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Twitter-Chef Jack Dorsey war das Hauptziel der Angriffe.

Foto: Michael Reynolds / AP

Kaum ein Gesetz war für die Entstehung des Internets in seiner derzeitigen Form so prägend wie die "Section 230" des US-amerikanischen Communications Decency Act. Sie ist es, die festlegt, dass Plattformbetreiber nicht für die Inhalte ihrer Nutzer haftbar sind. Gleichzeitig gibt sie ihnen umgekehrt auch die Möglichkeit, die eigenen User-Foren nach Belieben zu moderieren. Viele Plattformen mit Nutzerbeteiligung wären ohne diesen rechtlichen Rahmen kaum denkbar.

Gleichzeitig ist die Kritik an der Section 230 im Spannungsfeld zwischen Hasspostings und Zensurvorwürfen in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Insofern sprechen sich in den USA mittlerweile sowohl Vertreter der Demokraten als auch solche der Republikaner für eine Reform aus – wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.

Ein Desaster mit Anlauf

Angesichts dessen war eine Anhörung der Firmenchefs von Facebook, Google und Twitter vor dem US-Kongress mit Spannung erwartet worden. Doch was sich dort dann am Mittwochabend abspielte, fällt eher in die Kategorie "absurde Politshow im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen". Bei Protocol spricht man gar von einem "totalen Desaster", das mehr einem Wrestling-Match als einer inhaltlichen Diskussion ähnelte. Denn um die erwähnte Section 230 ging es nur am Rande. Stattdessen nutzten republikanische Abgeordnete diese öffentliche Plattform einmal mehr dazu, die Tech-CEOs mit Vorwürfen einer angeblichen antikonservativen Beeinflussung durch ihre Unternehmen zu konfrontieren.

Dabei zeigte sich schnell, wer derzeit das Hauptziel der Republikaner ist: Twitter-Chef Jack Dorsey musste sich die meisten Vorwürfe anhören. Der Grund dafür ist kein Geheimnis: Twitter hatte vor einigen Wochen damit begonnen, einzelne inhaltlich falsche Tweets von US-Präsident Trump mit Hinweisen zu versehen, was diesen natürlich erboste. So ging es denn auch im Detail darum, warum ein Tweet gelöscht oder kommentiert wurde, während andere stehenblieben, anstatt um generelle Fragen zur Section 230 und deren Verbesserung.

Partikularinteressen

Doch auch sonst hatte die Anhörung zumindest einige bemerkenswerte Augenblicke zu bieten – wenn auch nicht im positiven Sinne. So wollte die republikanische Senatorin Marsha Blackburn von Alphabet- und Google-Chef Sundar Pichai wissen, ob denn ein gewisser Mitarbeiter noch immer für das Unternehmen arbeite. Der Betreffende hatte im Jahr 2018 Blackburn auf einer internen Mailing-Liste von Google kritisiert. Das Mail war später der rechtsextremen Nachrichtenplattform Breitbart zugespielt worden.

Überhaupt bot Pichai für die Abgeordneten eine besondere Hürde: seinen Namen. Ein guter Teil der Fragenden konnte nämlich nicht einmal diesen richtig aussprechen. "Peinlich und beleidigend" sei dies, formulierte es etwa Lexi Reese, Chefin der Businessplattform Gusto.

Protest

All dies veranlasst einen der Anwesenden zu einer Protestaktion: Der demokratische Senator Brian Schatz betonte zunächst, dass er jede Menge Frage an die drei Firmenchefs habe – sowohl zur Section 230 als auch zu Kartellrechtsfragen und der Privatsphäre der Nutzer. In diesem Umfeld sei eine sinnvolle Befragung aber komplett unmöglich. Also verzichtete er auf sein Fragerecht – zum ersten Mal in seiner Karriere, wie er betonte.

Stattdessen nutzte er die Zeit, um selbst Kritik am politischen Gegner zu äußern. Dieser hätte die gesamte Anhörung lediglich inszeniert, um politischen Druck auf die drei Firmenchefs zu machen, damit diese weniger energisch gegen Misinformation und ausländische Einflussnahme auf die Wahlen vorgehen. (apo, 29.10.2020)