Was kommt da bloß? Am Samstag will die Regierung verschärfte Corona-Maßnahmen verkünden.

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Nach der Pressekonferenz von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) – erstmals in Begleitung von medizinischen Experten – bleibt das große Rätselraten: Welche neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden morgen, Samstag, dann tatsächlich präsentiert? Wie weitreichend sind sie? Und wie lange soll das Ganze dauern?

Dem STANDARD liegt ein Papier vor, das den groben Fahrplan skizziert. Änderungen bis zur tatsächlichen Verkündung – beziehungsweise bis die Verordnung kundgemacht wird – sind möglich.

Der Fahrplan für die nächsten Tage: Heute um 14 Uhr hat die Regierung die Besprechung mit den Sozialpartnern angesetzt, morgen dann um 13 Uhr mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Um 14 Uhr steht ein Gespräch mit den Landeshauptleuten an, um 15 Uhr dann mit den Parteichefs. Eine Pressekonferenz ist für 16.30 Uhr geplant.

Die neuen Maßnahmen im Überblick:

  • Geplant ist eine nächtliche Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr. Das Betreten öffentlicher Orte ist dann nur noch in bestimmten Ausnahmefällen erlaubt, etwa für Hilfstätigkeiten, berufliche Zwecke oder zur "körperlichen und psychischen Erholung". Auch das Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln ist in der Zeit nur noch unter den genannten Gründen erlaubt.
  • Das Betreten von Freizeiteinrichtungen soll verboten werden. Dazu zählen etwa Bäder, Tanzschulen, Kinos, Theater und Wettbüros. Parks, Bibliotheken, Museen und Zoos sollen offen blieben. Veranstaltungen sollen abgesagt werden. Nur der Profisport dürfe auch im November weiterlaufen, allerdings als reines TV-Ereignis, heißt es. Verboten werden also etwa Hochzeitsfeiern, Kongresse und kulturelle Veranstaltungen. Ausgenommen sein soll weiterhin der private Bereich, auch Demos sind weiterhin erlaubt. Bei Begräbnissen sind 50 Personen erlaubt. Künstlerische Darbietungen ohne Publikum sollen erlaubt bleiben.
  • Für Betriebsstätten, also etwa Geschäfte und Einkaufszentren, aber auch für Kosmetikstudios oder Friseure soll es eine Personenobergrenze geben, pro Kunde oder Kundin müssen zehn Quadratmeter Fläche vorhanden sein. Das gilt auch für Märkte, nicht aber für Kirchen – dort gilt die Abstandsregel.
  • Was den Gastronomiebereich anlangt, ist Folgendes geplant: Nachdem vorerst angedacht war, dass Lokale tagsüber offen halten dürfen, sollen sie jetzt doch komplett für Gäste gesperrt werden. Take-away und Lieferungen sollen weiterhin möglich sein. Das gilt nicht für Gastrobetriebe in Pflegeheimen oder Schulen. In Beherbergungsbetrieben kann weiterhin Essen und Trinken verkauft werden, allerdings hat die Konsumation in der Wohneinheit zu erfolgen.
  • Auch die wenigen verbliebenen Hotelbesucher müssen heimkehren: Die touristische Unterbringung dürfte auch verboten werden. In Hotels darf etwa noch, wer beruflich reist, wer keine Unterkunft hat oder wer dort Hilfe leisten muss.
  • Beim Sport sollen Einschränkungen kommen: Körperkontakt-Sportarten sollen untersagt werden. Das Betreten von Sportstätten ist ebenfalls verboten. Ausnahmen soll es geben, wenn draußen Sport gemacht wird, Veranstaltungen, bei denen ausschließlich Spitzensportler Sport ausüben, sind in geschlossenen Räumen mit bis zu 100 und im Freiluftbereich mit bis zu 200 Sportlern erlaubt.
  • In Alten- und Pflegeheimen soll auf Tests gesetzt werden: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen zweimal die Woche getestet werden, auch für Besuche soll ein Antigentest nötig sein. Pro Bewohner oder Bewohnerin darf nur eine Person am Tag zu Besuch kommen.
  • Die gesamte Verordnung soll am 30. November außer Kraft treten.

    Über die Zukunft der Schulen ist aktuell nichts Neues bekannt. Sie sollen offen bleiben, allerdings mit der Variante, dass die Oberstufenklassen ins Distance-Learning wechseln. Zuletzt hatte man das im Bildungsministerium auf Nachfrage des STANDARD allerdings dementiert.

Gelbe Schulen, fast überall

Mit Stand Freitagmittag bleibt die Schulampel weitgehend auf Gelb. Nur Tirol prüfe derzeit noch, heißt es aus dem Bildungsministerium. Im Westen mussten ob des Wechsels auf Orange bereits vor den Herbstferien rund 30.000 Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus lernen. Salzburg wird kommende Woche wieder auf Gelb wechseln, das bedeutet: Außerhalb der Klassen muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Schulfremde Personen müssen die Maske im gesamten Gebäude aufsetzen. Sport soll grundsätzlich nur im Freien ausgeübt werden, für die Turnhallen gibt es Auflagen wie kleine Gruppen, Belüftung und kurze Kontaktzeiten bei Übungen. Gesungen wird nur im Freien oder mit Mund-Nasen-Schutz.

Verstärkte Grenzkontrollen

Angesichts der zu Ende gehenden Herbstferien will Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am kommenden Wochenende die Grenzkontrollen verstärken. Besonders aus Slowenien und Italien sei "mit einer hohen Einreisefrequenz" zu rechnen. Also werde die Präsenz der Polizei an den Grenzübergängen verstärkt, um Gemeinden mit den Gesundheitsbehörden Kontrollen durchzuführen.

Fahrplan ohne Pressekonferenz am Freitag

Die freitägliche Pressekonferenz zur Ampelschaltung ist diesmal abgesagt. Bereits seit Mittwochabend ist bekannt: Ganz Österreich wurde rot. Wer sich für die kleinen Feinheiten interessiert: Kärnten ist orange, auch 16 Bezirke scheren beim sonst einheitlichen Farbwechsel aus.

Die Regierung führt heute, Freitag, Gespräche mit den Sozialpartnern. Morgen, Samstag, sind die Oppositionsparteien und die Länderchefs sowie Bundespräsident Alexander Van der Bellen dran. Diesmal lautet das Ziel offenbar, dass die entsprechenden Verordnungen bereits vor deren öffentlicher Verkündung vorliegen sollen. Teilweise benötigen die Verschärfungen auch die Zustimmung im Hauptausschuss des Nationalrats. Das wäre etwa bei den Ausgangsbeschränkungen der Fall, die Zustimmung könnte aber auch erst im Nachhinein eingeholt werden. Weil ÖVP und Grüne hier aber eine Mehrheit haben, ist diese parlamentarische Beschlussfassung aber real nur ein Formalakt.

Forderungen nach erhöhtem Arbeitslosengeld

Gewerkschaft und Arbeiterkammer haben bereits vor dem Treffen mit der Regierungsspitze ihre Forderungen bekanntgegeben. Verschärfte Lockdown-Maßnahmen bräuchten jedenfalls Begleitmaßnahmen – etwa eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian will außerdem eine Maskenpause am Arbeitsplatz durchsetzen. Gemeinsam mit AK-Präsidentin Renate Anderl drängt er beim heutigen Termin auch darauf, dass die Bildungseinrichtungen geöffnet bleiben sollen und ein Rechtsanspruch für Sonderbetreuungszeit beschlossen wird.

Elektronische Krankschreibung wieder möglich

Die elektronische Krankschreibung soll ab 1. November wieder möglich sein. Darauf haben sich Arbeitgeber- und Dienstnehmervertreter der Österreichischen Gesundheitskasse geeinigt. Die Maßnahme soll bis Ende März gelten und nicht mehr auf Corona-Symptome beschränkt sein.

Aktuelle Zahlen

Deutschland meldete am Freitag erstmals mehr als 18.000 nachgewiesene Infektionen an einem Tag. Auch in Österreich gibt es mit 5627 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden wieder einen neuen Höchstwert.

Alleine 1302 Neuinfektionen wurden am Freitag in Oberösterreich verzeichnet. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von "Hauptzuwächsen in alarmierender Höhe".

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag wurde die Zahl 6.000 als Schwellenwert dafür angegeben, ab wann die intensivmedizinische Versorgung in Österreich an eine kritische Grenze stößt. Nicht nur bei der Behandlung von Covid-19-Patienten, sondern auch bei der Versorgung anderer Erkrankungen, die einen Aufenthalt auf der Intensivstation notwendig machen.

Mehr als die Hälfte der Covid-Intensivbetten in Wien belegt

Ein Sprecher des Wiener Gesundheitsverbundes hat die anhaltend kontinuierlich steigenden Neuinfektionen als "Besorgnis erregend" bezeichnet – bereits mehr als die Hälfte der derzeit für Covid-19-Erkrankte vorgesehenen Betten auf Intensivstationen waren am Freitag belegt. In Zahlen heißt das: Von 150 für Covid-Patienten vorgesehenen Betten mit intensivmedizinischer Betreuung waren mit Stand Freitagnachmittag bereits 87 besetzt. Und auch von den 400 "Normalbetten" waren zu diesem Zeitpunkt bereits 301 vergeben. Laut Versorgungsplan könne es bei Bedarf maximal zu einer Verdoppelung dieser Kapazitäten kommen, die Arbeit an einer Aufstockung sei auch bereits im Gang.

Simulationsforscher Niki Popper hält fest, dass jedwede Maßnahmen der Regierung erst in ein bis zwei Wochen greifen würden. "Da muss sich die Politik jetzt schon prospektiv überlegen, wie weit wollen wir eigentlich runterkommen mit den Infektionszahlen und wie gehen wir dann weiter damit um", sagt er im Gespräch mit der APA. Ohne "Folgestrategie" würde man wohl "wieder in die gleiche Spirale" kommen, in diesem Fall sei nicht davon auszugehen, dass man "speziell im bevorstehenden Winter eine Ruhe hat".

Protest und Gegenprotest

Währenddessen wurden von Kritikern der Maßnahmen für Samstag weitere Kundgebungen angemeldet. Die größte Veranstaltung mit bis zu 15.000 Teilnehmern ist laut Angaben der Polizei auf dem Wiener Heldenplatz geplant – und wurde auch genehmigt. Aber auch die Kritiker der Kritiker machen mobil: Ebenfalls am Samstag, auf dem Maria-Theresien-Platz wurde eine Kundgebung für etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet. Es müsse damit gerechnet werden, "dass seitens der Exekutive eingeschritten wird", heißt es laut einem Polizeisprecher mit Blick auf die Demo von vergangenem Montag, wo das weitgehend unterblieben ist. (red, 30.10.2020)