etwas holprig. Erst im zweiten Anlauf und einem weiteren Neustart des Rechners wollte die Turtle Beach Control Studio-Software das Headset auch erkennen. Zudem muss man darauf achten, die Software nur dann zu öffnen, wenn das Headset bereits eingeschalten ist. Andernfalls und auch bei nachträglichem Einschalten hängt sie bei der Identifizierung der Treiber fest und muss beendet und neue gestartet werden. Erst wenn das Konfigurationsmenü bereits einmal geladen ist, kann das Headset beliebig ein- und ausgeschaltet werden.

Die Verbindung läuft über ein eigenes USB-Dongle mit einem 2,4 Ghz-Transceiver, der allerdings nicht auf Konsolen genutzt werden kann. Wer möchte, kann die integrierte Soundkarte des Headsets aber auch "umgehen" und es mit einem 3,5mm-Klinkenkabel anstecken. Ein solches mit einer Länge von 1,5 Metern ist beigelegt. Es verfügt auch über eine Fernbedienung (Laut, leiser, Mikrofon aus/ein). Im Lieferumfang ist weiters ein USB-zu-microUSB-Kabel zum Aufladen. Das Headset kann während des Ladevorgangs weiter verwendet werden, dafür sollte man sich allerdings ein anderes Kabel zulegen, da das beigelegte lediglich 90 Zentimeter lang ist.

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Das Oberflächenmaterial der Ohrpölster ist eine Mischung aus Kunstleder und Textil, und laut Hersteller gefüllt mit Gel. Sie bieten ein angenehmes und relativ "kühles" Tragegefühl. Aufgrund der Bauweise und trotz kleiner Belüftungsöffnungen auf der Rückseite wird aber bei normaler Zimmertemperatur dennoch nach spätestens ein bis zwei Stunden aufgrund der Wärmeentwicklung eine Pause notwendig.

Die haptischen Bedienelemente hat Turtle Beach samt und sonders am linken Hörer untergebracht. Hier gibt es am hinteren Rand neben dem Ein/Aus-Schalter auch noch eine weitere, frei konfigurierbare Taste, einen Regler für die Lautstärke und ein weiteres "Rad", das sich ebenfalls für die Steuerung verschiedener Funktionen belegen lässt. Auf der Außenseite findet sich ein Button für die Stummschaltung des Mikrofons. Dieser ist gut erreichbar, die anderen Regler allerdings sind so gelegen, dass die Handhaltung für ihre Bedienung nicht besonders komfortabel ist.

Klang und Reichweite

Der Klang des Headsets ist in der Standardeinstellung recht ausgewogen, wobei Bässe mit gebührendem Wumms wiedergegeben werden, Höhen klingen sauber und sind im Verhältnis zum Bass aus subjektiver Sicht geringfügig überbetont, was sich aber leicht anpassen lässt. Es gibt ein minimales Grundrauschen, das bei Audiowiedergabe nicht mehr auffällt. Der abgedeckte Frequenzbereich wird offiziell mit 12 Hz bis 20 kHz angegeben.

Insgesamt , sobald man eigene Anpassungen vorgenommen hat, bietet das Elite Atlas Aero ein sehr gutes Klangerlebnis, das seiner Preisklasse angemessen ist. Das gilt unabhängig vom Einsatzszenario und trifft auf Spiele, Musik und Filme gleichermaßen zu.

Hinsichtlich der Reichweite der drahtlosen Übertragung ergibt sich ein gemischtes Bild. Sound war auch über zehn Meter Luftlinie und zwei Altbauwände hindurch noch problemlos zu hören. Die Übertragungsstärke für den Mikrofonsound scheint aber nicht ganz so stark zu sein, wie jene des USB-Transceivers. Hier kommt es bereits eine dicke Wand weiter zu störenden Aussetzern, die bei anderen Chatteilnehmern wenig Freude auslösen.

Die Sprachqualität selbst ist okay und die Akustik des Mikrofons offensichtlich auf Gespräche getrimmt. Der Sound ist etwas dumpf. Man ist aber dennoch gut verständlich und bei klug gewählten Einstellungen werden auch typische Hintergrundgeräusche, etwa das Tippen auf der Tastatur, nicht übertragen. Wer gerade keinen Bedarf an Sprachchats hat, kann das Mikrofon auch abnehmen.

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Software

Das Turtle Beach Control Studio ist nicht die schönste Konfigurationssoftware, aber ausreichend zweckmäßig gestaltet. Hier findet man die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten, beginnend mit Equalizern, die sich neben vordefinierten Einstellungen für Chat, Mikrofon und Spiele auch einzeln anpassen und in Profile speichern lassen. Es gibt gleich zwei Varianten für Raumklang und zwar in Form des "Game Spatializers" und einen 3D-Soundmodus, der vom Unternehmen Waves entwickelt wurde.

Erstere Option sorgt für generell "reichhaltigeren" Klang, der zweite Modus bringt dafür ein deutlich immersiveres Erlebnis, kann sich aber negativ auf die Ortungsgenauigkeit auswirken, wenn eine Spiel bereits eine eigene Implementation für positionsbasierte Sounds mitbringt. Mit der Eingabe der Kopfmaße soll sich das Soundprofil weiter anpassen lassen, subjektiv änderte sich durch das Eingeben verschiedener Werte allerdings kaum etwas.

Weiters kann man die Lautstärke von Voicechat zusätzlich erhöhen, was recht zuverlässig klappt. Praktischerweise ist das Headset ab Werk so konfiguriert, dass man auch sich selbst in Echtzeit sprechen hört, was die Eigenwahrnehmung in Gesprächen verbessert. Wer mag, kann dies natürlich auch ausschalten. Sehr praktisch ist auch ein "Noise Gate", mit dem man festlegen kann, ab welchem Lautstärkelevel Eingaben vom eigenen Mikrofon übertragen werden. Das erspart etwa Nutzern verschiedener Voicechat-Tools, dies für jede Software separat zu konfigurieren.

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Elf Funktionen können auch über eine beliebige Taste bzw. eine Tastenkombination am Keyboard angesteuert werden. Auch hier kann man, wenn man will, verschiedene Profile anlegen.

Kontrovers ist das "Superhuman Hearing"-Feature. Dieses richtet sich speziell an Shooter-Spieler und verstärkt wahlweise entweder das Geräusch von Schüssen oder Schritten, während anderer Sound reduziert wird. Derlei Hilfstätigkeiten werden mitunter als Cheating eingestuft und einige Games erlauben ihre Verwendung nicht. Wer ein schönes Klangerlebnis bevorzugt, sollte davon aber ohnehin keinen Gebrauch machen, denn diese Filterfunktion schlägt sich sehr deutlich auf die Qualität des Ingame-Sounds und anderer Klänge nieder.

Akkulaufzeit

Der Hersteller gibt eine Akkulaufzeit von 30 Stunden an, die im Test so nicht bestätigt werden konnte. Ist das Headset einen Tag lang einmal nicht an eine Stromquelle angehängt, so lieferte es nach wenigen Stunden Verwendung ein "Alarmpfeifen", das auf die drohende Abschaltung hinwies, selbst wenn es dazwischen kaum oder gar nicht genutzt wurde.

Hierbei handelt es sich aber offenbar um einen Defekt des Testmusters. Denn in anderen Rezensionen wird die Akkuleistung des Headsets stets gelobt. RTings etwa erreichte eine Laufzeit von 30,1 Stunden und gibt die Ladezeit mit 2,4 Stunden an. Gesagt werden kann, dass mit einer vollen Aufladung auch eine achtstündige Spielesession ohne Akkuwarnung möglich war. Eine abschließende Bewertung dieses Aspekts ist in dieser Rezension allerdings nicht auf seriöser Basis möglich.

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Fazit

Klanglich bietet das Turtle Beach Elite Atlas Aero ein sehr gutes Bild. Wer mit gutem Sound spielen, Musik hören oder Filme ansehen will, wird hier fündig. Hinzu kommt passable Sprachqualität. Der Tragekomfort ist ebenfalls hoch, zumindest sofern man keinen überdurchschnittlich großen Kopf hat. Positiv zu erwähnen sind auch die gute Verarbeitung und die große Zahl an Anpassungsmöglichkeiten für den Klang.

Dem entgegen steht die dicht gedrängte und nicht besonders bequem zu erreichende Anordnung an haptischen Bedienelementen nebst abnutzungsanfälligen microUSB-Port statt USB-C. Und während die Übertragung der Sounds des Rechners über eine recht große Distanz funktioniert, stockt die Übermittlung des Mikrofons bereits nach einigen Metern, wenn eine dickere Wand dazwischen liegt.

In Summe ergibt sich daraus ein starkes Gesamtpaket mit punktuellen Schwächen, dies vor einem Kauf abzuwägen gilt. (Georg Pichler, 1.11.2020)