Dieses Bild aus dem Frühjahr weckt in der Gastronomie böse Erinnerungen: Die Branche fürchtet die Folgen eines möglichen nächsten Lockdowns.

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Noch hängt alles in der Schwebe. Kommt ein zweiter Lockdown? Und falls ja, wie weitreichend werden die Maßnahmen diesmal sein? Zumindest bis Samstag bleibt all das unklar. Mit Bangen blicken heimische Unternehmer unterdessen nach Deutschland, wo ab Montag deutlich strengere Corona-Maßnahmen in Kraft treten: Kosmetik- und Fitnessstudios werden geschlossen, die Gastronomie muss zusperren, und für den Einzelhandel gibt es strikte Vorschriften.

Die Gastrobranche würde es jedenfalls "massiv treffen", sollte es zu ähnlichen Vorkehrungen wie im Frühjahr kommen, warnt WKO-Spartenobmann Mario Pulker. Selbst wenn Restaurants und Cafés weiter geöffnet bleiben dürften, würde sie ein "Lockdown auf Umwegen" erreichen. Wer geht schon essen, wenn man das Haus möglichst nicht verlassen soll, fragt der Spartenobmann sinngemäß.

In der Branche sei die Stimmung schlecht: Wirte würden in ihrer Erwerbsfähigkeit beschnitten werden, sagt Pulker – Weihnachtsfeiern und Hochzeiten wurden abgesagt, zudem würden die Spielregeln für die Gastronomie laufend geändert werden. Auch die Registrierungspflicht würde nicht dazu beitragen, dass Wirtshäuser gut besucht werden. Dabei habe die Branche massive Vorkehrungen getroffen, um das Infektionsrisiko zu minimieren – dieses sei in Restaurants aber sowieso niedrig, ist sich Pulker sicher. Im Falle eines nächsten Lockdowns müssten Betriebe "sofort und unbürokratisch" ein "Helikopter-Geld" auf das Konto überwiesen bekommen. Unternehmer könnten nicht noch einmal lange auf Hilfsmittel warten, von denen dann "wieder die Hälfte beim Steuerberater landet".

Massives Händlersterben

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Handelsverband. Auch wenn der Einzelhandel bei einem nächsten Lockdown die Geschäfte offen halten darf, wären die Auswirkungen fatal. Bereits jetzt – also noch vor einer Verschärfung der Corona-Krise – erwarteten 85 Prozent der heimischen Händler einen massiven Umsatzverlust im heurigen Jahr. Im Schnitt wird von einem 32-prozentigen Minus ausgegangen. "Der Handelsverband befürchtet vor diesem Hintergrund ein Corona-bedingtes Händlersterben historischen Ausmaßes: Bis zu 6000 Geschäften droht hierzulande die Schließung", warnt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Der Shift in Richtung Digitalisierung fängt trotz aller positiven Intentionen nur Teile der entgangenen Umsätze auf und verändert das Gefüge der Handelsbranche nachhaltig. Das wird zweifellos zu einer Verödung von Stadt- und Ortskernen führen", ergänzt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.

Hinzu kommt ja auch, dass durch Jobverlust, Kurzarbeit und die allgemein gestiegene Unsicherheit der Menschen die Konsumlaune verhalten bleibt. Ein Drittel der Österreicher spüre bereits negative finanzielle Auswirkungen durch Corona. Das zeigt eine Umfrage von Handelsverband und Mindtake Research. Dringend erforderlich sei daher ein "Klima der Zuversicht", heißt es dort. Die Konsumstimmung müsse aufrechterhalten werden und damit auch der Wirtschaftsprozess mit 600.000 Beschäftigten allein im Handel.

Eine längerer Lockdown würde Studiobetreiber schwer treffen, heißt es in der Fitnessbranche.
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Auch in der Fitnessbranche fürchten viele die Folgen eines nächsten Lockdowns. "Ein Monat lässt sich vielleicht noch verkraften, aber eine längere Sperre würde viele Studiobetreiber schwer treffen", schildert Sebastian Rieder von Crossfit Vienna die Situation in der Branche. Dann hinge es von staatlicher Unterstützung ab, wer überlebt. "Die Folgen des letzten Lockdowns spüren wir immer noch", sagt Rieder. Es werde noch länger dauern, bis man verlorene Kunden durch neue ausgleicht. Der Andrang sei derzeit deutlich geringer als vor der Krise.

"Maximales Offenhalten"

"Man muss mit den Maßnahmen das Virus treffen, nicht die Betriebe", fasst Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, die Lage im Ö1-Mittagsjournal eindringlich zusammen. Alle Betriebe hätten ihre Hausaufgaben gemacht und Hygienekonzepte entwickelt, allen voran die Gastronomie. Sie dürfe daher nicht erneut bestraft werden. Mahrer verstehe auch nicht, warum sich die Deutschen zu diesem Schritt entschlossen haben. Man habe viel aus dem Frühjahr gelernt. Die Wirtschaft müsse weiterlaufen, Mahrer spricht sich für ein "maximales Offenhalten" aus. Das sichere Arbeitsplätze und damit den Wohlstand im Land.

Während die Regierung über neue Maßnahmen diskutiert, hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Donnerstag eine bisherige Regelung gekippt: Der in Lokalen vorgeschriebene Mindestabstand von einem Meter zwischen den Tischen ist nach Erkenntnis des Gerichtshofes rechtswidrig. Der VfGH hat dem Gesundheitsministerium allerdings eine Reparaturfrist bis Jahresende gegeben. Die Abstandsregel muss damit vorerst weiter in Lokalen eingehalten werden – vorausgesetzt natürlich, dass diese nicht sowieso wieder ihre Balken herunterlassen müssen. (Bettina Pfluger, Nora Laufer, Leopold Stefan, 30.10.2020)