Autos werden immer breiter, das nimmt Fußgängern Platz auf dem Gehsteig. Hinzu kommen Hindernisse, die im Weg stehen.
Obwohl ganz Wien zu Fuß geht, ist der Platz dafür oft viel zu knapp. Im Kampf der Verkehrsteilnehmer um den Platz gewinnt immer noch das Auto.
Foto: Högelsberger

Im öffentlichen Raum heißt es seit kurzem wieder verpflichtend: einen Meter Abstand halten zu all jenen Personen, mit denen man nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Vor allem in der Großstadt lässt sich das nicht immer umsetzen, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber selbst auf der Straße kann es schwierig werden, genauer gesagt auf dem Gehsteig. Denn 38 Prozent der Wiener Gehsteige sind schmaler als zwei Meter.

"Fahrspuren und Parkstreifen haben festgelegte Breiten. Was dann noch vom Straßenraum übrigbleibt, wird zum Gehsteig", kritisiert die BürgerInneninitiative "Geht doch Wien". Immerhin würden alle Wienerinnen und Wiener zu Fuß gehen – und sei es nur bis zum Auto.

Liebste Engstelle

Oft versperren auch Hindernisse auf dem Gehsteig den Weg. Wie häufig das vorkommt, hat ein Aufruf von "Geht doch Wien" gezeigt. Im Frühling wurden die Wienerinnen und Wiener darum gebeten, Fotos von zu schmalen oder verstellten Gehsteigen einzuschicken. In fünf Wochen ist unter den Hashtags #LieblingsEngstelle oder #WorstOfGehsteig eine Sammlung von mehr als 230 Bildern zusammengekommen. Die Initiative hat sie ausgewertet, um die Gründe für den mangelnden Platz ausfindig zu machen.

Das Ergebnis: Die Hälfte der Gehsteige ist zu schmal, weil sich daneben ein Fahrstreifen befindet oder weil Schrägparker nicht wissen, wo der Gehsteig anfängt: "Sie fahren gleich bis zur Hausmauer", sagt dazu Heinz Högelsberger von "Geht doch Wien" und Mitarbeiter der Abteilung Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer Wien. Er war unlängst Redner am 10. Symposium zur Raumplanung des Architekturnetzwerks Orte.

Hindernisse auf dem Gehweg

In 20 Prozent der Fälle waren die Gehwege verstellt mit Dingen, die dort eigentlich nicht sein sollten – Halteverbotstafeln, E-Tankstellen, Lichtmasten oder Verteilerkästen. In den seltensten Fällen sei tatsächlich eine schmale Straße der Grund für den knapp bemessenen Gehsteig, sagt Högelsberger und nennt es einen Verteilungskampf, der in der Stadt zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern herrsche.

Högelsberger schildert ein Beispiel von der Döblinger Hauptstraße: Jahrzehntelang lagen dort ein enger Gehsteig und ein schmaler Parkstreifen direkt nebeneinander. "Weil die Autos immer breiter geworden sind, wurde etwa 100-mal im Jahr die Straßenbahnlinie 37 von Falschparkern blockiert. Nun, knapp vor den Wahlen, wurde endlich der Gehsteig breiter gemacht und der Parkstreifen entfernt."

Ungerechte Verteilung

Ein richtiger Schritt, wie der Verkehrsexperte einräumt. Denn auch die Statistik zeigt: Im Vergleich zu Fußgängern und Radfahrern brauchen Autos in Wien unverhältnismäßig viel Platz. "Leider zeigt diese ungerechte Verteilung, wie in der Stadt mit öffentlichem Raum umgegangen wird."

Die Breite des Trottoirs zeige übrigens, so hat der Stadtforscher Dieter Hoffmann-Axthelm einmal gesagt, wie sehr der Stadt ihre Bürger am Herzen liegen. Besonders breite Exemplare würden in Berlin daher auch Bürgersteige heißen. In Österreich ist hingegen nur von Gehsteigen die Rede. (Bernadette Redl, 31.10.2020)