Die Corona-Daten, die Grundlage für die Krisenarbeit von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Co, sorgen zeitweise mehr für Verwirrung als für Klarheit.

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Am Mittwoch verzeichnet Österreich 3394 Neuinfektionen – Stand 9.30 Uhr, Quelle: Innenministerium. Insgesamt gebe es damit seit Ausbruch der Pandemie 89.496 positive Testergebnisse in Österreich. Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums ist zeitgleich zu lesen, dass es mit Mittwoch, 8 Uhr, 90.658 bestätigte Corona-Fälle in Österreich gibt. Am frühen Nachmittag zeigt das Dashboard der Ages: 1114 neue Covid-Kranke, Stand Mittwoch. Man fragt sich: Wo ist da der Hund drin?

Klemens Himpele, der ehemalige Chefstatistiker der Stadt Wien, kennt die Probleme mit Daten, die schnell vorliegen müssen. Sie sind oft nicht präzise. Bei den Corona-Zahlen komme es einerseits zu Doppelmeldungen, die erst bereinigt werden müssen. Wird eine Zahl später ausgegeben als die andere, können auch schon neue Fälle hinzugekommen sein.

Das Problem sei aber weniger die Datenlage, sagt Himpele, denn gewisse Unschärfen ließen sich kaum vermeiden. Das Problem sei "die Vielstimmigkeit in der Kommunikation", wie er es nennt. Geht es nach ihm, sollte es nur eine Stelle geben, die Corona-Daten veröffentlicht. In Deutschland ist das der Fall: Dort macht das Robert-Koch-Institut die Fallzahlen publik.

Abseits der Unklarheiten im Verlauf eines Tages stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Was sagen diese Zahlen überhaupt aus?

Tageswerte und Tote

Experten sind sich im Grunde einig: Corona-Tageswerte sind wenig aussagekräftig. Es könne immer Ausreißer geben. "Das Virus ist in der Bevölkerung ja nicht gleich verteilt", sagt Himpele. Es komme einfach vor, dass an einem Tag mehr Positive erwischt werden – zufällig. Er wie auch der Statistiker Erich Neuwirth sagen: Mehr Information beinhaltet eine Sieben-Tage-Inzidenz – gerechnet auf 100.000 Einwohner. Heißt: der Durchschnitt einer Woche in Relation zur Bevölkerung.

Dieser Wert ist auch deshalb sinnvoller, weil es nach den Wochenenden zu einem "Rückstau" kommt: Samstag und Sonntag melden die Labore weniger Testergebnisse ein. Es gibt also eine Verschiebung – die Fälle werden zu Wochenbeginn aufgearbeitet.

Fest steht auch: Für Fallzahlen ist immer relevant, wie viel getestet wird. Oder wie es Himpele formuliert: "Wer kein Fieber misst, wird keines finden." Das ist vor allem dann wichtig, wenn man die sogenannte zweite Welle mit der ersten im Frühjahr vergleicht. Denn damals wurde noch deutlich weniger getestet.

Drei Kenngrößen für Vergleiche

Neuwirth zieht für Vergleiche mit März und April deshalb drei andere Kenngrößen vor: die Hospitalisierungen, die Auslastung der Intensivbetten und die Toten. Hier zeigt sich: Derzeit sind mehr Menschen wegen Corona in einem Spital als je zuvor seit Ausbruch der Pandemie. Die Intensivstationen sind allerdings noch nicht so stark belegt wie Anfang April. Auch sterben derzeit weniger Österreicherinnen und Österreicher an Covid-19 als auf dem Höhepunkt der ersten Welle.

Beruhigend sei das nicht, sagt Neuwirth: "Jetzt steigen die Fallzahlen, die Zahl der Intensivpatienten und Toten hinkt da logischerweise etwas hinterher."

Auffallend sei derzeit auch, dass die Quote der positiven Tests zunimmt. In Oberösterreich seien derzeit etwa nahezu 20 Prozent aller Tests positiv. Die WHO sagt: Sind mehr als fünf Prozent der Tests positiv, wird zu wenig getestet. In Wien liegt die Positivrate bei rund zehn Prozent. (Katharina Mittelstaedt, Jan Michael Marchart, 29.10.2020)