Viele Menschen in Österreich schauen aufmerksam – und kritisch – auf die Politik der USA, hier bei einer Black-Lives-Matter-Demo auf der Wiener Mariahilfer Straße.

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Linz – Die Frage ist natürlich rein hypothetisch, aber sie liefert ein eindeutiges Ergebnis: "In den USA wird ja am 3. November 2020 der neue Präsident gewählt. Wem würden Sie – falls Sie in den USA wahlberechtigt wären – bei der US-Präsidentenwahl Ihre Stimme geben?" Bei einer repräsentativen Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD in dieser Woche sagten 68 Prozent, dass sie den Herausforderer Joe Biden wählen würden – nur acht Prozent nannten Amtsinhaber Donald Trump.

Unveränderter Blick auf die USA

Damit hat sich die österreichische Sicht auf die amerikanische Politik im Lauf der vergangenen vier Jahre kaum verändert. Schon 2016 fragte Market, ob die heimische Bevölkerung Trump oder Hillary Clinton wählen würde. "In Österreich hätte Clinton haushoch gewonnen", erinnert sich Market-Institutsleiter David Pfarrhofer, "Trump hatte ja schon damals keine gute Presse in Österreich, 2016 hätten sechs Prozent Trump und 67 Prozent Clinton gewählt."

Die Frage hat nicht nur Unterhaltungswert, sagt der Meinungsforscher: "Es zeigt sich, dass unterschiedliche Gruppen von Österreichern die US-Politik auch sehr unterschiedlich bewerten. So haben gerade einmal drei Prozent der SPÖ- und Grünen-Wähler Trump angegeben – während unter den verbliebenen FPÖ-Wählern jeder Dritte ein Trump-Anhänger ist." Auch sind es überwiegend junge Befragte, die Trump nennen – mit zunehmendem Alter der Befragten wird die Präferenz für Biden klarer.

In derselben Umfrage wurde auch erhoben, wie die Österreicher die außenpolitischen Beziehungen insgesamt bewerten: DER STANDARD ließ fragen, ob die Beziehungen zu einer Auswahl von Staaten eher zu eng sind, ob mehr Nähe wünschenswert wäre oder ob das Verhältnis im Wesentlichen passt. Auch zu dieser Umfrage gibt es eine Vergleichsumfrage, in diesem Fall aus dem Frühjahr 2015. Zu jener Zeit war noch Werner Faymann (SPÖ) Bundeskanzler, und das Flüchtlingsthema war in der politischen Diskussion noch nicht zentral.

Aversionen gegen die Türkei und die USA

Damals wie heute wurden vor allem die Beziehungen zur Türkei als zu eng empfunden – andere Länder, die damals als zu eng mit Österreich verbunden gesehen wurden, sind in der Liste allerdings nicht mehr so prominent vertreten.

Dass unter Präsident Barack Obama 20 Prozent meinten, Österreich sei zu eng mit den USA verbunden, brachte den USA den zehnten Platz auf der Liste der unbeliebten Partner ein. Heute bedeuten die (gleich gebliebenen) 20 Prozent den zweiten Listenplatz – ganz einfach, weil die vor fünfeinhalb Jahren besonders unbeliebten Länder nicht mehr so deutlich auf dem Radar sind. Das betrifft vor allem Griechenland (damals noch wegen der Euro-Krise in den Schlagzeilen) und Saudi-Arabien (kurz nach der unglücklichen Äußerung von Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner über die Häufigkeit von Hinrichtungen in dem Wüstenstaat).

Näherer Blick auf die Beziehungen

Analysiert man näher, wie die in Österreich wahlberechtigten Befragten die Beziehungen zu den USA einschätzen, so kommt man auf jene 20 Prozent, die sie für zu eng befinden; neun Prozent würden Österreich eher enger mit den USA verbunden wissen, und 45 Prozent finden die Beziehungen gerade richtig. (Das restliche Viertel der Befragten äußert keine Meinung dazu.) Unter den Befragten über 50 ist die Distanz zu den USA gut doppelt so verbreitet wie unter jungen Befragten – etwa jeder sechste Befragte unter 30 wünscht sich engere Beziehungen zu den USA, bei den Befragten über 50 ist es nur jeder Vierzehnte.

Eine besonders starke Ablehnung einer engen Bindung an die USA äußern vor allem erklärte Anhänger von SPÖ und Freiheitlichen. Die Wähler der SPÖ zeigen auch eine überdurchschnittlich kritische Haltung zu Russland, während sich ein Drittel der FPÖ-Wähler engere Beziehungen Österreichs zu Russland wünscht – "ob mit oder ohne Oligarchin, haben wir nicht gefragt", merkt Marktforscher Pfarrhofer an. (Conrad Seidl, 1. 11. 2020)