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Von 2009 bis 2017 als Präsidentenduo nicht nur beruflich, sondern auch freundschaftlich eng verbunden: Barack Obama und Joe Biden.
Foto: REUTERS/Jonathan Ernst/File Photo

Lange war es recht still gewesen um Barack Obama: Der Ex-Präsident hielt sich – den jahrzehntelangen Gepflogenheiten des Washingtoner Politikbetriebes entsprechend – sehr, sehr, sehr zurück mit Kommentaren zur aktuellen Politik des aktuellen Präsidenten. Doch seit einigen Wochen hat Obama jede Scheu und vornehme Zurückhaltung abgelegt und zieht eloquent wie eh und je für den demokratischen Kandidaten Joe Biden in den Wahlkampf. Dabei hat er schon so manche undiplomatische Breitseite gegen Amtsinhaber Donald Trump abgefeuert. Vor einer Woche etwa warf er seinem Nachfolger "Inkompetenz", "Falschinformationen" und "Planlosigkeit" bei der Bewältigung der Corona-Pandemie vor. Und das war erst der Beginn einer langen Rede.

Der in den USA nach wie vor sehr populäre Ex-Präsident – na gut, nicht unbedingt bei der loyalen Trump-Basis – wird am Samstag gemeinsam mit seinem "Best Buddy" Joe Biden auf die Bühne gehen und noch ein letztes Mal versuchen, die demokratischen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Motto: die Warnung vor Selbstsicherheit und Faulheit. Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden liegt zwar in allen namhaften Umfragen landesweit deutlich vorne – aber das war schon bei Hillary Clinton so gewesen. Und wir alle können uns gut erinnern, was dann passiert ist. Eben. Also: Wählen gehen! Nicht darauf hoffen oder sich gar darauf verlassen, dass schon alles gutgehen wird.

Heiß umkämpfte Swing States

Ihren gemeinsamen Auftritt werden Biden und Obama im Bundesstaat Michigan absolvieren. Seit den 1990er-Jahren eigentlich eine Hochburg der Demokraten, kippte 2016 dort die Stimmung, und der republikanische Quereinsteiger Trump siegte dort mit Heilsversprechungen nach alter Größe und Glorie. 2020 führt zwar Biden deutlich in den Umfragen, doch als sichere Bank kann der Demokrat diesen Staat, wo es 16 Wahlmännerstimmen zu holen gibt (270 sind für den finalen Wahlsieg vonnöten), noch nicht abhaken.

Noch knapper ist die Lage in Swing States wie Florida (29 Wahlmänner und -frauen), Ohio (18), Georgia (16) und North Carolina (15). Aber auch Wisconsin (10), wo im Sommer die Antirassismusproteste nach der Tötung von George Floyd ihren Ausgang nahmen, wackelt noch trotz leichter Tendenzen pro Biden. Trump sollte sich hingegen Sorgen um Texas (38) machen, das tendenziell zwar auf seiner Seite steht, im aktuellen Umfragenschnitt liegt aber Biden mit 46,2 Prozent nur einen Punkt hinter dem Republikaner, der auf 47,2 Prozent kommt. Das liegt eindeutig innerhalb der Fehlermarge bei Umfragen.

Nigel Farage empfindet Bewunderung für "mutigen" Donald Trump (Archivfoto Februar 2020).
Foto: EPA/ERIK S. LESSER

Hier Nigel Farage, dort Alicia Keys

Nur logisch, dass sich auch Trump nicht ausruht. Und auch er holt Schützenhilfe – sogar aus dem Ausland: den Gottseibeiuns der britischen Politszene, Nigel Farage. Der Hardcore-Brexiteer, der jahrelang die Abspaltung Großbritanniens von der EU betrieben hatte, bezeichnete Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Arizona (elf Wahlmänner, Umfragen tendieren pro Biden) als "zäheste und mutigste Person, die ich je in meinem Leben getroffen habe". Na ja, den eigenen Leuten wird's gefallen haben – so wie das Obama-Lager über dessen Anti-Trump-Sager jubelt.

Apropos Arizona: Dort feuerte R-&-B-Star Alicia Keys zu den Klängen ihres Hits "Girl on Fire" den Demokraten Biden und seine Stellvertreterin Kamala Harris an. "Freude ist eine Form des Widerstands", sagte die Sängerin und rief zum Wählen auf. Mit Freude sollte man für Veränderung kämpfen, meinte die Grammy-Preisträgerin. Applaus garantiert.

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R-&-B-Star Alicia Keys "brennt" für Joe Biden und Kamala Harris.
Foto: Matt Sayles/Invision/AP

Ein Anonymus gibt sich zu erkennen

In den europäischen Nachtstunden zum heutigen Donnerstag wurde außerdem ein Geheimnis gelüftet: Vor rund zwei Jahren berichtete die "New York Times" von einem Insider, einem Whistleblower aus dem innersten Kreis der Macht im Weißen Haus. Dieser Anonymus, der sehr kritisch über Chaos, Lügen und Intrigen im Umfeld von Trump berichtet hatte, hat sich selbst zu erkennen gegeben. Es ist ein früherer Stabschef im Heimatschutzministerium, Miles Taylor. Also nicht wirklich der ganz innere Kreis der Macht, aber immerhin.

Taylor hatte sich damals als Teil des "Widerstandes" gegen Trump beschrieben und dem Präsidenten unter anderem "antidemokratische Impulse" und unberechenbares Verhalten vorgeworfen. Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany bezeichnete Taylor nach Bekanntwerden der Personalie natürlich sofort als "ineffizient und inkompetent" in seinem Job, weswegen er schnell entlassen worden sei.

Taylor beteuerte, ein Republikaner zu sein, "und ich wollte, dass dieser Präsident Erfolg hat". Tatsächlich aber habe der Präsident immer wieder bewiesen, dass er "ein Mann ohne Charakter" sei.

Für die treue Trump-Basis ist Taylor ein Verräter unter vielen. Für Republikaner aber, die sich zwar zu ihrer Parteifarbe (Rot) bekennen, ihre Werte aber nicht in Trump repräsentiert sehen, könnte Taylor ein Vorbild sein – so wie sich in den vergangenen Wochen schon dutzende Parteipromis vom Präsidenten abgewandt haben. Stellt sich nur die Frage: Warum erst jetzt?

Hillary Clinton als Wahlfrau

Hillary Clinton, die Verliererin der US-Präsidentschaftswahl 2016, gehört nach eigenen Angaben dem Wahlkollegium an, das den diesjährigen Sieger wählen wird. Sie trete als Wahlfrau für den Staat New York an, sagte Clinton am Mittwoch dem Radiosender Sirius XM.

In den USA wird der Präsident nicht direkt durch die Bürger gewählt, sondern durch die Mitglieder des sogenannten Electoral College. Der Staat New York stellt 29 der insgesamt 538 Wahlleute. Für den Einzug ins Weiße Haus braucht ein US-Präsidentschaftskandidat mindestens 270 Stimmen.

In der Sendung "Signal Boost" zeigte sich Clinton zuversichtlich, dass sie ihre Stimme dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und seiner Vize-Bewerberin Kamala Harris geben kann. Sie glaube nicht, dass Amtsinhaber Donald Trump die Wahl am 3. November gewinnen werde. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nach dem Schaden, den er angerichtet hat, wiedergewählt wird, und ich kann mir keine weiteren vier Jahre dieses Missbrauchs und dieser Zerstörung vorstellen."

Endergebnis? Bitte warten ...

Das Oberste Gericht der USA lässt übrigens in zwei wichtigen US-Staaten per Post abgeschickte Stimmzettel zählen, die nach dem Wahltermin am 3. November eintreffen. In Pennsylvania sollen die Briefwahlunterlagen noch gelten, wenn sie bis zu drei Tage später eintreffen. In North Carolina sind es sogar neun Tage. Das Oberste Gericht ließ diese Entscheidung in Kraft. Trump fordert, dass nur bis zum 3. November zugestellte Stimmzettel gezählt werden, und will nötigenfalls auch klagen. Stellen wir uns also darauf ein, dass das Wahlergebnis womöglich erst Wochen nach der Wahl fixiert sein wird. (Gianluca Wallisch, 29.10.2020)