Eine Mahnwache für die Opfer des Angriffs vor der Basilika in Nizza.

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Paris/Nizza – Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Nizza mit drei Toten hat Frankreich seine Bürger weltweit vor Anschlägen gewarnt: "Die Bedrohung ist überall", sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Freitag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter der Leitung von Präsident Emmanuel Macron.

Dem Anschlag vorausgegangen waren massive Drohungen und Proteste gegen Frankreich in muslimischen Ländern. Erst am Donnerstag hatte es der frühere malaysische Regierungschef Mahathir Mohamad als legitim bezeichnet, "Millionen von Franzosen zu töten". Er begründete dies mit französischen "Massakern" der Kolonialzeit. Auf Druck der französischen Regierung löschte Twitter die Kurzbotschaften Mohamads.

Schulen und Kirchen geschützt

In mehreren überwiegend muslimischen Ländern kam es zuletzt zu Demonstrationen gegen Macron. In Bangladesch gingen am Freitag Zehntausende auf die Straße. Sie forderten einen Boykott französischer Produkte und trugen Banner, auf denen Macron als "der größte Terrorist der Welt" bezeichnet wurde. Auch tausende Palästinenser demonstrierten in Jerusalem gegen Frankreichs Positionen zur Meinungsfreiheit.

In Jerusalem kam es zu großen Protesten gegen Frankreich.
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Im Inland will Frankreich insbesondere Schulen und Kirchen besser schützen, wie Verteidigungsministerin Florence Parly nach der Krisensitzung sagte. Dafür werden nach Angaben des Innenministeriums 3.500 Reservepolizisten mobilisiert. Allein 120 zusätzliche Polizisten sollen in Nizza patrouillieren. Präsident Macron hatte zuvor bereits angekündigt, dass die Anti-Terror-Einheit der Armee von 3.000 auf 7.000 Kräfte aufgestockt wird. In ganz Frankreich gilt seit dem Messerangriff am Donnerstag in Nizza die höchste Terrorwarnstufe.

EU-weite Antwort gefordert

Frankreich will zudem zusammen mit Deutschland beim Treffen der EU-Innenminister am 13. November den Kampf gegen den Terror auf die Tagesordnung setzen. Neben der Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik solle auch darüber beraten werden, "wie wir die uns zur Verfügung stehenden Instrumente künftig besser nutzen können, um terroristische Gräueltaten zu verhindern", so der deutsche Innenminister Horst Seehofer und sein französischer Amtskollege Gérald Darmanin.

Personen, die von den Mitgliedstaaten als terroristische oder gewalttätige extremistische Bedrohung eingestuft werden, müssten "mit unermüdlicher Wachsamkeit beobachtet werden", mahnten die beiden Innenminister. Sie forderten einen zuverlässigen und schnellen Informationsaustausch, wenn diese Personen in andere Mitgliedstaaten reisen oder Verbindungen zu anderen Einzelpersonen oder Netzwerken herstellen. "Dafür brauchen wir ein strenges Registrierungsverfahren an der Grenze und ein effizientes gemeinsames Informationssystem."

Zwei Verdächtige festgenommen

Die französische Polizei dürfte indes bereits derartige Verbindungen hergestellt haben. Nach dem Messerangriff von Donnerstag hat die Exekutive zwei weitere Verdächtige in Gewahrsam genommen. Ein 47-Jähriger und ein 35-Jähriger werden verdächtigt, am Tag vor der Tat mit dem mutmaßlichen Täter in Kontakt gestanden zu haben, hieß es am Freitag aus französischen Justizkreisen.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich nach Angaben der Ermittler um einen 21-jährigen Tunesier namens Brahim A. Er war erst vor kurzem aus Italien nach Frankreich eingereist. Davor soll er am 20. September über Lampedusa nach Europa gelangt sein. Nach italienischen Agenturberichten ging er mit anderen Bootsmigranten an Land und wurde im Oktober ins süditalienische Bari, die Hauptstadt Apuliens, gebracht. Dort soll er abgetaucht sein.

Auch Tunesien ermittelt

Laut Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi hatte der Angreifer mehrfach "Allahu Akbar" ("Gott ist größer") gerufen, bevor ihn die Polizei mit Schüssen verletzte und festnahm. In Frankreich ermittelt die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft in dem Fall. Auch die tunesischen Behörden gaben an, zu ermitteln. Allerdings sei der Mann nicht als mutmaßlicher Extremist bekannt gewesen.

Vor der Kirche in Nizza versammelten sich am Donnerstagabend mehrere Menschen, legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. In Nizza hatte vor vier Jahren ein Extremist am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, einen Lastwagen in eine Menschenmenge gesteuert. Es gab 86 Tote. (APA, AFP, red, 30.10.2020)