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Donald Trump, wie man ihn am Rosenmontag in Köln sieht: mit Xi Jinping, Wladimir Putin und Kim jong-un.

Foto: Reuters / Wolfgang Rattay

Seit Erscheinen von Bob Woodwards Rage ist quasi offiziell, worauf jeder Küchenpsychologe, der Donald Trump in seiner ersten Amtszeit beobachtet hat, selbst kommen musste: Der Präsident des Landes, das sich selbst – und historisch zu Recht – als Leuchtturm der Freiheit sieht, tut sich mit Diktatoren leichter als mit demokratischen Politikern.

Je "gemeiner und brutaler" (meaner and tougher) sie seien, desto besser komme er mit ihnen aus, vertraute er Woodward an, nachdem er bei einer Wahlveranstaltung gesagt habe, dass Diktatoren "schlauer" seien als sein demokratischer Herausforderer Joe Biden.

In seinem Abrechnungsbuch The Room Where it Happened erzählt Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton, dass Trump vor drei angesetzten Treffen – einem bei der Nato in Brüssel, einem mit der damaligen britischen Premierministerin Theresa May und einem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Rande eines G20-Treffens – sagte: "Offen gesagt, Putin ist wahrscheinlich das einfachste von allen!"

"Ich glaube, ich mag ihn sehr"

Es gibt ganze Sammlungen von Jubelzitaten Trumps über jene Politiker, die jedem Demokraten – nicht im US-parteipolitischen Sinne gemeint – normalerweise Schauer über die Rücken jagen. Geboomt hat das Präsidentenlob für sie vor allem in den ersten Jahren seiner Amtszeit.

Manche kommen heute fast nicht mehr vor, bei anderen beziehungsweise "ihren" Ländern hat sich das Blatt ganz klar gewendet. So ein Fall wäre der chinesische Präsident Xi Jinping, über den Trump 2017 laut Bolton sagte: "Er ist ein großartiger Kerl" oder "Ich glaube, ich mag ihn sehr. Ich glaube, er mag mich sehr."

Letzteres scheint typisch zu sein, denn Trump ist nicht nur bereit, den problematischsten Figuren Bewunderung und Zuneigung zu schenken – er will sie auch zurückhaben. Die Beziehung zum nordkoreanischen Diktator Kim jong-un ist da geradezu exemplarisch.

Sogar aus der Distanziertheit einer nichtamerikanischen Perspektive verfällt man in einen Modus des Fremdschämens, wenn man Bolton liest (der bestimmt kein Trump-Freund mehr ist, dessen genaue Protokolle jedoch vertrauenswürdig scheinen). Bolton spricht von einer "Bromance" zwischen den beiden Leadern. Trump zeigte gerne Kims "ölige" Briefe herum, er war stolz auf das, was doch jedem US-Präsidenten peinlich sein müsste, nämlich dass ihn der Nordkoreaner lobte.

Kindliches Vertrauen

Die "Schläue" von Diktatoren äußerte sich bei Kim jong-un etwa so, dass er Trump bei ihrem ersten Treffen (einem von drei) in Singapur im Juni 2018 fragte, was er, Trump, denn über ihn denke. Trump "liebte" diese Frage und legte los: Kim sei "wirklich klug, ziemlich verschlossen, eine sehr gute Person, völlig ehrlich, eine große Persönlichkeit".

Kim hatte Trump durch die Frage das geschenkt, wonach dieser lechzte: Aufmerksamkeit für das, was er sagt und denkt. Bolton erzählt, dass ihm der ebenfalls anwesende US-Außenminister Mike Pompeo im Laufe der Trump-Kim-Konversation ein Stück Papier reichte, auf dem geschrieben stand: "He is so full of shit." Er meinte zwar nicht seinen Boss, aber ...

Trump erwiderte Kims vermeintliche Zuneigung mit fast kindlich anmutendem Vertrauen, dass dieser tatsächlich nachprüfbar sein Atomwaffenprogramm aufgeben würde. Trump zurückzuhalten, ihn vor Peinlichkeiten zu bewahren, ihn daran zu hindern, etwas politisch Unmögliches zu sagen, war (und ist wohl) die Hauptaufgabe seiner außenpolitischen Berater.

Leichte Beute

Dass Trump eine "Leader to leader"-Kommunikation einfacher findet, liegt einerseits daran, dass er sich nicht mit komplexen Politik-Hintergründen abgeben will, andererseits glaubt er fest daran, dass Lösungen nicht multilateral verhandelt, sondern von Leadern ausgedealt werden.

Und so richtig stark sind eben die, die sich nicht mit lästiger Opposition und einer kritischen Zivilgesellschaft auseinandersetzen müssen. An Xi Jinping etwa imponierte Trump, als die Beziehungen noch freundlich waren, besonders, dass er nun "president for life" sei. "And look, he was able to do that. I think it’s great", sagte er bei einem Fundraising Dinner in Mar-a-Lago – übrigens ein Anwesen, das ästhetisch bestens zu seinen politischen Vorlieben passt.

Sein Narzissmus macht den US-Präsidenten jedoch zur leichten Beute von wirklich starken Persönlichkeiten. Putin fuhr, man kann es wohl nicht anders beschreiben, beim Treffen in Helsinki im Juli 2018 mit Trump Schlitten: Es erschien danach ein US-Präsident vor der Presse, der seinen Geheimdiensten voll in den Rücken fiel, was ihre Einschätzung zum russischen Einmischungsversuch bei den Wahlen 2016 betraf. Er sehe keinen Grund, dass Russland involviert hätte sein sollen, wo doch Putin es "extrem stark und kräftig" geleugnet hatte.

Kameraderie wird schnell einmal zur Komplizenschaft. Egal, wie sehr ein US-Präsident Journalisten hasst, wenn er mit einem Politiker zusammensitzt, der unter Verdacht steht, kritische Journalisten töten zu lassen, sollte er eigentlich nicht in dessen Journalisten-Verhöhnungen einstimmen.

Galt nicht für Trump, der einen solchen heiteren Moment mit Putin, aber auch mit dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte teilte. Letzterem gratulierte er im April 2017 "für seinen unglaublichen Job mit dem Drogenproblem". "Der Job" besteht in außergerichtlichen Tötungen.

Der "Lieblingsdiktator"

An den türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan verteilte Trump ebenfalls "sehr hohe Noten": "I’m a big fan of the president." Einer der schärfsten Gegner Erdoğans im Nahen Osten, der mit mindestens ebenso harter Hand regierende ägyptische Präsident, wurde jedoch einmal mit einem Shout-out bedacht, das die Anwesenden erstarren ließ: "Wo bleibt mein Lieblingsdiktator", rief Trump fröhlich durch den Raum, als er im September 2019 in Biarritz auf Abdelfattah al-Sisi wartete. Auch der macht einen "fantastischen Job".

Das gilt natürlich auch für die saudische Führung, zu der es Trump auf seiner ersten Auslandsreise als Präsident 2017 zog: Im Nahen Osten bekommt er genau den Pomp, der ihm im Westen versagt bleibt.

Er weiß sich zu revanchieren: Vor Woodward lobte sich Trump selbst dafür, dass er Kronprinz Mohammed bin Salman, den die CIA für die Ermordung des saudischen Publizisten Jamal Khashoggi verantwortlich macht, vor Konsequenzen vonseiten des US-Kongresses "gerettet" habe. Ein kleiner Gefallen von Leader zu Leader. (Gudrun Harrer, 31.10.2020)