Mit Kränkungen im Job umgehen zu können, gehört zu einer der wichtigsten Eigenschaft im Berufsleben.

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Eine Reibungsfläche im Beruf ist wohl kaum jemandem unbekannt: Kränkungen. In unterschiedlichen Variationen beeinträchtigen sie die Zusammenarbeit oder vergiften gar das Klima am Arbeitsplatz. Sehr oft gar nicht einmal aus der Absicht heraus zu kränken. In der Situation einfach nur mal so dahingesagt, kann das berühmte unüberlegte Wort eine beträchtliche Verstimmung auslösen. Beileibe nicht selten werden aber auch die Wortpfeile ganz bewusst mit der Absicht zu kränken abgefeuert. Gern auch verstärkend mit körpersprachlicher Untermalung. Bei zwischenmenschlichen Misshelligkeiten oder persönlichen Rivalitäten ist die gezielte Kränkung eine beliebte Waffe. Und recht häufig ist eine kränkende Bemerkung oder Geste auch ungeschickter Ausdruck einer selbst erlittenen Frustration. Man macht sich "Luft". Andere bekommen dann etwas ab, was sie gar nicht zu verantworten haben.

Gerade wer mit Kundinnen und Kunden Umgang hat, muss sich heute so manches anhören, was sich nicht mit dem Wort "feinfühlig" beschreiben und gar nicht so einfach wegstecken lässt. Beileibe nicht nur in diesem Bereich sind Kränkungen beinahe zu einem Alltagsphänomen geworden, dem sich niemand vollständig entziehen kann. Gerade diese Erfahrungen sollten unbedingt für das eigene Verhalten sensibilisieren. Frustgefühle an anderen auszulassen, generell impulsiv etwas als kränkend Empfundenes mit einer verletzenden Retourkutsche zu quittieren oder gezielt Kränkungen ins trumentell zu eigennützigen Zwecken einzusetzen, das kann schnell in eine Ärgerspirale mit unliebsamen Folgen hineinführen oder zu einem unvorhergesehenen Bumerang werden. Zunge, Mimik und Gestik in der Reaktion auf eine Kränkung unter Kontrolle zu haben spricht für Lebensklugheit und erspart viel weiteres Ungemach. Brodelnde Gefühle sind selten gute Ratgeber.

Verletzter Selbstwert

Doch dieses Wissen, das in allen überlieferten Lebensweisheiten seinen Ausdruck findet, verhaltensleitend zu machen, gelingt nicht immer auf Anhieb. Warum? "Weil wir eine Kränkung als Verletzung unseres Selbstwerts empfinden", erklärt Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki aus München. "Dann sind wir getroffen und folglich betroffen. Beispielsweise tritt dieses Empfinden ein, wird unsere Arbeit nicht wertgeschätzt und oder abwertend kommentiert; bleibt ein erwartetes Lob für eine aus unserer Sicht lobenswerte Leistung aus; werden wir gezielt bloßgestellt oder kommt uns zu Ohren, man redet hinter unserem Rücken schlecht über uns; merken wir, wir werden ganz bewusst ausgegrenzt oder anderen gegenüber erkennbar benachteiligt." Das werde dann als Ohrfeige für die Seele empfunden. Wardetzki hat ihr Buch über das Thema ganz bewusst so genannt, um auf das Schmerzhafte aufmerksam zu machen, das mit einer Kränkung verbunden ist.

Auch mal was überhören

Wenn es nun aber ratsam ist, sich nicht auf der Stelle die empfundene Kränkung anmerken zu lassen oder sich gar flugs dafür zu revanchieren, wie dann mit so einer Ohrfeige für die Seele umgehen? Alter kann bekanntlich gelassener und weitsichtiger machen. Und so rät der altgediente, in Theologie sowie Psychologie und Soziologie promovierte Wiener Psychoanalytiker Alfred Kirchmayr: "Manches muss man ganz einfach überhören, einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Aufschäumend unmittelbar auf alles und jedes zu reagieren, damit stellt man sich ganz schnell selbst ein Bein. Gehört es nicht mit zum Dümmsten, was man im Leben machen kann, sich sozusagen freiwillig selbst zu schädigen?" Und ein häufig nicht bedachter Aspekt dieser Selbstschädigung sei eine Rufschädigung. Im Ruf zu stehen, eine Mimose zu sein, sofort wie angepikt auf jede Kleinigkeit zu reagieren, zeichne in den Augen der anderen rasch das Bild: Die oder der ist schrecklich heikel und kompliziert im Umgang und ausgeprägt übelnehmerisch. So eingeschätzt und gesehen zu werden, das sei doch wohl ein persönliches Haustürschild, das sich ernsthaft keiner wünschen könne. So lasse sich das eigene Ansehen wie die eigene Anziehungskraft ganz schnell ganz wirkungsvoll in den Keller fahren.

Wer sich das Miteinander nicht selber unnötig erschweren will, sollte also tunlichst darauf bedacht sein, dass andere den Umgang mit der eigenen Person nicht als permanenten Eiertanz empfinden. Fangen die Leute erst mal an, den Kontakt wo immer möglich zu vermeiden, bedarf es gewaltiger Anstrengungen, diese Ablehnung wieder in eine Wertschätzung zu verwandeln. Natürlich weiß Kirchmayr, wie sehr unsere Zeit des Umbruchs in vieler Hinsicht an den Nerven zerrt und verunsichert. "Einerseits führt das schnell auf das Glatteis unbedachten Verhaltens, andererseits aber macht das auch viel, viel kränkungsempfindlicher. Jede Form von psychischer Belastung beeinträchtigt das Verhalten, auf der Aktionsseite wie auf der Reaktionsseite. Und das begünstigt Grenzüberschreitung im Zwischenmenschlichen von der einen wie von der anderen Seite."

Ein bisschen Humor, bitte

Je klarer man sich das bewusstmache beziehungsweise sich darüber im Klaren sei, desto förderlicher wirke sich das auf das eigene Verhalten und darüber auch auf das persönliche Gesamtempfinden aus. "Der Mensch fühlt sich sicherer und wohler in der eigenen Haut, spürt er das Gefühl in sich stärker werden, so schnell bringen mich Turbulenzen um mich herum nicht mehr aus dem Gleichgewicht. Und interessanterweise stellt sich über diese Beruhigung der eigenen Innenwelt auch eine dickere Haut im Umgang mit der Außenwelt ein. Der Mensch denkt und agiert besonnener, entdeckt vielleicht auch die selbstschützende Wirkung humorvollen Reagierens. Besonnenheit und Humor rücken die Dinge meist viel unkomplizierter wieder zurecht oder in ein anderes Licht als das selbstschädigende beleidigte Zurückschnappen und Auftrumpfen. Im Begreifen dieser Zusammenhänge beginnt ein sich selbst verstärkender Prozess innerer Festigung zu laufen, der mich als Analytiker immer wieder berührt."

Die Reaktion auf Kränkungen, sagt Bärbel Wardetzki, "offenbart viel von der eigenen Person. Wer von einem positiven Selbstwertgefühl getragen wird und in sich ruht, zeigt das durch souveräne Reaktionsweisen auf beabsichtigte oder unbeabsichtigte Brüskierungen."

Wer weniger von diesem inneren Halt gestützt und geführt und folglich in der Grundtendenz in sich unsicher sei, fühle sich ständig provoziert. Diese innere Unsicherheit zeige sich dann nach außen in wenig souveränen Auftritts- und Reaktionsweisen. Das beschädige immer die eigene Position und das eigene Ansehen. Wer situative Überlegt- und Überlegenheit an den Tag lege, demonstriere damit zugleich, psychisch-mental belastbar zu sein. Und diese Form der Belastbarkeit dürfte sich künftig als außerordentlich hilfreich erweisen.