Matthias Krejan (links) und seine famos rockende und rollende steirische Musikkapelle Rote Augen über deutsche Texte: "Mit Deutsch geht es mir gut, weil ich das erste Mal meine eigenen Texte verstehe. Spaß."

Foto: Rote Augen

Wenn es denn heute einen definitiven Namen für eine Rockband gibt, dann diesen: Rote Augen! Die Grazer Band um Matthias Krejan führt auf dem Debütalbum Augenlieder exemplarisch vor, wie es zu klingen hat, wenn sich einige nicht mehr ganz junge, also mit Vergangenheit ausgestattete Herren daran machen, Rock ’n’ Roll so zu spielen, wie es sich gehört: Die Faust passt aufs Auge, aber mit Schmäh. Man hat ja schon einige Zeit gelebt und weiß, wo man Meter gewinnen kann, und wo man nur sinnlos auf den Busch klopft.

Wir denken bei roten Augen übrigens nicht an Reizungen wegen zu langer Bildschirmarbeit. Auch saisonale Allergien oder falsch eingesetzte Kontaktlinsen spielen keine Rolle. Wir sprechen von zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol und Zigarettenrauch. Dazu kommt eine Lautstärke, die einen terisch, aber glücklich macht.

Jugend verschwenden

Rock ’n’ Roll ist keine Kinderjause. Er gilt zwar aktuell als eine sich bestuhlt und mit Maske und Mindestabstand totstellende historische Unvernunft. Mit der hat man früher frohen Mutes seine Jugend verschwendet. Wenn man sich die Augenlieder allerdings daheim auf der Stereoanlage gut laut anhört, weiß man schon nach sehr kurzer Zeit, dass baldigst ein Impfstoff hermuss. Wir wollen die rohe, wilde und dreckige Livemusik zurück!

Matthias Krejan bespielt mit den Roten Augen ein weites Feld mit Schwerpunkt Retrorock in dessen Garagenzeit während der Sechzigerjahre. Dazu kommen psychedelische Elemente oder klassischer Britpop aus der Schule der Beatles. Weil die Zeit aber nicht immer nur früher stehen bleiben darf, gesellen sich dazu modernere Einflüsse – immerhin ist Matthias Krejan 37 und droht sonst von Retro auf Vintage überzugehen.

Rote AUGEN

Knackiger und funkiger 1980er-Jahre Rock ist vom bekennenden INXS-Fan Krejan etwa in den Songs Das junge Mädchen oder Bitte schlaf mein Baby ebenso zu hören, wie in Marrakesch die Tonbänder rückwärts abgespielt werden und eine Sitar nach lustigen Zigaretten fragt.

Krejan ist im bürgerlichen Leben als Lehrer in Graz tätig. Er unterrichtet Religion, Philosophie und Psychologie, trainiert eine Schulband und braucht dank eines Babys derzeit keinen Wecker, aber etwas mehr Schlaf. Der Mann kennt sich also mit den Grundlagen des Rock ’n’ Roll als Weltanschauung bestens aus und besitzt dazu noch das didaktische Rüstzeug. Dazu kommt eine langjährige Spielpraxis in Bands wie den wüsten Retrorockern The Incredible Staggers und dem nicht ganz so wilden The Sado Maso Guitar Club.

Krejan: "Beides ruht. Wir spielen noch, wenn wir Lust haben, arbeiten aber an nichts Neuem. Gewisse Egomanien haben alles zum Scheitern gebracht. Daher auch die neue Band, weil bei den alten die Luft draußen war."

Die Willensstärke, mit Ende 30 noch einmal eine neue Band zu gründen, darf nicht unterschätzt werden. Verstärker schleppen, Veranstalter nerven, auf die Werbetrommel hauen. Bloß in Kleinbusse können sich die Musiker derzeit aus den bekannten Gründen nicht zwängen, um zu Konzerten zu tuckern, die sich zu sechst selten rechnen. Warum, um Gottes willen, sechs Musiker?

Rote Augen - Topic

"Ich hab immer gesagt, wenn ich eine neue Band gründe, dann ein Trio", so der Musiker. "Ein Trio ist die beste Besetzung. Leider ist es wieder zweimal ein Trio geworden. Wir singen dreistimmig, also brauch ich drei Leute, die singen können, für den Sound einen, der Keyboards spielt – und mehr Gitarren!"

Eigene Texte verstehen

Und weiter: "Ehrlich gesagt, ich bin auch zu feige für eine minimalistische Besetzung. Ich würde gerne, aber ich trau mich nicht, das ist die Wahrheit. Meinen Bruder, der schon beim Sadomaso Guitar Club gespielt hat, musste ich übrigens zum Mitspielen überreden. Er wollte nicht wieder mit den gleichen Leuten von vorne anfangen, noch dazu mit deutschen Texten."

Warum nach all den Jahren Englisch nun also deutsche Texte?

Der Sänger dazu: "Es gab keinen Plan dahinter, wir wollten keine neuen Wanda oder Bilderbuch werden. Es ist einfach passiert. Mit Deutsch geht es mir gut, weil ich das erste Mal meine eigenen Texte verstehe. Spaß."

Rote Augen, "Augenlieder" (Nette Alte Dame Records / Hoanzl)

(Christian Schachinger, 29.10.2020)