In Wien und bei Wienern ist der Zentralfriedhof Kult. Aber auch bei Touristen steht er mittlerweile immer öfter auf der Liste jener Orte, die man gesehen haben muss. Zu Recht, denn hier ruht das Who-is-who der Republik. Hier kann man endlos lange flanieren und sinnieren. Nirgendwo ist der Tod so einladend und voller Geschichten wie im Südosten Wiens an der Simmeringer Hauptstraße.

Ehrengräber nur auf dem Zentralfriedhof

Wenn dem Wiener der Wunsch nach einer schönen Leich, also das Begräbnis, nachgesagt wird, so wäre da noch eine postmortale Steigerungsstufe: das Ehrengrab. Dafür gibt es am 1874 eröffneten Zentralfriedhof mit seinen rund 300.000 Gräbern auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern, damit ist er der zweitgrößte Friedhof Europas – der größte ist in Ohlsdorf bei Hamburg –, eigene Bereiche. Die mittlerweile rund 1.000 Ehrengräber haben kein Ablaufdatum, sprich, das Benützungsrecht besteht auf Friedhofsdauer. Die Verwaltung inklusive Grabpflege liegt in Händen der Kulturabteilung (MA 7) der Stadt Wien. Geologisch betrachtet liegen die Ehrengräber im Löss, also eiszeitlichem Staub. Dass da oder dort auch Reste von Mammuts auftauchen könn(t)en, ist also nicht ausgeschlossen. Wer bei den Sterbedaten auf den Ehrengräbern ein Datum vor 1874 findet, weiß: Diese Person war vorher auf einem anderen Friedhof begraben.

Ehrengräber gibt es nur auf dem Zentralfriedhof in Wien.
Foto: Thomas Hofmann

Friedrich Mohs: Dreimal bestattet

Der Mineraloge Friedrich Mohs (1773–1839) ist durch seine zehnstufige Härteskala (Talk = eins, Diamant = zehn) bekannt. Der gebürtige Deutsche aus Gernrode in Sachsen-Anhalt kam 1802 nach Wien, ging dann nach Graz, ehe er 1826 Professor der Mineralogie an der Universität Wien wurde. Als er am 29. September 1839 an Dysenterie, einer Darminfektion (Ruhr), in Agordo in Venetien starb, wurde er als Protestant außerhalb des dortigen katholischen Friedhofs begraben. Für seine Schüler war das keine würdige Grabesstätte. Sie setzten alles daran, ihren Lehrer nach Wien heimzuholen. 1865 bildete sich ein Komitee, dem der Geologe und Paläontologe Moriz Hörnes, der Mineraloge und Verfasser des Köchelverzeichnisses Ludwig Ritter von Köchel und Wilhelm von Haidinger, Direktor der k. k. Geologischen Reichsanstalt, ebenfalls ein Mineraloge, angehörten. Ziel war, Mohs' Leichnam nach Wien zu holen und ihm ein würdevolles Grabmal zu errichten. Als Platz war der "protestantische Friedhof nächst der Matzleinsdorfer Linie" (Matzleinsdorfer Friedhof in Wien-Favoriten) vorgesehen.

Am 10. März 1866 erfolgte die "definitive" Bestattung in Wien, nachdem der Leichnam zuvor mit der Bahn von "Conegliano bis Wien ohne Entgelt" überführt worden war. Diese Details stammen aus dem ausführlichen Bericht von Hörnes und Köchel aus dem Jahr 1866. Lesenswert sind auch die Beiträge der Spender, die insgesamt 3.622 Gulden zusammentrugen. Mit dem Betrag wurde nicht nur das Grabmal aus blaugrauem Mauthausener Granit samt Inschrift und Fundament (1.560 Gulden) finanziert, sondern auch Partezettel (30 Gulden).

Der Entwurf des Mohsgrabes für den Matzleinsdorfer Friedhof und selbiges auf dem Zentralfriedhof.
Foto: GBA / Hofmann

"Der Schädel war mit Humus bedeckt ..."

Als sich die Möglichkeit von Ehrengräbern auf dem Wiener Zentralfriedhof bot, wollte man auch Mohs hier bestattet wissen. Einige verdiente Männer, darunter Staatsrat Adolf Freiherr von Braun, der Sekretär des wissenschaftlichen Klubs, Felix Karrer, sowie die Wiener Mineralogen Albrecht Schrauf und Gustav Tschermak nahmen sich der Sache an. Bei der nunmehr zweiten Exhumierung wurde Mohs’ Leichnam auch wissenschaftlich untersucht. Details im "Neuen Wiener Tagblatt" vom 29. November 1888: "Der Schädel war mit Humus bedeckt und hatte eine braune Farbe angenommen, einzelne Knochenreste lagen im Sarge zerstreut, während der Rock, mit dem die Leiche bekleidet war, keine besonderen Spuren der Verwüstung zeigte." Der Anatom Carl Toldt und der Anthropologe Augustin Weisbach vermaßen für wissenschaftliche Zwecke den Schädel von Mohs, ehe er am Zentralfriedhof, nunmehr zum dritten Mal, bestattet wurde (Gruppe 32A).

Wilhelm von Haidinger: Von Dornbach zur Gruppe 0 in Simmering

Der oben erwähnte Haidinger, Gründungsdirektor der k. k. Geologischen Reichsanstalt (1849), wurde 1865 zum Erbritter als Ritter von Haidinger geschlagen, ehe er 1866 in Pension ging. Er verstarb am 19. März 1871 in Dornbach (Hernals) in Wien und wurde auch auf dem dortigen Friedhof begraben. Auch er sollte ein Ehrengrab bekommen, wie Emil Tietze, der fünfte Direktor nach ihm, festhielt: "Nachdem einmal die Einrichtung der Ehrengräber auf dem Centralfriedhofe geschaffen worden war, konnte es keinem Zweifel unterliegen, dass den Ueberresten eines Gelehrten, wie Haidinger, ein Platz unter jenen Gräbern gebühre."

Gesagt getan: Am 24. Mai 1892 waren nicht nur Tietze, sondern die ganze Kollegenschaft der Reichsanstalt an der Mauer längs der Simmeringer Hauptstraße, wo sich die Ehrengräber der Gruppe 0 befinden, vereint. Hier liegt er neben dem Dichter Johann Nepomuk Vogel und dem Maler Johann Baptist, Reichsritter von Lampi. Interessant ist die Inschrift auf Haidingers Grabstein, "Begründer des naturwissenschaftlichen Lebens in seinem Vaterlande", die ihn als Pionier ausweist. Haidinger war 1847 auch unter den Gründungsmitgliedern der Akademie der Wissenschaften. Sein Name findet sich seit 1874 in der Haidingergasse wieder, zuvor war schon Mohs 1865 in Wien-Landstraße durch die Mohsgasse geehrt worden.

Wilhelm v. Haidingers Grab zwischen dem des Dichters Vogel und des Malers Lampi.
Foto: thomas

Ida Pfeiffer: Von St. Marx nach Simmering

Freilich gilt Ida Pfeiffer (1798–1858) nicht als Wissenschafterin im engeren Sinne, sondern "nur" als Weltreisende beziehungsweise Reiseschriftstellerin, wobei sie hier eine Pionierin war. 1842 machte sie ihre erste Reise nach Palästina und Ägypten. Weitere sollten folgen, darunter zwei Weltreisen in den Jahren 1846 bis 1848 und 1851 bis 1855. Heute ist ihr Ehrengrab an der Friedhofsmauer längs der Simmeringer Hauptstraße (Gruppe 0), nur ein paar Schritte von jenem Haidingers entfernt. Zunächst wurde sie auf dem Friedhof von St. Marx, wo auch schon Mozart seine erste Ruhestätte gefunden hatte, begraben. Doch bald nach ihrem Tod geriet sie in Vergessenheit.

Just als ganz Wien im Bann der zwei Polarhelden Julius Payer (1842–1915) und Carl Weyprecht (1838–1881) stand, die im September 1874 mit ihrer Mannschaft von der Österreichisch-Ungarischen Nordpolarexpedition am Wiener Nordbahnhof eintrafen, erinnerte sich ein Journalist des "Neuen Wiener Tagblattes" am 4. Oktober 1874 an Pfeiffer. Er würdigte ihre Taten, sprach "von einer Halbvergessenen" und forderte die Benennung einer Straße nach ihr. "Vielleicht wird man sich jetzt, wenn man nach neuen Straßennamen sucht, ihrer erinnern." Freilich, als Frau hatte sie es damals nicht so leicht. Die Initiative für das Ehrengrab war vom Verein für erweiterte Frauenbildung ausgegangen, der eine Petition an den Wiener Gemeinderat gerichtet hatte, die am 17. Mai 1892 behandelt wurde.

Die Weltreisende Ida Pfeiffer fand am 5. November 1892 ihre zweite Ruhe auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Foto: Thomas Hofmann

Am 5. November 1892 fand dann auf dem Zentralfriedhof die würdevolle Wiederbestattung statt. Anwesend waren unter anderem der Präsident des Journalisten- und Schriftstellervereins Concordia, Professor Wilhelm Friedrich Warhanek, Vertreter des militär-geografischen Institutes, der Verein für erweiterte Frauenbildung und der Hausfrauenverein. Musikalisch wurde die Feier vom Schubertbund und von Posaunisten der Hofoper umrahmt.

Eine Gassenbezeichnung bekam Ida Pfeiffer nicht, aber am 7. Oktober 2008 beschloss der Wiener Gemeinderat, den "Ida-Pfeiffer-Weg" in Wien-Landstraße – als späte öffentliche Anerkennung – nach ihr zu benennen. Gut Ding braucht bekanntlich etwas länger. (Thomas Hofmann, 1.11.2020)