Trotz vermeintlicher Nähe lief vieles schief. Der deutsche Bildhauer Jacques Tilly verewigte Donald Trump und Wladimir Putin als Vernichter des INF-Abrüstungsvertrags.

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Ein paar Fans hat US-Präsident Trump immer noch. Zumindest in Russland würde er die Wahl gegen Joe Biden gewinnen. Einer Umfrage des Lewada-Zentrums nach sind 39 Prozent der Russen, die die US-Wahl verfolgen, für Trump und nur 13 Prozent für Biden.

Die Zahlen verdeutlichen aber auch: So richtig glücklich sind die Russen mit "ihrem" Präsidenten Trump nicht geworden. Denn damals im November 2016 hätten 60 Prozent für Trump und nur fünf Prozent für seine Gegnerin Hillary Clinton gestimmt. Auch wussten damals 91 Prozent über die Abstimmung Bescheid, jetzt sind es bescheidene 62 Prozent.

"Insgesamt versteht bei uns niemand, was in Amerika vorgeht, mit Ausnahme weniger Prozent parteiischen Publikums", kommentierte der Direktor des Lewada-Zentrums Lew Gudkow die Daten. Die größere Sympathie der Russen für Trump erklärt er mit Gewohnheit und einer "gewissen Fremdenfeindlichkeit" Trumps.

Tatsächlich dürfte der Umfragevorsprung Trumps in Russland ein Überrest der Kampagne sein, die die russischen Medien 2016 für ihn – oder vielmehr gegen Clinton – fuhren. Nicht umsonst erklärte RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan 2016 nach Trumps Erfolg noch euphorisch, sie werde jetzt eine US-Flagge aus ihrem Auto hängen.

Schmerzhafte Sanktionen

Von der Euphorie ist wenig übrig geblieben. Der Sekt, den der russische Populistenführer Wladimir Schirinowski anlässlich des Wahlsiegs seines Gesinnungsgenossen in Washington einst köpfte, ist nach vier Jahren schal geworden. Dem Selbstbewusstsein einiger Politiker in Moskau mag die dem Kreml unterstellte Allmacht zur Manipulation der US-Wahl geschmeichelt haben, die auf die Vorwürfe folgenden Sanktionen hingegen waren schmerzhaft.

Wladimir Putins im Glückwunschtelegramm ausgesprochene Hoffnung auf eine Verbesserung des schon damals schlechten Verhältnisses hat sich nicht erfüllt. Der Neustart der Beziehungen, der "Big Deal", das Abstecken der Einflusszonen, auf die Moskau gesetzt hatte, ist in der Amtszeit Trumps trotz dessen Affinität zu Putin nie zustande gekommen. Auch weil stets der Vorwurf, ein "Präsident von Putins Gnaden" zu sein, über ihm schwebte und antirussische Ressentiments zum festen Bestandteil der innenpolitischen Auseinandersetzung in Washington wurden. Nicht zufällig haben einander Trump und Biden in den Wahlkampfdebatten vorgeworfen, dass Moskau den Sieg des jeweils anderen wünsche.

Die Ergebnisse der Trump’schen Regentschaft sind für Moskau allenfalls ambivalent. Positiv aus Kreml-Sicht: Vier Jahre waren die USA im politischen Selbstzerfleischungsprozess gefangen. Trumps Isolationismus hat internationale westliche Allianzen geschwächt und zu einer Stärkung der außenpolitischen Rolle Russlands geführt. Moskau hat sich nicht nur eine Führungsposition in Syrien erkämpft, sondern spielt auch in Libyen und anderen Konflikten eine gewichtige Rolle.

Streit um Öl und Gas

Der unter dem Motto "America first" vollzogene Rückzug aus bestehenden Abkommen hatte für Moskau aber auch negative Folgen. Vom internationalen Atomdeal mit dem Iran beispielsweise versprach sich der Kreml einige wirtschaftliche Dividenden – beim Bau von Atomreaktoren, dem Export von Maschinen und Rüstungsgütern. Diese Pläne lösen sich zunehmend in Luft auf.

Zudem stößt die aggressive Energieaußenpolitik Trumps Putin inzwischen sauer auf. Der Druck auf die russischen Pipelines Nord Stream 2 und Turkstream ist auch Teil der Politik des Weißen Hauses, neue Märkte für die eigene Öl- und Gasindustrie zu erschließen und Flüssiggas in Europa abzusetzen.

Ein Sieg Trumps würde beinahe sicher weitere Sanktionen gegen Moskaus Pipelineprojekte bringen. Bei einem Erfolg Bidens ist dies ungewiss. Erstens muss der frühere Vizepräsident nicht beweisen, dass er unabhängig von Russland agiert. Zweitens hat er weniger Interesse an der Öl- und Gaslobby.

So paradox es klingt: Ein Wahlsieg Bidens könnte für Moskau letztlich günstiger sein. Denn die antirussische Karte im innenpolitischen Machtkampf in den USA dürfte als Trumpf dann deutlich weniger wert sein – was eine Rückkehr zur Normalität ermöglichen würde. (André Ballin aus Moskau, 29.10.2020)