Bilder aus dem Frühjahr könnten bald wieder Realität werden.

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Es sind bittere Zeiten für Betriebe und Arbeitnehmer, die nach dem ersten Lockdown im Frühjahr nun vor einer neuerlichen Schließung stehen. Aber nicht nur Restaurants, Veranstalter und Masseure würden von Betretungsverboten beeinträchtigt werden, sollten sie tatsächlich kommen. Was die Wirtschaft besonders verwundbar macht, ist die von den Maßnahmen gegen die Pandemie ausgehende Verschlechterung der Stimmung.

"Darunter leiden der Konsum und die Investitionen", sagt Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Es geht also nicht nur um die unmittelbar von Corona-Verboten betroffenen Branchen, sondern um alle Bereiche. Macht sich Pessimismus breit, trifft das die ganze Wirtschaft.

Was die Ökonomen weniger gut voraussagen können, ist die Tiefe und Länge des Tals der Tränen, das durchschritten werden muss. Dazu fehlen Details zu den Maßnahmen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat berechnet, dass ein zweiter Lockdown im Herbst die Wertschöpfung Österreichs wieder auf das Niveau des zweiten Quartals absacken lassen würde.

Neuer Einbruch

Auf das gesamte Jahr berechnet würde die Rezession mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von knapp zehn Prozent deutlich tiefer ausfallen als bisher angenommen. Allerdings wurde für diese Schätzung ein umfassender Lockdown angenommen, der bis nach den Weihnachtsfeiertagen anhält.

IHS-Chef Kocher rechnet mit schweren Einbußen wegen eines Lockdowns.
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Ein ähnliches Szenario hat auch Hanno Lorenz vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria durchgerechnet. "Sollten in Österreich ähnliche Maßnahmen ergriffen werden wie im März, würde der Wirtschaftseinbruch um 40 Prozent höher ausfallen, als wir ohnehin schon erwarten", sagte er kürzlich.

Minus sieben Prozent

Kocher ist angesichts der (unsicheren) Meldungslage etwas optimistischer und rechnet mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um sieben bis acht Prozent. Nachsatz: "2021 wird das größere Problem." Obwohl der Lockdown dann längst vorüber sein sollte, würden die Folgen weit ins kommende Jahr spürbar bleiben. Fast vier Fünftel des bisher prognostizierten Aufschwungs von 4,7 Prozent würden damit pulverisiert, schätzt der Leiter des IHS und Chef des Fiskalrats. Es bliebe lediglich ein Plus von einem Prozent.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Viel daran ändern würde freilich die rasche Zulassung eines Corona-Impfstoffs, weil dann nicht nur wirtschaftliche Beschränkungen wegfallen würden, sondern auch der Optimismus wieder zurückkehren könnte.

Drohende Pleiten

Dass die Infektionskette die Spirale länger nach unten drehen lässt, hat mehrere Ursachen: Neben der Unsicherheit, die auf der Wirtschaft lastet, drohen auch mehr Insolvenzen. "Wenn Betriebe aus dem Markt gehen, verstärkt das die Arbeitslosigkeit", erklärt Kocher. Und das nicht nur kurzfristig: Eine Pleitewelle würde dann auch die Langzeitarbeitslosigkeit nach oben schnellen lassen. Die meisten Ökonomen gingen schon bisher davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im Winter die Grenze von 500.000 Personen überschreiten werde.

Ob der staatliche Rettungsring gestärkt werden muss, bleibt vorerst offen.
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Da schon vor dem wahrscheinlichen Lockdown die Zeichen für den Wintertourismus wegen der umfangreichen Reisewarnungen schlecht standen, ist das Erreichen der Schwelle für Kocher praktisch fix. Er verweist darauf, dass Gastronomie, Events und möglicherweise weitere betroffene Branchen wegen flexibler Beschäftigungsformen weniger stark auf Kurzarbeit setzen, sondern tendenziell Personal abbauen.

Kurzarbeit gefragt

Apropos Kurzarbeit: Der IHS-Leiter ist der Ansicht, dass das Instrument trotz der per Oktober erfolgten Adaptierungen weiterhin funktionieren müsste. Seither liegt die Mindestarbeitszeit bei 30 Prozent, davor waren es zehn Prozent.

Die Kurzarbeit läuft noch bis Ende März, eine Verlängerung gilt aber als wahrscheinlich, sollte der Konjunkturverlauf weiter stocken. Spielraum gibt es noch: Mitte September waren von für die Kurzarbeit budgetierten zwölf Milliarden Euro knapp fünf Milliarden ausgeschüttet. Ebenfalls weit unter dem Rahmen liegen die genehmigten Kreditgarantien oder Fixkostenzuschüsse. (Andreas Schnauder, 29.10.2020)