Novella Washington (links) fürchtet gesellschaftliche Rückschritte. Sie wählt Biden.
Foto: Frank Herrmann

Novella Washington (51): Ich bin schon am 19. Oktober in ein Wahllokal gegangen, am ersten Tag, an dem dies in meiner Heimatstadt Orlando möglich war. Keinen Tag länger wollte ich warten. Man weiß ja nie, was sich Trump noch einfallen lässt. Vielleicht lässt er die Lokale, in denen man vorzeitig seine Stimme abgeben kann, unter irgendeinem Vorwand, irgendetwas mit Corona, wieder schließen. Ich weiß, das klingt paranoid, aber ich traue ihm nun mal alles zu. Und per Brief wollte ich nicht wählen, allein schon, um Fehlerquellen absolut auszuschließen. Diese Wahl ist zu wichtig, als dass ich irgendein Risiko einginge.

Ich bin Lehrerin und zudem sehr engagiert in meiner Kirche. Trump sagt, er habe für Christen mehr getan als Jesus. Für mich als Gläubige ist das eine Beleidigung, denn du kannst einfach nicht mehr tun als Jesus. Dass er Kinder, die mit ihren Eltern über die Grenze aus Mexiko kamen, in Käfige sperren ließ, bringt mein Blut in Wallung. Wir behandeln Straftäter besser als Kinder, die sich nichts zuschulden kommen ließen. Deren Eltern haben eine Entscheidung getroffen, und sie sind die Leidtragenden. Diese Kälte, das kann doch nicht sein. Was die Wirtschaft angeht, hat Trump Positives bewirkt, zumindest bis zur Pandemie, das muss man ihm lassen. Aber er reibt es den Menschen, gerade uns Schwarzen, immer so unter die Nase, als erwarte er, dass man in Dankbarkeit auf die Knie falle. Dabei hat er doch nur seinen Job gemacht. Wovor ich am meisten Angst habe, ist, dass wir im Fall seiner Wiederwahl Rechte verlieren, für die meine Vorfahren hart gekämpft haben. Wir alle sind Amerikaner, egal ob wir schwarze, braune, weiße oder gelbe Haut haben. Wir brauchen jemandem im Weißen Haus, der begreift, wofür Amerika steht.


Anton Versch stimmt für Donald Trump.
Foto: Frank Herrmann

Anton Versch (30): Bei meiner ersten Wahl, 2008, habe ich für Barack Obama gestimmt. Mir imponierte, wie er reden konnte. Außerdem fand ich es cool, dem ersten schwarzen Präsidenten unserer US-Geschichte den Weg ins Weiße Haus zu ebnen. 2016 blieb ich zu Hause. Hillary Clinton wirkte nicht ehrlich, Donald Trump hielt ich für einen Idioten. Diesmal bekommt Trump meine Stimme. Seine Rhetorik gefällt mir zwar nicht. Aber ich glaube, da geht es mir mittlerweile wie vielen anderen auch: Wir haben genug von Leuten, die immer nur versuchen, das Perfekte zu sagen. Wenn ich mir anschaue, was Trump in der Sache erreicht hat, muss ich zugeben: Bei ihm stehen die Amerikaner wirklich an erster Stelle, auch wenn er keine geschliffenen Reden hält. Er hat die Steuern gesenkt und Bürokratie abgebaut, er weiß, wie die Wirtschaft funktioniert. Joe Biden dagegen war ein Leben lang Politiker, er hat noch nie ein Geschäft zum Abschluss bringen, noch nie um einen Kunden werben müssen. Im Übrigen stimme ich Trump zu, wenn er einen neuen Corona-Lockdown ablehnt, obwohl die Fallzahlen jetzt wieder steigen. Mit einem Lockdown ist keinem geholfen. Außerdem glaube ich nicht, dass das Virus auch nur annähernd so tödlich ist, wie es in den Medien beschrieben wird. Mein Vater stammt aus Regensburg, mit einem Partner habe ich vor kurzem ein Telemedizin-Unternehmen gegründet. Sie bestellen Medikamente, ein Arzt redet mit Ihnen, das ist, vereinfacht gesagt, das Geschäftsmodell. Es läuft gut, auch wegen der Epidemie.


David Rucker wählt in Florida Joe Biden.
Foto: Frank Herrmann

David Rucker (73): Aufgewachsen bin ich in Atlanta, der Stadt Martin Luther Kings. Ich habe noch die Rassentrennung erlebt, als Teenager marschierte ich mit den Bürgerrechtlern. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, Donald Trump würde das Land am liebsten wieder dahin bringen, wo es sich vor der Bürgerrechtsbewegung befand. Wie er Ressentiments schürt, wie er das Gedankengut weißen Überlegenheitsdünkels verbreitet, das alles zeigt mir: Er möchte die Uhrzeiger sechzig Jahre zurückdrehen. Die Proud Boys, eine rechtsextreme Miliz, hat er aufgefordert, Gewehr bei Fuß zu stehen. Wenn er seine Anhänger aufruft, den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu überwachen, dann ist mir klar, worauf es in Wahrheit hinausläuft. Sie sollen vor Wahllokalen aufziehen, um einzuschüchtern, vor allem uns Afroamerikaner. Sie sollen so viel Lärm machen, dass Leute, die nicht einverstanden sind mit Trump, womöglich Angst bekommen und umkehren. Den Film habe ich schon einmal gesehen. In den Fünfzigern und Sechzigern haben sie schwarze Bürgerrechtler schikaniert und terrorisiert. Dort knüpft Trump heute an.

In Florida, wo ich inzwischen lebe, betreue ich ehemalige Häftlinge, die sich nach ihrer Entlassung im Zivilleben zurechtfinden müssen. 2018 haben die Bürger Floridas per Referendum entschieden, die Verfassung zu ändern und den meisten Ex-Gefangenen das Wahlrecht zurückzugeben. Das ist von der republikanischen Mehrheit im Parlament des Bundesstaats prompt verwässert worden. Ehe ein Vorbestrafter wählen darf, muss er alles bezahlt haben, was an Gerichtsgebühren und Geldstrafen noch offen ist. Aber finden Sie mal heraus, welchen Betrag er genau schuldet! Die reinste Sisyphusarbeit. Ein zentrales Datenregister, in dem man nachschauen könnte, gibt es nicht. Man muss sich an die Kommunen wenden. Und in deren Buchführung geht es bisweilen chaotisch zu.


Bryan Davis wählt in Wisconsin und ist mit Trumps Wirtschaftspolitik zufrieden.
Foto: Frank Herrmann

Bryan Davis (55): Ich wähle Trump, weil er unserer Industrie neues Leben eingehaucht hat. Ich arbeite für ein Rüstungsunternehmen, dessen Namen hier nichts zur Sache tut. Bei uns in Janesville, Wisconsin, hat vor zwölf Jahren ein Autowerk von General Motors dichtgemacht, ein schwerer Schlag für die Region. Bis sich das Virus verbreitete, ging es wieder aufwärts, etliche kleinere Betriebe florierten, die Arbeitslosigkeit sank gegen null. Sobald wir das Kapitel Corona hinter uns haben, wird es erneut steil nach oben gehen, davon bin ich fest überzeugt. Wir reden ja nur von einer Pause, nicht von einer Strukturkrise, aus der man so schnell nicht herauskäme. Und Trump macht in Bezug auf die Ökonomie alles richtig. Seine Steuersenkungen, seine Handelspolitik, beides hat unsere Firmen wieder wettbewerbsfähig gemacht.

Dass er die Seuche kleinreden würde, sehe ich nicht. Er hat die Gefahr nicht aufgebauscht, weil er keine Panik auslösen wollte. Und die Entscheidung, wie weit das öffentliche Leben eingeschränkt wird, ob Restaurants, Kinos usw. schließen mussten, lag nicht bei ihm. Die hatten in unserem föderalen System die Gouverneure der Bundesstaaten zu treffen. Ich weiß wirklich nicht, was er hätte anders machen sollen. Ich werde erst am 3. November wählen, nicht schon vorher. Wenn man sich ein wenig vorsieht, eine Maske trägt, auf Abstand achtet, müsste das reibungslos funktionieren. Was nicht passieren darf, ist, dass in der Nacht zum 4. November noch kein Sieger feststeht. Sollten die Demokraten dann sagen, halt, wir müssen noch auf ein paar Millionen Briefwahlstimmen warten, sollte sich die Auszählung noch tagelang hinziehen, dann könnte es Probleme geben. Für den Fall will ich auch nicht ausschließen, dass Anhänger Trumps die Geduld verlieren. (Frank Herrmann, 2.11.2020)