Viele Mieter stehen nun vor der Herausforderung, die gestundeten Mieten aus dem Frühjahr neben der laufenden Miete abzubezahlen.

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Die Regierung hatte im März für Mieter die Möglichkeit geschaffen, die Zahlung der Miete in den Monaten April bis Juni zu stunden. Die nicht bezahlte Miete muss allerdings nachgezahlt werden: Der Rückstand kann vom Vermieter ab 1. Jänner 2021 gerichtlich eingefordert werden, so stand es im 2. Covid-19-Justizbegleitgesetz, das am 1. April in Kraft trat. Das heißt damit auch: Will man als Mieter nicht vom Vermieter geklagt werden, muss man bis Jahresende den Rückstand begleichen (übrigens inklusive vier Prozent Verzugszinsen).

Mieter sind unsicher

Mieterschutzverbände haben in den vergangenen Monaten zwar keinen großen Ansturm erlebt, doch das ändert sich gerade. Der Mieterschutzverband berichtet von "vermehrten Anfragen" in den vergangenen Wochen dazu, wie das mit den Rückzahlungen nun genau abläuft – denn es sind ja nur noch zwei Monate bis Jahresende.

"Manche Vermieter wurden bereits aktiv und weisen ihre Mieter darauf hin, dass sie die Zahlung der ausständigen Miete bis Jahresende erwarten", sagt Barbara Walzl-Sirk, Bundesobfrau des Mieterschutzverbands, dem STANDARD. "Wenn sich ein Rückstand im vierstelligen Bereich aufgestaut hat, ist das aber für viele Mieter neben der 'normalen' laufenden Miete kaum zu stemmen."

Ratenzahlungen werden dann angestrebt, und manche Vermieter hätten sich auch bereits darauf eingelassen. "Die Bereitschaft dafür unter Vermietern ist höher, wenn der Mieter die Miete nicht zur Gänze ausgesetzt hatte, sondern teilweise weiterbezahlt hat", so Walzl-Sirk.

Mietervereinigung warnt vor "Entgleisung"

Dass viele Mieter in den vergangenen Monaten auf Erspartes zurückgegriffen oder Geld von Verwandten bekommen haben, um nicht auf der Straße zu landen, hat man auch bei der Mietervereinigung (MVÖ) beobachtet. "Doch damit ist das Problem natürlich nicht gelöst, sondern nur verschoben worden", sagt Geschäftsführerin Elke Hanel-Torsch.

Dazu kommt, dass viele Mieter "gar nicht richtig verstanden haben, dass die Maßnahme nur eine Stundung ist, der nicht bezahlte Betrag also bezahlt werden muss", so Hanel-Torsch weiter. Sie gab am Freitag in Wien gemeinsam mit SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher eine Pressekonferenz, um auf eine drohende "Entgleisung" des Wohnungsmarkts hinzuweisen.

Nichtzahlen wird nur als Corona-Folge anerkannt

Walzl-Sirk sagt ganz offen, dass es "sicher auch einige Mieter ausgenützt" hätten, nicht zahlen zu müssen. Allerdings: Kommt es zu Verfahren ab Jänner, müssen die Mieter beweisen, dass sie ausschließlich deshalb nicht zahlen konnten, weil sie "als Folge der Covid-19-Pandemie in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt" waren, wie es im Gesetz heißt. Nur in diesem Fall war die Nichtzahlung der Miete in den Monaten April bis Juni 2020 gerechtfertigt; alles andere wäre ein Kündigungsgrund.

Die Frage sei nun nicht mehr, ob, sondern nur noch, "mit welcher Wucht die Corona-Krise auf den Wohnungsmarkt durchschlagen wird", meint Hanel-Torsch. Denn die finanzielle Situation vieler Mieter in Österreich sei auch vor Corona schon angespannt gewesen: 2019 habe jeder zehnte Haushalt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens fürs Wohnen aufwenden müssen, das waren rund 381.000 Haushalte. "Jetzt sind da wohl schon 50.000 Haushalte dazugekommen", schätzt man in der Mietervereinigung.

Kein Bautenausschuss seit Jänner

Ruth Becher forderte deshalb die Bundesregierung am Freitag einmal mehr eindringlich dazu auf, "Wohnpolitik zu machen". Die Mieten-Stundungsregelung sei bisher das Einzige gewesen, wozu sich Türkis-Grün habe durchringen können. "Der Bundeskanzler weigert sich, Wohnpolitik zu machen", so Becher.

Auch der parlamentarische Bautenausschuss, dessen Vorsitzende Becher ist, habe bisher nach der konstituierenden Sitzung am 10. Jänner kein zweites Mal getagt. Becher hat eigenen Angaben zufolge bereits mehrmals Justizministerin Alma Zadić (Grüne) um einen Termin ersucht, doch sie sei bisher stets abgeblitzt. Zahlreiche Anträge liegen im Bautenausschuss, die seit einem Jahr nicht behandelt werden können.

SPÖ fordert Schaffung zweier Mieterfonds

Becher präsentierte am Freitag aber auch einen ganzen Forderungskatalog, unterteilt in langfristige und mittelfristige Maßnahmen sowie "Sofortmaßnahmen". Zu Letzteren gehört der schon im Juni geforderte "Sicher-Wohnen-Fonds", den die Regierung mit 25 Millionen Euro dotieren sollte. Betriebs- und Energiekosten für notleidende Mieter könnten daraus bezahlt werden, so Becher.

Für Hauptmietzinse, die nicht mehr bezahlt werden können, sollte es aber einen zweiten Fonds geben. Und weiters schlägt die SPÖ vor, die Bundesmittel für die Wohnbauförderung um rund zwei Milliarden Euro zu verdoppeln.

Mittelfristig tritt die SPÖ dafür ein, die Spekulation mit Wohnbau und Grundstücken einzudämmen. "Mit dem Erwerb einer Liegenschaft sollte auch der Lebensmittelpunkt in Österreich sein", das würde ausländische Anleger zurückdrängen, so Becher. Und zur Kategorie "mittelfristig" zählt sie auch das bereits 2014 von der SPÖ ausgearbeitete und vorgestellte "Universalmietrecht", das dafür sorgen würde, dass auch neuerrichtete Wohnbauten nach 20 oder 30 Jahren unter einen Mietzinsdeckel fielen. Das würde es für institutionelle Investoren, die etwa in Wien derzeit große Player auf dem Wohnungsmarkt sind, unattraktiver machen, Wohnanlagen zu kaufen.

"Bund soll 150.000 Wohnungen bauen"

Langfristig aber müsse "der Staat eine aktivere Rolle spielen", um die Bauleistung anzukurbeln, so Becher. Sie fordert den Bau von rund 150.000 Wohnungen "durch die Republik selbst" – und zwar bis 2026. Das wäre zweifellos ein äußerst ambitionierter Zeitplan.

Immerhin: Finanziert werden könnte das mit günstigen Darlehen, die die geplante Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) etwa von der Europäischen Investitionsbank (EIB) abholen soll. Doch auch bezüglich der geplanten WBIB gibt es von der Regierung bisher nichts Neues. (Martin Putschögl, 30.10.2020)